Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 21 Februar 2013 (België). RG 14/2013

Datum :
21-02-2013
Taal :
Duits Frans Nederlands
Grootte :
3 pagina's
Sectie :
Rechtspraak
Bron :
Justel D-20130221-7
Rolnummer :
14/2013

Samenvatting :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: Artikel 14ter der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat verstößt nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Arrest :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten R. Henneuse und M. Bossuyt, und den Richtern A. Alen, J.-P. Snappe, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey und F. Daoût, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten R. Henneuse,

verkündet nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren

In seinem Entscheid Nr. 218.189 vom 23. Februar 2012 in Sachen Jean-Philippe Tondeur gegen die Wallonische Region - intervenierende Partei: die « SETI » AG -, dessen Ausfertigung am 6. März 2012 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Staatsrat folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:

« Verstösst Artikel 14ter der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, indem diese Bestimmung es dem Staatsrat ermöglicht, die Wirkungen der im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärten Verordnungsbestimmungen anzugeben, die als endgültig zu betrachten sind oder die für die von ihm festgelegte Frist vorläufig aufrechterhalten werden, ohne es ihm zu ermöglichen, die Wirkungen der im Rahmen einer Nichtigkeitsklage als rechtswidrig betrachteten Bestimmungen eines individuellen Aktes anzugeben, die als endgültig zu betrachten sind oder die für die von ihm festgelegte Frist vorläufig aufrechterhalten werden, und zwar im Rahmen der Rechtmässigkeitsprüfung eines individuellen Aktes? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1. Der Staatsrat fragt, ob Artikel 14ter der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung vereinbar sei, da er einen Behandlungsunterschied zwischen Personen, die mit der Nichtigerklärung einer Verordnungsbestimmung konfrontiert werden könnten, und Personen, die mit der Nichtigerklärung einer Einzelentscheidung konfrontiert werden könnten, einführe.

In der fraglichen Bestimmung sei nämlich vorgesehen, dass der Staatsrat im Falle der Nichtigerklärung einer Verordnungsbestimmung die Wirkungen der für nichtig erklärten Bestimmung aufrechterhalten könne, während eine solche Möglichkeit im Falle der Nichtigerklärung einer Einzelentscheidung nicht vorgesehen sei.

B.2.1. Artikel 14ter der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat bestimmt:

« Wenn die Verwaltungsstreitsachenabteilung es für nötig erachtet, gibt sie im Wege einer allgemeinen Verfügung die Wirkungen der für nichtig erklärten Verordnungsbestimmungen an, die als endgültig zu betrachten sind oder die für die von ihr festgelegte Frist vorläufig aufrechterhalten werden ».

B.2.2. Die fragliche Bestimmung wurde durch Artikel 10 des Gesetzes vom 4. August 1996 « zur Abänderung der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat » eingefügt.

Ein Abänderungsantrag, der die Einfügung einer solchen Bestimmung bezweckte, wurde wie folgt begründet:

« Diese neue Bestimmung soll dem Staatsrat die gleiche Befugnis verleihen, wie sie der Schiedshof [nunmehr Verfassungsgerichtshof] aufgrund von Artikel 8 Absatz 2 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 sowie der Europäische Gerichtshof besitzen. So kann die Rückwirkung eines Nichtigkeitsentscheids eventuell zeitlich begrenzt werden.

Der Grundsatz der Rückwirkung kann in der Praxis bedeutende Folgen haben, weil er sich auf bestehende Rechtssituationen auswirken kann.

Ausserdem zeigt die Erfahrung, dass Rechtsprechungsorgane, die mit einer solchen Befugnis ausgestattet sind, diese massvoll angewandt haben » (Parl. Dok., Senat, 1995-1996, Nr. 1-321/2, S. 7).

Ursprünglich war in diesem Abänderungsantrag nicht vorgesehen, dass die Aufrechterhaltung der Wirkungen sich nur auf für nichtig erklärte Verordnungsbestimmungen beziehen konnte. Nachdem während der Erörterungen im zuständigen Ausschuss der Minister bedauert hatte, dass im Vorschlag « nicht der Unterschied zwischen Einzelhandlungen und Verordnungen berücksichtigt wird », erklärte der Autor des Abänderungsantrags sich einverstanden, « diesen zu verbessern, indem er die Wortfolge ' der für nichtig erklärten Bestimmungen ' durch die Wortfolge ' der für nichtig erklärten Verordnungsbestimmungen ' ersetzte ». Daraufhin wurde der Abänderungsantrag durch die Ausschussmitglieder einstimmig angenommen (Parl. Dok., Senat, 1995-1996, Nr. 1-321/6, S. 7).

B.2.3. Während der weiteren Vorarbeiten in der Abgeordnetenkammer wurden zusammen mit dem Gesetzentwurf zur Abänderung der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat zwei Gesetzesvorschläge erörtert, die ebenfalls dazu dienten, die Aufrechterhaltung der Wirkungen durch den Staatsrat zu ermöglichen.

Ersterer betraf lediglich die « Verordnungen » (Parl. Dok., Kammer, 1995-1996, Nr. 281/1, S. 2). Letzterer betraf die Regelung der « Wirkungen der für nichtig erklärten Rechtshandlung » (Parl. Dok., Kammer, 1995-1996, Nr. 341/1, S. 2).

Im Bericht des zuständigen Ausschusses hiess es bezüglich dieser Gesetzesvorschläge:

« In einer ersten Reaktion stellt der Vizepremierminister und Minister des Innern fest, dass Artikel 10 des Gesetzentwurfs, der im Senat durch einen Abänderungsantrag eingefügt wurde, weitgehend den durch die Autoren der beiden Gesetzesvorschläge ausgedrückten Sorgen entgegenkommt. Der Text geht jedoch nicht so weit wie das, was [...] vorgeschlagen wurde, da der Staatsrat nur in Bezug auf für nichtig erklärte Verordnungsbestimmungen die Wirkungen wird angeben können, die als endgültig zu betrachten sind oder die für die von ihm festgelegte Frist vorläufig aufrechterhalten werden.

Obwohl dies möglicherweise auch eine gute Lösung sein kann, wenn es sich um für nichtig erklärte administrative Einzelentscheidungen handelt, betrachtet der Minister das Problem in diesem Fall als weniger akut.

Auch in diesen Fällen sind die Wirkungen eines Nichtigerklärungsentscheids zwar juristisch rückwirkend, doch in der Praxis sind sie es für die betroffene Person oft nicht. Man denke beispielsweise nur an einen Gemeindeeinnehmer, dessen Ernennung für nichtig erklärt wurde, ohne dass sich dies auf die Gehälter auswirkt, die er in der Vergangenheit erhalten hat.

Der Minister erachtet es daher als ratsam, den Staatsrat zunächst mit dieser neuen Möglichkeit für die für nichtig erklärten Verordnungsbestimmungen vertraut zu machen, und - nach einer Bewertung - das System in einer späteren Phase eventuell auf die für nichtig erklärten administrativen Einzelentscheidungen auszudehnen » (Parl. Dok., Kammer, 1995-1996, Nr. 644/4, SS. 3-4).

B.2.4. Der Gerichtshof begrenzt seine Prüfung auf den Fall, in dem auf kein Element der Streitsache das Recht der Europäischen Union anwendbar ist.

B.3. Die fragliche Bestimmung erlaubt es dem Staatsrat, die Wirkungen von für nichtig erklärten Verordnungsbestimmungen aufrechtzuerhalten, « wenn die Verwaltungsstreitsachenabteilung es für nötig erachtet ».

Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass der Staatsrat die durch das Gesetz vom 4. August 1996 erteilte Befugnis bisher selten angewandt hat und dass die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung der Wirkungen mit Weisheit und Umsicht genutzt werden muss, wenn feststeht, dass die einfache Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung sehr schwerwiegende Folgen hinsichtlich der Rechtssicherheit haben würde (Staatsrat, 21. November 2001, Nr. 100.963, Belgischer Staat; 30. Oktober 2006, Nr. 164.258, Somja et al.; 8. November 2006, Nr. 164.522, Union professionnelle belge des médecins spécialistes en médecine nucléaire et al.).

B.4. Der Staatsrat geht mit dieser Rechtsprechung auf die Zielsetzung des Gesetzgebers ein, der bemüht war, ein Gleichgewicht zwischen dem in Artikel 159 der Verfassung verankerten Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verordnungsakte und dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu finden. Wie der Gerichtshof in seinem Entscheid Nr. 18/2012 vom 9. Februar 2012 angeführt hat, hat der Gesetzgeber es nämlich einem Rechtsprechungsorgan überlassen, zu bestimmen, ob ausserordentliche Gründe es rechtfertigen, dass Wirkungen eines ungesetzlichen Verordnungsaktes aufrechterhalten werden.

B.5. Es obliegt dem Gesetzgeber, unter Einhaltung der Artikel 10 und 11 der Verfassung ein faires Gleichgewicht zu schaffen zwischen dem Interesse daran, dass jede rechtswidrige Situation beseitigt wird, und dem Bemühen, bestehende Zustände und geweckte Erwartungen nach einer gewissen Zeit nicht mehr in Frage zu stellen.

B.6. Zwar könnte die Notwendigkeit - in Ausnahmefällen - zu vermeiden, dass die Rückwirkung einer Nichtigerklärung « bestehende Rechtssituationen » gefährden würde (Parl. Dok., Senat, 1995-1996, Nr. 1-321/2, S. 7), sich sowohl in Bezug auf Einzelentscheidungen als auch in Bezug auf Verordnungsbestimmungen erweisen.

Dennoch konnte der Gesetzgeber bei der Schaffung des in B.5 erwähnten fairen Gleichgewichts den Umstand berücksichtigen, dass die Möglichkeit unverhältnismässiger Folgen einer Nichtigerklärung grösser ist, wenn sie eine Verordnungsbestimmung betrifft, die sich per definitionem auf eine unbestimmte Anzahl Personen als Rechtsadressaten richtet.

B.7. Ohne die Verfassungsmässigkeit einer anderen Option zu erörtern, wie derjenigen, die der Gesetzgeber während der in B.2.3 angeführten Vorarbeiten in Erwägung gezogen hat, stellt der Gerichtshof fest, dass es nicht einer vernünftigen Rechtfertigung entbehrt, die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Wirkungen auf Verordnungsbestimmungen zu begrenzen.

B.8. Die Vorabentscheidungsfrage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

Artikel 14ter der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat verstösst nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Verkündet in französischer und niederländischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 21. Februar 2013.

Der Kanzler,

(gez.) F. Meersschaut

Der Präsident,

(gez.) R. Henneuse