Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 10 November 2016 (België). RG 140/2016

Date :
10-11-2016
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
8 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20161110-2
Numéro de rôle :
140/2016

Résumé :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: - Artikel 2.6.1 § 3 Nr. 4 des Flämischen Raumordnungskodex verstößt gegen die Artikel 10, 11 und 16 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, jedoch ausschließlich in Bezug auf Grundstücke, die in anderen Gebieten als Wohngebieten liegen, wie in Industriegebieten, Gebieten für Handwerksbetriebe, Gebieten für kleine und mittlere Unternehmen und anderen Gebieten, in deren Zweckbestimmung am Tag vor dem Inkrafttreten des endgültigen Plans, mit dem ein Bauverbot auferlegt wird, Gebäude mit einer Bautiefe von mehr als fünfzig Metern ab der Fluchtlinie vorgesehen waren. - Artikel 2.6.2 § 2 des Flämischen Raumordnungskodex verstößt nicht gegen die Artikel 10, 11 und 16 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten E. De Groot und J. Spreutels, und den Richtern L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten E. De Groot,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen und Verfahren

In seinem Urteil vom 27. Juli 2015 in Sachen der « P. Van De Riet » PGmbH gegen die Flämische Region, dessen Ausfertigung am 5. August 2015 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das niederländischsprachige Gericht erster Instanz Brüssel folgende Vorabentscheidungsfragen gestellt:

« 1. Verstößt Artikel 2.6.1 § 3 Nr. 4 des Flämischen Raumordnungskodex gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, Artikel 16 der Verfassung und/oder Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, indem er bestimmt, dass nur die ersten 50 Meter ab der Fluchtlinie für Planschäden berücksichtigt werden, während die tiefer liegenden Grundstücke desselben Ganzen - die in der Regel insgesamt als Baugrundstück oder parzellierbares Grundstück gehandelt werden - nicht per definitionem nicht für Bebauung in Frage kommen können?

2. Verstößt Artikel 2.6.2 § 2 Absatz 1 des Flämischen Raumordnungskodex gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, Artikel 16 der Verfassung und/oder Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, indem er bestimmt, dass die Entschädigung für Planschäden nur 80 % der Wertminderung beträgt, was eine unverhältnismäßig schwere Belastung darstellen würde, welche die Eigentümer im allgemeinen Interesse zu tragen hätten, wenn ihr Grundstück mit einem sich aus einem räumlichen Ausführungsplan ergebenden Bauverbot belegt würde? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1.1. Die Flämische Regierung hat am 23. Oktober 2015 einen Schriftsatz und am 14. Dezember 2015 einen Erwiderungsschriftsatz eingereicht. In ihrem Erwiderungsschriftsatz hat sie sich das Recht vorbehalten, « notwendigenfalls noch auf die Anmerkungen zu antworten, die im etwaigen Erwiderungsschriftsatz der [intervenierenden] Parteien noch vorgebracht werden ». Am 18. Februar 2016 hat die Flämische Regierung einen Ergänzungsschriftsatz eingereicht, in dem sie auf die Klagegründe antwortet, die im Erwiderungsschriftsatz der ersten intervenierenden Partei dargelegt wurden.

B.1.2. Artikel 89 § 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof bestimmt:

« Wenn der Verfassungsgerichtshof Vorabentscheidungen zu den in Artikel 26 erwähnten Fragen trifft, übermittelt der Kanzler den anderen Parteien, die einen Schriftsatz eingereicht haben, eine Abschrift der eingereichten Schriftsätze. Diese Parteien verfügen dann über dreißig Tage ab dem Tag des Empfangs, um der Kanzlei einen Erwiderungsschriftsatz zukommen zu lassen. Nach Ablauf dieser Frist übermittelt der Kanzler den Parteien, die einen Schriftsatz eingereicht haben, eine Abschrift der eingereichten Erwiderungsschriftsätze ».

Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass ein Ergänzungsschriftsatz der Flämischen Regierung nicht vorgesehen und deshalb unzulässig ist.

In Bezug auf die fraglichen Bestimmungen

B.2.1. Der vorlegende Richter möchte vom Gerichtshof erfahren, ob die Artikel 2.6.1 § 3 Nr. 4 und 2.6.2 § 2 Absatz 1 des Flämischen Raumordnungskodex gegen die Artikel 10, 11 und 16 der Verfassung, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, verstießen, indem sie bestimmten, dass nur die ersten fünfzig Meter ab der Fluchtlinie für eine Entschädigung für Planschäden in Frage kämen (erste Vorabentscheidungsfrage) und dass die Entschädigung für Planschäden nur 80 Prozent der Wertminderung betrage (zweite Vorabentscheidungsfrage).

B.2.2. Da beide Vorabentscheidungsfragen sich auf die mögliche Verfassungswidrigkeit einer Begrenzung der von der Behörde geschuldeten Entschädigung für Planschäden beziehen, werden beide Fragen zusammen behandelt.

B.3.1. Die Raumordnung der Flämischen Region, der Provinzen und der Gemeinden wird festgelegt in räumlichen Strukturplänen, räumlichen Ausführungsplänen und Verordnungen (Artikel 1.1.3 des Flämischen Raumordnungskodex).

Die Raumordnung ist auf eine nachhaltige Raumentwicklung ausgerichtet, wobei der Raum zum Vorteil der heutigen Generation verwaltet wird, ohne dass die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen gefährdet werden. Dabei werden die raumordnerischen Bedürfnisse der verschiedenen gesellschaftlichen Tätigkeiten gleichzeitig miteinander abgewogen. Es werden die raumordnerische Tragfähigkeit, die Folgen für die Umwelt und die kulturellen, wirtschaftlichen, ästhetischen und sozialen Folgen berücksichtigt. Auf diese Weise wird eine raumordnerische Qualität angestrebt (Artikel 1.1.4 des Flämischen Raumordnungskodex).

B.3.2. Unter einem räumlichen Strukturplan ist ein politisches Dokument zu verstehen, in dem der Rahmen für die gewünschte Raumordnungsstruktur angegeben ist. Er enthält eine Langzeitvision der raumordnerischen Entwicklung des betreffenden Gebiets. Er ist darauf ausgerichtet, die Vorbereitung, die Festlegung und die Ausführung von Entscheidungen über die Raumordnung zusammenhängend zu gestalten (Artikel 2.1.1 Absatz 1 des Flämischen Raumordnungskodex). Räumliche Strukturpläne bestehen auf drei Ebenen: die Ebene der Flämischen Region, die Ebene der Provinzen und die Ebene der Gemeinden (Artikel 2.1.1 Absatz 2 des Flämischen Raumordnungskodex). Die räumlichen Strukturpläne sind nur verbindlich für die Behörde, die den Strukturplan erstellt hat, und für die ihr untergeordneten Behörden. Sie sind keine Beurteilungsgrundlage für Genehmigungsanträge (Artikel 2.1.2 § 7 des Flämischen Raumordnungskodex).

Die räumlichen Ausführungspläne werden auf den gleichen Ebenen erstellt (Artikel 2.2.1 § 1 des Flämischen Raumordnungskodex). Sie enthalten konkrete städtebauliche Vorschriften in Bezug auf die Zweckbestimmung, die Erschließung und die Verwaltung des betreffenden Gebiets, die eine Beurteilungsgrundlage für Genehmigungen sind (Artikel 4.3.1 § 1 Nr. 1 des Flämischen Raumordnungskodex). Räumliche Ausführungspläne können jederzeit vollständig oder teilweise ersetzt werden (Artikel 2.2.2 § 2 Absatz 1 des Flämischen Raumordnungskodex), sodass die Rechtsuchenden sich nicht rechtmäßig darauf verlassen können, dass die darin enthaltenen städtebaulichen Vorschriften in Zukunft unverändert bestehen bleiben (siehe u.a. Staatsrat, 17. März 2010, Nr. 202.011).

B.3.3. Die räumlichen Ausführungspläne können gemeinnützige Dienstbarkeiten entstehen lassen und Eigentumseinschränkungen beinhalten, einschließlich eines Bauverbots. In bestimmten Fällen kann ein Bau- oder Parzellierungsverbot Anlass zu einer begrenzten Entschädigung sein, die als Entschädigung für Planschäden bezeichnet wird (Artikel 2.6.1 § 1 des Flämischen Raumordnungskodex).

Die Wertminderung, die für die Entschädigung für Planschäden in Frage kommt, ist als die Differenz zwischen dem Wert dieses Gutes zum Zeitpunkt des Erwerbs, aktualisiert am Tag der Entstehung des Rechtes auf Entschädigung, zuzüglich der Abgaben und Kosten vor dem Inkrafttreten des räumlichen Ausführungsplans und dem Wert dieses Gutes zum Zeitpunkt des Entstehens des Rechtes auf Entschädigung nach dem Inkrafttreten dieses räumlichen Ausführungsplans zu veranschlagen (Artikel 2.6.2 § 1 Absatz 1 des Flämischen Raumordnungskodex).

B.3.4. Eine Entschädigung für Planschäden wird gewährt, wenn eine Parzelle auf der Grundlage eines in Kraft getretenen räumlichen Ausführungsplans nicht mehr in Frage kommt für eine Bau- oder Parzellierungsgenehmigung, während sie am Tag vor dem Inkrafttreten dieses endgültigen Plans wohl für eine Bau- oder Parzellierungsgenehmigung in Frage kam (Artikel 2.6.1 § 2 des Flämischen Raumordnungskodex).

B.4.1. Artikel 2.6.1 § 3 des Flämischen Raumordnungskodex bestimmt:

« Zur Anwendung der Entschädigung für Planschäden müssen außerdem folgende Kriterien zusammen erfüllt sein am Tag vor dem Inkrafttreten des endgültigen Plans:

1. Die Parzelle muss an einem ausreichend erschlossenen Weg gemäß Artikel 4.3.5 § 1 liegen.

2. Die Parzelle muss in städtebaulicher und bautechnischer Hinsicht zur Bebauung geeignet sein.

3. Die Parzelle muss innerhalb eines bebaubaren Gebiets gemäß einem Raumordnungsplan oder einem räumlichen Ausführungsplan liegen.

4. Nur die ersten 50 Meter ab der Fluchtlinie kommen für eine Entschädigung für Planschäden in Frage.

Das in Absatz 1 Nr. 1 erwähnte Kriterium gilt jedoch nicht für Parzellen, auf denen sich die Betriebsgebäude und die Wohnung des Betriebsinhabers eines bestehenden Landwirdschafts- oder Gartenbaubetriebs befinden ».

B.4.2. Artikel 2.6.2 § 2 des Flämischen Raumordnungskodex bestimmt:

« § 2. Die Entschädigung für Planschäden beträgt achtzig Prozent der Wertminderung.

[...] ».

B.5.1. Der Flämische Raumordnungskodex ist 2009 entstanden als Koordinierung der Bestimmungen des Dekrets vom 18. Mai 1999 über die Organisation der Raumordnung (nachstehend: Raumordnungsdekret) und des Artikels 90bis des Forstdekrets vom 13. Juni 1990 (Artikel 1 des Erlasses der Flämischen Regierung vom 15. Mai 2009 zur Koordinierung der Dekretgebung über die Raumordnung).

B.5.2.1. Artikel 2.6.1 § 3 des Flämischen Raumordnungskodex unterscheidet sich nicht von Artikel 84 § 3 des Raumordnungsdekrets.

In den Vorarbeiten zu Artikel 84 § 3 des Raumordnungsdekrets heißt es:

« § 3. In diesem Paragraphen werden eine Reihe zusätzlicher Kriterien festgelegt, die zusammen erfüllt werden müssen, damit eine Parzelle für eine Entschädigung für Planschäden in Frage kommen kann. Diese Bedingungen werden festgelegt, damit die Entschädigung für Planschäden nur gewährt wird für Parzellen, die bebaubar sind.

In Nr. 2 wird die Bedingung festgelegt, dass die Parzelle in städtebaulicher und technischer Hinsicht für eine Bebauung in Frage kommen muss. Es ist natürlich möglich, auf jedem Grundstück zu bauen, doch dadurch wird das Grundstück noch nicht zu einem Baugrundstück. In der herrschenden Rechtsprechung und Rechtslehre wird dieses Kriterium bereits auf befriedigende Weise angewandt. Grundstücke, die sich von ihrer Beschaffenheit her nicht zur Bebauung eignen, es sei denn, dass ihre Beschaffenheit auf künstliche Weise verändert wird, um das Grundstück bebaubar zu machen, werden ausgeschlossen.

In Nr. 3 wird ausdrücklich die Bedingung festgelegt, dass die Parzelle sich in einem Baugebiet gemäß einem Raumordnungsplan oder einem räumlichen Ausführungsplan befinden muss. Parzellen, die in einem Raumordnungsplan oder räumlichen Ausführungsplan bereits für andere Zweckbestimmungen als für eine Bebauung, beispielsweise Grüngebiete, vorbehalten wurden, werden ausgeschlossen.

Die in Nr. 2 erwähnte Bedingung, nämlich das Erfordernis der Lage an einem ausreichend erschlossenen Weg, gilt nicht für die Erlangung einer Entschädigung für Planschäden für bestehende landwirtschaftliche Betriebe und die Wohnung des Betriebsinhabers, da diese Gebäude wegen ihrer Beschaffenheit nicht immer diese Bedingung erfüllen.

Nur die ersten fünfzig Meter ab der Fluchtlinie kommen für eine Entschädigung für Planschäden in Frage (Nr. 4). Diese Einschränkung ergibt sich einerseits bereits aus dem Erfordernis der Lage an einem ausreichend erschlossenen Weg und wurde aus der Analyse der herrschenden Rechtsprechung übernommen, in der daraus die 50-Meter-Regel entwickelt wurde. Die Tiefe von 50 Meter ab der Fluchtlinie ist die allgemein übliche Bautiefe. Die dahinter liegenden Grundstücke, die weiter vom ersten Streifen von 50 Meter entfernt sind, kommen nicht für eine Entschädigung für Planschäden in Frage (siehe unter anderem Kassationshof, Nr. 7028, 30. November 1990) » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 1998-1999, Nr. 1332/1, S. 46).

B.5.2.2. In Bezug auf Artikel 85 § 2 des Raumordnungsdekrets wurde in den Vorarbeiten angemerkt, dass darin der in der früheren Regelung bestehende Abzug von zwanzig Prozent der Wertminderung, die in jedem Fall auf den Geschädigten entfallen, bestätigt wird (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 1998-1999, Nr. 1332/1, S. 47).

B.5.3. Artikel 84 § 3 des Raumordnungsdekrets ergibt sich selbst aus Artikel 35 des am 22. Oktober 1996 koordinierten Dekrets über die Raumordnung (nachstehend: Koordinierungsdekret), in dem jedoch nicht die vorerwähnte Fünfzigmeterregel ausdrücklich vorgesehen war. In Artikel 35 des Koordinierungsdekrets wurde weitgehend Artikel 37 des Grundlagengesetzes vom 29. März 1962 über die Raumordnung und den Städtebau (nachstehend: Städtebaugesetz), abgeändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 1970 und ersetzt durch die Gesetze vom 12. Juli 1976 und 22. Dezember 1977, übernommen.

In der Begründung zum Entwurf des Städtebaugesetzes heißt es:

« Es wird hervorgehoben, dass diese Bestimmungen im Text der Autoren das Allgemeininteresse mit den Rechten der Privatpersonen in Einklang bringen sollen, indem diesen möglichst wenig Schaden zugefügt wird, wobei der Anspruch auf eine Entschädigung in jedem Fall auf einen sicheren, aktuellen und objektiv feststellbaren Schaden begrenzt bleiben soll.

Um eine zu große Flut von Klagen für verhältnismäßig geringe Schäden zu vermeiden, wird keine Entschädigung gezahlt unterhalb von 20 Prozent des Gesamtwertes.

Schließlich kann unter allen Städtebauvorschriften nur das Bau- und das Parzellierungsverbot Anlass zu einer Entschädigung geben, da die anderen Vorschriften als gemeinnützige Dienstbarkeiten gelten, die die Privatpersonen zum Allgemeininteresse auf sich nehmen müssen.

Ihre Ausschüsse wollten hervorheben, dass das Bau- oder Parzellierungsverbot nur Anlass zu einer Entschädigung sein kann, wenn es vollständig ist. Es wird also keine Entschädigung geschuldet für das Verbot, an einem bestimmten Ort ein bestimmtes Gebäude zu errichten, weil es beispielsweise die zugelassene Höhe überschreitet oder weil man Materialien verarbeitet, die gemäß den Vorschriften des Plans nicht verwendet werden dürfen.

[...]

Es sind ausdrücklich einige Fälle vorgesehen, in denen für das Bau- oder Parzellierungsverbot oder die Beschränkung des Bau- oder Parzellierungsrechtes keine Entschädigung gewährt wird, weil man in diesen Fällen bestrebt ist, eine anormale und unsachgemäße Nutzung des Eigentums zu bekämpfen.

Um zu vermeiden, dass die Nutzung und vor allem die Zweckbestimmung im Sinne von Absatz 1 von Artikel 37 durch die Gerichte im weiten Sinne ausgelegt werden, dies im Widerspruch zum Ziel des Gesetzgebers, haben Ihre Ausschüsse den Wunsch geäußert, dass diese Absicht deutlich in dem Bericht angegeben wird. Der Begriff ' Baugrundstück ' ist in unserer Rechtslehre und unserer Rechtsprechung nicht unbekannt, und darin mussten dessen Bestandteile wiederholt bestimmt werden anlässlich von Anfechtungen über die Enteignungsentschädigung.

[...]

Aus diesen Entscheidungen ergibt sich, dass verschiedene Bedingungen erfüllt sein müssen, um ein Grundstück als Baugrundstück betrachten zu können:

1. Es muss an einem Verkehrsweg liegen.

2. Es muss in der Nähe zu anderen Baugrundstücken liegen.

3. Es muss sich für eine Bebauung eignen.

Wenn nur eine oder zwei dieser Bedingungen erfüllt sind, ist das Grundstück kein Baugrundstück » (Parl. Dok., Senat, 1959-1960, Nr. 275, SS. 57-59).

B.5.4. Aus den vorerwähnten Vorarbeiten geht hervor, dass der Gesetzgeber eine zu große Flut von Klagen auf Entschädigung in Bezug auf kleinere Wertminderungen vermeiden wollte und dass er, in Anlehnung an die Rechtsprechung, die Beschaffenheit als « Baugrundstück » weitgehend von den inhärenten Bau- und Umgebungseigenschaften des betreffenden Grundstücks selbst abhängig machen wollte.

In Bezug auf die Zulässigkeit der Interventionen

B.6. Die Flämische Regierung führt an, dass die erste Interventionsklage unzulässig sei, weil die Parteien keinen ausreichenden Nachweis für die direkte Folge lieferten, die der Entscheid des Gerichtshofes für ihre persönliche Situation haben würde, und sie in ihrem ersten Schriftsatz keinen inhaltlichen Standpunkt eingenommen hätten, sodass gegen die Rechte der Verteidigung und den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen werde.

B.7.1. Artikel 87 § 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof bestimmt:

« Wenn der Verfassungsgerichtshof Vorabentscheidungen zu den in Artikel 26 erwähnten Fragen trifft, kann jede Person, die ein Interesse nachweist, binnen einer Frist von dreißig Tagen nach der in Artikel 74 vorgeschriebenen Veröffentlichung einen Schriftsatz an den Verfassungsgerichtshof richten. Sie wird dadurch als Partei des Rechtsstreits angesehen ».

B.7.2. Die Personen, die hinlänglich den Beweis dafür liefern, dass die Antwort des Gerichtshofes eine unmittelbare Folge für ihre persönliche Situation haben kann, weisen ein Interesse nach, um vor dem Gerichtshof zu intervenieren.

B.8.1. Die erste Interventionsklage wurde eingereicht durch fünf natürliche Personen und eine juristische Person. Sie sind der Auffassung, dass sie ein Interesse an der Intervention hätten, « da sie in drei anhängigen Verfahren vor dem Appellationshof Gent [...] mit der gleichen Problematik konfrontiert werden und bereits in Schriftsätzen ähnliche Vorabentscheidungsfragen formuliert haben ».

B.8.2. Im vorliegenden Fall finden die fraglichen Artikel des Flämischen Raumordnungskodex jedoch nicht Anwendung auf die drei anhängigen Verfahren vor dem Appellationshof Gent, da diese Verfahren sich auf Klagen auf Entschädigung für Planschäden beziehen, die aus einem Sektorenplan entstanden sind, und folglich Artikel 7.4.11 des Flämischen Raumordnungskodex zu berücksichtigen ist. Artikel 7.4.11 des Flämischen Raumordnungskodex bestimmt, dass Klagen auf Zahlung von Entschädigungen für Planschäden, die aus früheren Raumordnungsplänen entstanden sind, wie im vorliegenden Fall der Sektorenplan Dendermonde, der durch königlichen Erlass vom 7. November 1978 festgelegt wurde, gemäß dem Koordinierungsdekret behandelt werden müssen.

Außerdem dürfen die intervenierenden Parteien vor dem Gerichtshof die Tragweite einer Vorabentscheidungsfrage nicht ändern oder erweitern, sodass die Prüfung der Fragen nicht auf Artikel 7.4.11 des Flämischen Raumordnungskodex erweitert werden darf. Es obliegt nämlich alleine dem vorlegenden Richter zu beurteilen, welche Vorabentscheidungsfragen er dem Gerichtshof stellen muss, und dabei den Umfang der Befassung festzulegen.

B.8.3. Die erste Interventionsklage ist unzulässig.

B.9.1. Die zweite Interventionsklage wurde eingereicht durch drei verschiedene juristische Personen, die der Auffassung sind, dass sie über ein ausreichendes Interesse verfügten, um zu intervenieren, da sie alle Eigentümer einer Reihe von Parzellen seien, die infolge des Erlasses der Flämischen Regierung vom 9. Juli 2010 zur Genehmigung des räumlichen Ausführungsplans zur Abgrenzung des Stadtgebiets Gent nicht mehr in einem Wohngebiet, sondern in einem Zweckbestimmungsgebiet lägen, in dem nun ein Bau- oder Parzellierungsverbot gelte.

B.9.2. Die zweite Interventionsklage ist folglich zulässig.

Zur Hauptsache

B.10. Der vorlegende Richter möchte vom Gerichtshof erfahren, ob die doppelte Einschränkung, die sich aus den Artikeln 2.6.1 § 3 Nr. 4 und 2.6.2 § 2 des Flämischen Raumordnungskodex ergebe, im Widerspruch zu den Artikeln 10, 11 und 16 der Verfassung, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, stehe.

B.11. Der Gesetzgeber hat mit Artikel 37 des Städtebaugesetzes zum ersten Mal ein verallgemeinertes Recht auf Entschädigung für Planschäden eingeführt, und infolgedessen hatte ein Eigentümer Anspruch auf eine Entschädigung für Planschäden, wenn durch einen endgültig wirksam gewordenen Raumordnungsplan ein Bau- oder Parzellierungsverbot eingeführt wurde und der Nutzung oder der normalen Zweckbestimmung des Gutes ein Ende gesetzt wurde.

B.12.1. Artikel 16 der Verfassung bestimmt:

« Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn zum Nutzen der Allgemeinheit, in den Fällen und in der Weise, die das Gesetz bestimmt, und gegen gerechte und vorherige Entschädigung ».

Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt:

« Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.

Die vorstehenden Bestimmungen beeinträchtigen jedoch in keiner Weise das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält ».

B.12.2. Da diese Bestimmung des internationalen Rechts eine analoge Tragweite hat wie diejenige von Artikel 16 der Verfassung, bilden die darin enthaltenen Garantien ein untrennbares Ganzes mit denjenigen, die in dieser Verfassungsbestimmung verankert sind, weshalb der Gerichtshof bei der Prüfung der fraglichen Bestimmung die Erstgenannte berücksichtigt.

B.12.3. Artikel 1 des vorerwähnten Zusatzprotokolls bietet nicht nur einen Schutz gegen eine Enteignung oder eine Eigentumsentziehung (Absatz 1 Satz 2), sondern auch gegen jeden Eingriff in das Recht auf Achtung des Eigentums (Absatz 1 Satz 1) und gegen jede Regelung der Benutzung des Eigentums (Absatz 2).

Die Begrenzung des Eigentumsrechts infolge eines räumlichen Ausführungsplans regelt die « Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse » im Sinne von Absatz 2 von Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls und gehört also zum Anwendungsbereich dieser Vertragsbestimmung in Verbindung mit Artikel 16 der Verfassung.

B.12.4. Jede Einmischung in das Eigentumsrecht muss ein billiges Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und denjenigen des Schutzes des Rechtes auf Achtung des Eigentums zustande bringen. Es muss ein vernünftiger Zusammenhang der Verhältnismäßigkeit zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten Ziel bestehen.

B.13.1. Der bloße Umstand, dass die Behörde im Allgemeininteresse Einschränkungen des Eigentumsrechts auferlegt, hat nicht zur Folge, dass sie zu einer Entschädigung verpflichtet ist.

Aus der Festlegung einer durch oder aufgrund einer Gesetzesbestimmung auferlegten gemeinnützigen Dienstbarkeit oder einer Einschränkung des Eigentumsrechts im Allgemeininteresse ergibt sich grundsätzlich für den Eigentümer des belasteten unbeweglichen Gutes kein Anspruch auf Entschädigung (Kass., 16. März 1990, Arr. Cass., 1989-1990, Nr. 427; EuGHMR, 25. Juni 2015, Couturon gegen Frankreich, §§ 34 bis 43).

Ebenso gilt, « wenn eine Maßnahme über die Regelung der Benutzung des Eigentums in Rede steht, ist das Ausbleiben einer Entschädigung einer der Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, um zu bestimmen, ob ein faires Gleichgewicht eingehalten wurde, doch es kann an sich keinen Verstoß gegen Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls beinhalten » (siehe u.a. EuGHMR, Große Kammer, 29. März 2010, Depalle gegen Frankreich, § 91; 26. April 2011, Antunes Rodrigues gegen Portugal, § 32).

Im Fall einer ernsthaften Beeinträchtigung des Rechts auf Achtung des Eigentums, wie ein Bau- oder Parzellierungsverbot, kann diese Belastung einem Eigentümer jedoch nicht ohne eine vernünftige Entschädigung für die Wertminderung der Parzelle auferlegt werden (EuGHMR, 19. Juli 2011, Varfis gegen Griechenland).

B.13.2. Die Festlegung der Fälle, in denen eine Einschränkung des Eigentumsrechts zu einer Entschädigung Anlass geben kann, und der Bedingungen, unter denen diese Entschädigung gewährt werden kann, ist eine Entscheidung, die dem zuständigen Gesetzgeber obliegt, vorbehaltlich der Prüfung durch den Gerichtshof hinsichtlich der vernünftigen und verhältnismäßigen Beschaffenheit der ergriffenen Maßnahme.

B.14. Der Dekretgeber hat sich dafür entschieden, eine Regelung über die Entschädigung der Wertminderungen einzuführen, die mit einem Bau- oder Parzellierungsverbot zusammenhängen, das sich aus einem räumlichen Ausführungsplan ergibt, wenn dieses Verbot dazu führt, dass eine Parzelle nicht mehr für eine Bau- oder Parzellierungsgenehmigung in Frage kommt, während sie am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Plans wohl für eine Bau- oder Parzellierungsgenehmigung in Frage kam (Artikel 2.6.1 §§ 1 und 2 des Flämischen Raumordnungskodex).

B.15. Obwohl nicht bestritten werden kann, dass der Dekretgeber im Rahmen eines weiten Ermessensspielraums befugt ist festzulegen, unter welchen Bedingungen jemand Anspruch auf eine Entschädigung für Planschäden hat, ist zu prüfen, ob diese Bedingungen keine unverhältnismäßigen Folgen für die betroffenen Eigentümer haben.

B.16. Indem er festgelegt hat, dass die Entschädigung für Planschäden 80 Prozent der Wertminderung beträgt und auf die ersten fünfzig Meter ab der Fluchtlinie begrenzt wird, hat der Dekretgeber grundsätzlich keine Maßnahme ergriffen, die offensichtlich nicht im Verhältnis zu seiner Zielsetzung steht oder die als eine aufgrund von Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässige Beeinträchtigung des Eigentumsrechts zu betrachten wäre.

Die doppelte Einschränkung der Höhe der Entschädigung für Planschäden hangt nämlich mit der Bedingung zusammen, dass eine Entschädigung für Planschäden nur dem Eigentümer eines Baugrundstücks zusteht, der überdies einen sicheren, aktuellen und objektiv feststellbaren Schaden erlitten haben muss und der nur teilweise entschädigt wird, als Ausgleich dafür, dass gemeinnützige Dienstbarkeiten grundsätzlich nicht entschädigt werden können.

Es obliegt dem Dekretgeber, die Fälle festzulegen, in denen eine Einschränkung des Eigentumsrechtes Anlass zu einer Entschädigung gibt, und er verfügt dabei über eine breite Ermessensbefugnis. In der Regel, und insbesondere in Wohngebieten, wird somit den Eigentümern von Baugrundstücken keine unverhältnismäßige Belastung auferlegt, da häufig nicht tiefer als fünfzig Meter ab der Fluchtlinie gebaut werden kann.

Es verhält sich jedoch anders für die Grundstücke, die in anderen Gebieten als Wohngebieten liegen, wie in Industriegebieten, Gebieten für Handwerksbetriebe, Gebieten für kleine und mittlere Unternehmen und anderen Gebieten, in deren Zweckbestimmung Gebäude mit einer größeren Bautiefe vorgesehen sind. Eine Begrenzung der Entschädigung für Planschäden auf die ersten fünfzig Meter ab der Fluchtlinie ist in einem solchen Fall nicht vernünftig gerechtfertigt.

B.17. Die erste Vorabentscheidungsfrage ist in diesem Maße bejahend zu beantworten, und die zweite Vorabentscheidungsfrage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

- Artikel 2.6.1 § 3 Nr. 4 des Flämischen Raumordnungskodex verstößt gegen die Artikel 10, 11 und 16 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, jedoch ausschließlich in Bezug auf Grundstücke, die in anderen Gebieten als Wohngebieten liegen, wie in Industriegebieten, Gebieten für Handwerksbetriebe, Gebieten für kleine und mittlere Unternehmen und anderen Gebieten, in deren Zweckbestimmung am Tag vor dem Inkrafttreten des endgültigen Plans, mit dem ein Bauverbot auferlegt wird, Gebäude mit einer Bautiefe von mehr als fünfzig Metern ab der Fluchtlinie vorgesehen waren.

- Artikel 2.6.2 § 2 des Flämischen Raumordnungskodex verstößt nicht gegen die Artikel 10, 11 und 16 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Erlassen in niederländischer und französischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 10. November 2016.

Der Kanzler,

(gez.) P.-Y. Dutilleux

Der Präsident,

(gez.) E. De Groot