Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 14 Oktober 2010 (België). RG 112/2010
- Sectie :
- Rechtspraak
- Bron :
- Justel D-20101014-7
- Rolnummer :
- 112/2010
Samenvatting :
Der Hof erkennt für Recht: Insofern, als Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 1 erster Satz des Zivilgesetzbuches auf das Testament Anwendung findet, verstößt er nicht gegen Artikel 11 der Verfassung.
Arrest :
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Vorsitzenden M. Melchior und M. Bossuyt, und den Richtern R. Henneuse, L. Lavrysen, J.-P. Moerman, E. Derycke und P. Nihoul, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Melchior,
verkündet nach Beratung folgendes Urteil:
I. Gegenstand der präjudiziellen Frage und Verfahren
In seinem Urteil vom 18. September 2009 in Sachen A.B. gegen C.V.G. und M.V.B., dessen Ausfertigung am 17. Juni 2010 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat das Gericht erster Instanz Brüssel folgende präjudizielle Frage gestellt:
« Verstösst Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 1 des Zivilgesetzbuches gegen Artikel 11 der Verfassung, indem er jede unter vorläufige Verwaltung gestellte Person dazu verpflichtet, die Genehmigung des Friedensrichters zu beantragen, um gültige letztwillige Verfügungen veranlassen zu können? ».
Am 8. Juli 2010 haben die referierenden Richter R. Henneuse und E. Derycke in Anwendung von Artikel 72 Absatz 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof den Hof davon in Kenntnis gesetzt, dass sie dazu veranlasst werden könnten, vorzuschlagen, ein Urteil in unverzüglicher Beantwortung zu verkünden.
(...)
III. In rechtlicher Beziehung
(...)
B.1. Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 des Zivilgesetzbuches, eingefügt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 3. Mai 2003 « zur Abänderung der Rechtsvorschriften über den Schutz des Vermögens von Personen, die aufgrund ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung ganz oder teilweise unfähig sind, dieses Vermögen zu verwalten », bestimmt:
« Die geschützte Person kann nur nach einer von ihr zu beantragenden Genehmigung durch den Friedensrichter gültige Schenkungen unter Lebenden oder letztwillige Verfügungen veranlassen. Der Friedensrichter beurteilt, ob die geschützte Person fähig ist, ihren Willen zu äussern.
Der Friedensrichter kann die Genehmigung für eine Schenkung verweigern, wenn die geschützte Person und ihre Unterhaltsberechtigten durch die Schenkung bedürftig zu werden drohen.
Die Bestimmungen der Artikel 1026 bis 1034 des Gerichtsgesetzbuches sind anwendbar. Gemäss Artikel 1026 Nr. 5 desselben Gesetzbuches reicht die Unterschrift des Antragstellers.
Der Friedensrichter kann einen ärztlichen Gutachter bestellen, der sein Gutachten über den Gesundheitszustand der geschützten Person abgeben muss.
Der Friedensrichter holt alle zweckdienlichen Auskünfte ein und kann jegliche Person, von der er meint, dass sie ihm Auskunft geben kann, per Gerichtsbrief vorladen, um sie in der Ratskammer anzuhören. Bei Schenkungen zieht er in jedem Fall den vorläufigen Verwalter in das Verfahren heran.
Das Verfahren nach Artikel 488bis b) § 6 ist entsprechend anwendbar ».
B.2. Aus dem Sachverhalt der dem vorlegenden Richter unterbreiteten Sache, der Begründung seiner Entscheidung und dem Wortlaut der präjudiziellen Frage geht hervor, dass der Hof gebeten wird, sich zur Vereinbarkeit von Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 1 erster Satz des Zivilgesetzbuches mit Artikel 11 der Verfassung zu äussern, insofern er auf das Testament anwendbar sei.
B.3.1. Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt:
« Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.
Die vorstehenden Bestimmungen beeinträchtigen jedoch in keiner Weise das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält ».
B.3.2. Das Recht, über sein Eigentum zu verfügen, ist ein grundlegender Bestandteil des Eigentumsrechts (EuGHMR, 13. Juni 1979, Marckx gegen Belgien, § 63).
B.4. Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 1 erster Satz des Zivilgesetzbuches verbietet es einer Kategorie von Personen, ohne vorherige Genehmigung durch einen Richter durch Testament über ihr Eigentum zu verfügen.
Er stellt folglich eine Regelung der Benutzung des Eigentums im Sinne von Absatz 2 von Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention dar.
B.5. Es ist zu prüfen, ob die Beeinträchtigung des Eigentumsrechts in einem vernünftigen Verhältnis zu einem gemeinnützigen Ziel steht.
Die fragliche Bestimmung würde diese Bedingung nicht erfüllen, wenn sie das faire Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen des Gemeinwohls und den Zwängen der Wahrung der Grundrechte des Einzelnen stören würde, indem sie diesen Personen eine « besondere und übermässige Last » aufbürden würde (EuGHMR, 27. November 2007, Hamer gegen Belgien, § 77).
B.6.1. Die geschützte Person, auf die sich die fragliche Bestimmung bezieht, ist ein Volljähriger, bei dem davon ausgegangen wird, dass er « aufgrund seines Gesundheitszustands ganz oder teilweise ausserstande ist, [[00bc]] sein Vermögen zu verwalten » (Artikel 488bis Buchstabe a) des Zivilgesetzbuches), und dem zum Schutz dieses Vermögens ein vorläufiger Verwalter zugewiesen wird, dessen Aufgabe es ist, « das Vermögen der geschützten Person mit der Sorgfalt eines guten Familienvaters zu verwalten oder der geschützten Person bei dieser Verwaltung beizustehen » (Artikel 488bis Buchstabe f) § 1 erster Satz des Zivilgesetzbuches).
Ein Testament ist ein Rechtsgeschäft, durch das eine Person unentgeltlich über ihr Vermögen verfügt (Artikel 893 des Zivilgesetzbuches). Es handelt sich dabei um ein « Rechtsgeschäft, durch das der Testator für die Zeit, wo er nicht mehr sein wird, über sein gesamtes Vermögen oder einen Teil davon verfügt und das er widerrufen kann » (Artikel 895 des Zivilgesetzbuches).
Die fragliche Bestimmung, die bezweckt, eine sich in einer schwachen Position befindende Person zu schützen, dient einem gemeinnützigen Ziel.
B.6.2. Die fragliche Bestimmung verbietet es nicht den darin erwähnten Personen, durch Testament über ihr Eigentum zu verfügen, macht aber die Gültigkeit dieses Rechtsgeschäfts davon abhängig, dass vorher eine Genehmigung des Friedensrichters erteilt wurde.
Der Antrag auf Genehmigung wird bei der Kanzlei hinterlegt oder an sie gerichtet in der Form eines einseitigen Antrags, der nicht durch einen Rechtsanwalt unterschrieben werden muss (Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 3 des Zivilgesetzbuches in Verbindung mit Artikel 1027 des Gerichtsgesetzbuches). Das Genehmigungsverfahren ist nicht öffentlich (Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 3 erster Satz des Zivilgesetzbuches in Verbindung mit den Artikeln 1028 und 1029 Absatz 1 des Gerichtsgesetzbuches; Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 5 erster Satz des Zivilgesetzbuches), und der Genehmigungsbeschluss ist grundsätzlich einstweilen vollstreckbar (Artikel 1029 Absatz 2 des Gerichtsgesetzbuches).
Der Friedensrichter kann die Genehmigung zur Erstellung eines Testaments nur verweigern, wenn die geschützte Person nicht die erforderliche « Willensfähigkeit » besitzt, das heisst eine « Fähigkeit, einen rechtsgültigen Willen auszudrücken [[00bc]], die im Lichte der geistigen Fähigkeiten zu beurteilen ist » (Parl. Dok., Senat, 2002-2003, Nr. 2-1087/6, S. 11).
Er entscheidet auf der Grundlage einer neueren « ausführlichen ärztlichen Bescheinigung », die durch einen unabhängigen Arzt erstellt wird und von der geschützten Person vorgelegt werden muss, die eine Genehmigung zur Erstellung eines Testaments beantragt (Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 6 in Verbindung mit Artikel 488bis Buchstabe b) § 6 des Zivilgesetzbuches), und nachdem alle zweckdienlichen Auskünfte eingeholt wurden (Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 5 des Zivilgesetzbuches). Er kann ausserdem das Gutachten eines ärztlichen Gutachters über den Gesundheitszustand der geschützten Person einholen und jegliche Person, von der er meint, dass sie ihm Auskunft geben kann, anhören (Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absätze 4 und 5 des Zivilgesetzbuches).
B.6.3. Im Ubrigen ist hinsichtlich des Erfordernisses der vorherigen Genehmigung des Friedensrichters für letztwillige Verfügungen von unter vorläufige Verwaltung gestellten Personen nicht je nachdem zu unterscheiden, ob die geschützte Person ganz oder teilweise unfähig wäre, ihr Vermögen zu verwalten, da die vorherige Genehmigung des Friedensrichters eben bezweckt, zu prüfen und festzustellen, ob die geschützte Person fähig ist, durch Testament über ihr Vermögen zu verfügen.
B.7. Folglich steht die fragliche Massnahme in einem vernünftigen Verhältnis zur Zielsetzung und führt sie keinen ungerechtfertigten Behandlungsunterschied ein.
Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.
Aus diesen Gründen:
Der Hof
erkennt für Recht:
Insofern, als Artikel 488bis Buchstabe h) § 2 Absatz 1 erster Satz des Zivilgesetzbuches auf das Testament Anwendung findet, verstösst er nicht gegen Artikel 11 der Verfassung.
Verkündet in französischer und niederländischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 14. Oktober 2010.
Der Kanzler,
(gez.) P.-Y. Dutilleux
Der Vorsitzende,
(gez.) M. Melchior