Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 16 Februar 2012 (België). RG 22/2012
- Sectie :
- Rechtspraak
- Bron :
- Justel D-20120216-4
- Rolnummer :
- 22/2012
Samenvatting :
Der Gerichtshof weist die Klagen auf einstweilige Aufhebung zurück.
Arrest :
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Präsidenten M. Bossuyt und R. Henneuse, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul und F. Daoût, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten M. Bossuyt,
verkündet nach Beratung folgenden Entscheid:
I. Gegenstand der Klagen und Verfahren
a. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 27. Oktober 2011 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 28. Oktober 2011 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob Jean Marie de Meester, wohnhaft in 8020 Oostkamp, Stationsstraat 212, Klage auf einstweilige Aufhebung der Artikel 165 bis 169 des flämischen Dekrets vom 8. Juli 2011 « zur Organisation der Lokal- und Provinzialwahlen und zur Abänderung des Gemeindedekrets vom 15. Juli 2005, des Provinzialdekrets vom 9. Dezember 2005 und des Dekrets vom 19. Dezember 2008 über die Organisation der öffentlichen Sozialhilfezentren » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 25. August 2011).
Mit derselben Klageschrift beantragt die klagende Partei ebenfalls die Nichtigerklärung derselben Bestimmungen.
b. Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 24. November 2011 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 25. November 2011 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf einstweilige Aufhebung des vorerwähnten flämischen Dekrets vom 8. Juli 2011: die faktische Vereinigung « Groen! », mit Sitz in 1070 Brüssel, Sergeant De Bruynestraat 78-82, Kathleen Bevernage, wohnhaft in 8900 Ypern, Capucienenstraat 16, Remi Heylen, wohnhaft in 2260 Westerlo, Olenseweg 261, Stan Scholiers, wohnhaft in 2627 Schelle, Rubensstraat 54, Chris Habraken, wohnhaft in 3900 Overpelt, Heesakkerstraat 143, Jackie Timmers, wohnhaft in 3910 Neerpelt, Geerkensstraat 26, Jaak Billiet, wohnhaft in 8700 Tielt, Wingensesteenweg 108, Carlo De Winter, wohnhaft in 8560 Wevelgem, Guido Gezellestraat 21, Lut Dornez, wohnhaft in 8700 Tielt, Wingensesteenweg 108, und Frank Douchy, wohnhaft in 9620 Zottegem, Haagkouter 10.
Mit derselben Klageschrift beantragen die klagenden Parteien ebenfalls die Nichtigerklärung derselben Dekrets.
Diese unter den Nummern 5228 und 5256 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.
(...)
II. Rechtliche Würdigung
(...)
In Bezug auf die Zulässigkeit
B.1.1. Der Kläger in der Rechtssache Nr. 5228 beantragt die Nichtigerklärung und einstweilige Aufhebung der Artikel 165 bis 169 des Flämischen Dekrets vom 8. Juli 2011 « zur Organisation der Lokal- und Provinzialwahlen und zur Abänderung des Gemeindedekrets vom 15. Juli 2005, des Provinzialdekrets vom 9. Dezember 2005 und des Dekrets vom 19. Dezember 2008 über die Organisation der öffentlichen Sozialhilfezentren » (nachstehend: das Dekret vom 8. Juli 2011).
Er führt an, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstiessen, indem sie für die kommenden Gemeindewahlen in der Flämischen Region das « Imperiali-System » vorsähen statt des « d'hondtschen Systems », das für die Wahlen der Provinzialräte und der Stadtdistrikträte in der Flämischen Region verwendet werde.
Das « Imperiali-System » wird in Artikel 166 Absatz 1 des Dekrets vom 8. Juli 2011 beschrieben, der bestimmt:
« Der kommunale Hauptwahlvorstand teilt die Wahlziffer jeder Liste nacheinander durch 1, 11/2, 2, 21/2, 3, 31/2, 4, 41/2, und so weiter und ordnet die Quotienten nach der Reihenfolge ihrer Grösse, bis für alle Listen gemeinsam so viele Quotienten erreicht werden, wie Mitglieder zu wählen sind ».
Für die nächsten Provinzialwahlen bestimmt Artikel 181 § 2 Absatz 5 des Dekrets vom 8. Juli 2011:
« Der provinziale Hauptwahlvorstand teilt die in Absatz 2 erwähnten Wahlziffern nacheinander durch 1, 2, 3, und so weiter, wenn die Liste noch keinen einzigen Sitz endgültig erhalten hat, durch 2, 3, 4, und so weiter, wenn sie nur einen Sitz erhalten hat, durch 3, 4, 5, und so weiter, wenn sie bereits zwei Sitze erhalten hat, und so weiter, so dass bei der ersten Teilung jeweils durch eine Ziffer geteilt wird, die der Gesamtzahl der Sitze entspricht, die die Gruppe oder die Liste erhalten würde, wenn der erste der noch verfügbaren Sitze ihr zuerkannt würde ».
Das auf diese Weise formulierte « d'hondtsche System » gilt aufgrund von Artikel 175 Nr. 5 des Dekrets vom 8. Juli 2011 ebenfalls für die Wahl der Stadtdistrikträte.
B.1.2. Die klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 5256 beantragen die Nichtigerklärung und einstweilige Aufhebung des gesamten Dekrets vom 8. Juli 2011.
In einem ersten Klagegrund werden insbesondere die vorerwähnten Artikel 166, 175 Nr. 5 und 181 § 2 des Dekrets vom 8. Juli 2011 zitiert.
Der zweite Klagegrund in der Rechtssache Nr. 5256 ist im Einzelnen gegen Artikel 7 § 1 Absatz 2 des Dekrets vom 8. Juli 2011 gerichtet, in dem auf die Liste der Provinzialwahldistrikte in der Anlage zu diesem Dekret verwiesen wird, sowie gegen Artikel 181 § 2 Absätze 1 bis 3 dieses Dekrets, die bestimmen:
« Der provinziale Hauptwahlvorstand legt die Wahlziffer jeder Listengruppe durch eine Aufzählung der Wahlziffern der dazu gehörenden Listen fest. Die anderen Listen behalten ihre Wahlziffern.
Der provinziale Hauptwahlvorstand bestimmt je provinzialen Wählbezirk durch Addieren der Einheiten der in Ausführung von Paragraph 1 ermittelten Quotienten die Anzahl der von den verschiedenen Listengruppen und von den allein stehenden Listen im gesamten provinzialen Wählbezirk bereits erzielten Sitze und die Anzahl der zusätzlich zu verteilenden Sitze.
Zu dieser zusätzlichen Verteilung lässt der provinziale Hauptwahlvorstand alle Listengruppen zu, die folgende Bedingungen erfüllen:
- in mindestens einem Provinzdistrikt des provinzialen Wählbezirks, dem der Provinzdistrikt angehört, eine Anzahl Stimmen von mindestens 66 Prozent des gemäss Paragraph 1 Absatz 1 festgelegten Wahldivisors erhalten haben ». ».
B.2.1. Die Flämische Regierung führt in einer ersten Einrede an, dass die Klagen teilweise unzulässig seien wegen zu späten Einreichens, da der Dekretgeber in Bezug auf eine Reihe der durch die angefochtenen Bestimmungen geregelten Angelegenheiten keineswegs eine neue Entscheidung getroffen habe.
B.2.2. Da die Klage auf einstweilige Aufhebung der Nichtigkeitsklage untergeordnet ist, ist die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage bereits in die Prüfung der Klage auf einstweilige Aufhebung einzubeziehen.
B.2.3.1. Aus den Vorarbeiten geht hervor, dass der Dekretgeber verschiedene Ziele verfolgte.
Unter anderem musste dem Entscheid des Gerichtshofes Nr. 149/2007 vom 5. Dezember 2007 Folge geleistet werden, durch den die Einteilung der Wahldistrikte für die Provinzialwahlen, so wie sie in Artikel 2 und der Anlage des Dekrets der Flämischen Region vom 2. Juni 2006 zur Abänderung des Provinzialdekrets vom 9. Dezember 2005 geregelt worden war, für nichtig erklärt wurde (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 1084/1, SS. 4 und 9, Nr. 1084/8, SS. 5-6 und 21-22, und Ann., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 43, 29. Juni 2011, SS. 109 und 132).
Der Dekretgeber wollte in Bezug auf die Lokal- und Provinzialwahlen, für die er infolge der Ersetzung von Artikel 6 § 1 VIII des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen durch Artikel 4 des Sondergesetzes vom 13. Juli 2001 zur Ubertragung verschiedener Befugnisse an die Regionen und Gemeinschaften zuständig geworden ist, auch « eine integrierte Regelung für die Lokalwahlen und ein einziges umfassendes Wahldekret, in dem die Regelung übersichtlich und kohärent gebündelt ist » erreichen (ebenda, Nr. 1084/1, S. 4, und Nr. 1084/8, SS. 5 und 21, und Ann., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 43, 29. Juni 2011, SS. 108, 110, 122 und 123).
Ausserdem wurde bezweckt, eine Reihe von Vereinbarungen über Anpassungen der Wahlrechtsvorschriften im Regierungsabkommen umzusetzen (ebenda, Nr. 1084/1, S. 4, und Nr. 1084/8, SS. 6 und 8, und Ann., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 43, 29. Juni 2011, SS. 109, 111, 113, 114 und 132).
B.2.3.2. Das angefochtene Dekret beschränkt sich daher nicht auf eine blosse Bestätigung oder formelle Ubernahme von bereits zuvor bestehenden Bestimmungen, sondern drückt den Willen des Dekretgebers aus, in dieser Angelegenheit erneut gesetzgeberisch aufzutreten.
Im Ubrigen wird, insbesondere hinsichtlich des « Imperiali-Systems » (Artikel 166 Absatz 1) und des Quorums (Artikel 181 § 2 Absatz 3), mit den Klagen gerade die Beibehaltung der analogen Bestimmungen aus der föderalen Regelung trotz der Vorschläge zu deren Abänderung angefochten.
Es kann folglich nicht davon ausgegangen werden, dass die Klagen auf Nichtigerklärung - und auf einstweilige Aufhebung - in Wirklichkeit gegen Bestimmungen gerichtet seien, die mehr als sechs beziehungsweise drei Monate zuvor im Belgischen Staatsblatt veröffentlicht wurden.
B.2.3.3. Die Einrede der Unzulässigkeit ratione temporis wird abgewiesen.
B.3.1. Die Flämische Regierung führt in einer zweiten Einrede an, dass die Klagen teilweise unzulässig seien in Ermangelung von Beschwerdegründen.
B.3.2. Der Gerichtshof, der den Umfang der Klagen auf Nichtigerklärung und auf einstweilige Aufhebung anhand des Inhalts der Klageschriften bestimmen muss, stellt fest, dass die Beschwerdegründe nur gegen Artikel 166 Absatz 1 des Dekrets vom 8. Juli 2011 gerichtet sind, in dem das « Imperiali-System » für die Zuteilung der zu vergebenden Sitze bei den Gemeindewahlen angewandt wird, und gegen die Artikel 7 § 1 Absatz 2 und 181 § 2 Absatz 3 des Dekrets vom 8. Juli 2011, insofern diese sich auf die Einteilung in Distrikte für die Provinzialwahlen und das Quorum für die Verbindung zwischen den Listen für diese Distrikte beziehen.
Der Gerichtshof beschränkt seine Prüfung der Klagen auf einstweilige Aufhebung daher auf diese Bestimmungen.
B.4.1. Die Flämische Regierung führt in einer letzten Einrede an, dass die Klagen auf Nichtigerklärung, und daher auch auf einstweilige Aufhebung, in Ermangelung eines Interesses unzulässig seien.
B.4.2.1. Zur Untermauerung seines Interesses beruft sich der Kläger in der Rechtssache Nr. 5228 auf seine Eigenschaft als Kandidat für die Gemeindewahlen 2006 und als Mitglied des Sozialhilferates der Gemeinde Oostkamp. Er erklärt, dass er individuell oder auf einer noch zu schaffenden Liste für die bevorstehenden Gemeindewahlen kandidieren möchte. Er führt an, die angefochtenen Bestimmungen würden sich auf ihn auswirken, da das « Imperiali-System » die kleinen Parteien oder Einzelkandidaten bei diesen Wahlen benachteilige.
B.4.2.2. Die erste klagende Partei in der Rechtssache Nr. 5256 nimmt als die Partei « Groen! » an den Wahlen teil.
Die an zweiter bis zehnter Stelle genannten klagenden Parteien in dieser Rechtssache berufen sich auf ihre Eigenschaft als Wähler und Kandidat bei den Gemeinde- und Provinzialwahlen. Sie führen an, sei seien bereits Kandidat für die Partei « Groen! » bei den Gemeinde- oder Provinzialwahlen gewesen, seien jedoch wegen der Anwendung des « Imperiali-Systems » nicht gewählt worden. Die neunte und die zehnte klagende Partei fügen hinzu, die Wahlschwelle für die Listenverbindung auf provinzialer Ebene beeinträchtige ihre Aussichten.
B.4.3. Die Verfassung und das Sondergesetz vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof erfordern, dass jede natürliche oder juristische Person, die eine Nichtigkeitsklage erhebt, ein Interesse nachweist. Das erforderliche Interesse liegt nur bei jenen Personen vor, deren Situation durch die angefochtene Rechtsnorm unmittelbar und ungünstig beeinflusst werden könnte.
B.4.4. Das Wahlrecht ist das politische Grundrecht in der repräsentativen Demokratie. Jeder Wähler oder jeder Kandidat weist das erforderliche Interesse auf, die Nichtigerklärung von Bestimmungen zu beantragen, die sich nachteilig auf seine Stimme oder seine Kandidatur auswirken können.
B.4.5. Der Umstand, dass Artikel 166 Absatz 1 des Dekrets vom 8. Juli 2011 die Regelung von Artikel 56 des durch den königlichen Erlass vom 4. August 1932 koordinierten Gemeindewahlgesetzes bestätigt, entzieht den Klägern nicht ihr Interesse, da gerade die Beibehaltung dieser Regelung Gegenstand ihrer Kritik ist.
Das Gleiche gilt in Bezug auf das in der Rechtssache Nr. 5256 darüber hinaus beanstandete Quorum von Artikel 181 § 2 Absatz 3, der grösstenteils die Regelung von Artikel 20 § 2 Absatz 3 des Grundlagengesetzes vom 19. Oktober 1921 über die Provinzialwahlen, ersetzt durch Artikel 267 des ordentlichen Gesetzes vom 16. Juli 1993 zur Vollendung der föderalen Staatsstruktur, bestätigt.
Es ist im Ubrigen nicht erforderlich, dass eine etwaige Nichtigerklärung den klagenden Parteien einen unmittelbaren Vorteil bietet. Der Umstand, dass sie infolge der Nichtigerklärung der angefochtenen Bestimmungen erneut eine Möglichkeit erhalten würden, dass ihre Lage vorteilhafter geregelt würde, reicht aus, um ihr Interesse an der Anfechtung dieser Bestimmungen zu rechtfertigen.
Schliesslich kann der blosse Umstand, dass die klagenden Parteien in der Vergangenheit nicht oder nur teilweise gegen analoge Bestimmungen wie diejenigen des nunmehr angefochtenen Dekrets vorgegangen sind, ihnen nicht ihr Interesse an der vorliegenden Klage entziehen.
B.4.6. Aus der begrenzten Untersuchung der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklagen, die der Gerichtshof im Rahmen der Klagen auf einstweilige Aufhebung vornehmen konnte, geht im derzeitigen Stand des Verfahrens nicht hervor, dass die klagenden Parteien nicht das erforderliche Interesse aufweisen würden.
In Bezug auf die Klage auf einstweilige Aufhebung
B.5. Laut Artikel 20 Nr. 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof sind zwei Grundbedingungen zu erfüllen, damit auf einstweilige Aufhebung erkannt werden kann:
- Die vorgebrachten Klagegründe müssen ernsthaft sein.
- Die unmittelbare Durchführung der angefochtenen Massnahme muss die Gefahr eines schwer wiedergutzumachenden ernsthaften Nachteils in sich bergen.
Da die beiden Bedingungen kumulativ sind, führt die Feststellung der Nichterfüllung einer dieser Bedingungen zur Zurückweisung der Klage auf einstweilige Aufhebung.
B.6. Der ernsthafte Klagegrund ist nicht mit dem begründeten Klagegrund zu verwechseln.
Damit ein Klagegrund als ernsthaft im Sinne von Artikel 20 Nr. 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof betrachtet werden kann, genügt es nicht, wenn er offensichtlich nicht unbegründet im Sinne von Artikel 72 ist; vielmehr muss er auch nach einer ersten Prüfung der Daten, über die der Gerichtshof in diesem Stand des Verfahrens verfügt, begründet erscheinen.
Klagegründe in Bezug auf das « Imperiali-System » (erster, zweiter und dritter Klagegrund in der Rechtssache Nr. 5228 und erster Klagegrund in der Rechtssache Nr. 5256)
B.7.1. Der Kläger in der Rechtssache Nr. 5228 führt in einem ersten Klagegrund an, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstiessen, indem das « Imperiali-System » für die Gemeindewahlen die grossen Parteien bevorteile.
Seiner Auffassung nach werde gegen den Grundsatz der verhältnismässigen Vertretung verstossen. Der Unterschied in der Berechnungsmethode für die Verteilung der Gemeinderatssitze und diejenige der anderen Ebenen der öffentlichen Gewalt diene keinem rechtmässigen Ziel und beruhe nicht auf objektiven Kriterien. Ausserdem werde ein erheblicher Teil der Wähler durch das angewandte System nicht im Gemeinderat vertreten.
B.7.2. Nach Auffassung der klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 5256 bestehe kein objektives Kriterium und ebenfalls keinerlei vernünftige Rechtfertigung für die Verwendung des « Imperiali-Systems » für die Gemeindewahlen einerseits und des « d'hondtschen Systems » für die Provinzial- und Distriktratswahlen andererseits.
B.8.1. Im Gegensatz zu den für die Wahlen der Abgeordnetenkammer und des Senats geltenden Bestimmungen (Artikel 62 Absatz 2 und 68 § 1 der Verfassung) ist für die Wahlen der Provinzial- und Gemeinderäte nicht in der Verfassung festgelegt, dass für sie das System der verhältnismässigen Vertretung gilt.
Die Entscheidung für dieses System, wonach die Mandate auf die Kandidatenlisten und Kandidaten im Verhältnis zu ihrer erhaltenen Stimmenzahl verteilt werden, ergibt sich aus den Artikeln 19 und 20 des Provinzialwahlgesetzes vom 19. Oktober 1921 sowie aus den Artikeln 56 ff. des durch königlichen Erlass vom 4. August 1932 koordinierten Gemeindewahlgesetzes, von dem auch das Dekret vom 8. Juli 2011 inspiriert ist.
Der Grundsatz der Anwendung des Systems der verhältnismässigen Vertretung bei den Provinzial- und Gemeindewahlen wurde im Ubrigen bestätigt durch Artikel 6 § 1 VIII Nr. 4 Buchstabe c) des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, wonach eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, wenn die Regionen die diesbezügliche Regelung in einem weniger proportionalen Sinn ändern möchten.
B.8.2. Durch die Regelung der Wahlvorgänge auf der Grundlage des Grundsatzes der verhältnismässigen Vertretung wollte der Dekretgeber nicht die historische Option in Frage stellen, wonach die verfügbaren Plätze durch die Stimmen, die die Parteien und Listen erzielt haben, anhand des « Imperiali-Systems » für die Gemeindewahlen beziehungsweise des « d'hondtschen Systems » für die Provinzialwahlen und in jüngerer Zeit für die Wahl der Stadtdistrikträte verteilt werden.
In beiden Systemen wird eine Reihe von Divisoren verwendet, durch die für jede Partei oder Liste die Wahlziffer (das heisst die Gesamtzahl der gültigen Stimmen für die Partei oder Liste) jeweils durch einen ansteigenden Nenner geteilt wird. Im « d'hondtschen System » wird eine Reihe von Divisoren mit den aufeinander folgenden Nennern 1, 2, 3, 4, und so weiter angewandt. Im « Imperiali-System » wird eine Reihe von Divisoren mit den aufeinander folgenden Nennern 1, 11/2, 2, 21/2, 3, 31/2, 4, 41/2, und so weiter angewandt. In beiden Systemen wird der erste Sitz der Partei oder Liste zugeteilt, die den höchsten Quotienten erzielt hat, und die folgenden Sitze - so viele, wie zu verteilen sind - kommen anschliessend der Partei oder Liste mit dem darauf folgenden Quotienten in abnehmender Reihenfolge zu.
B.8.3. Selbst wenn die Wahlen nach einem System der absolut verhältnismässigen Vertretung stattfinden würden, ist das Phänomen der « verlorenen Stimmen » nicht zu vermeiden. Daraus ist zu schlussfolgern, dass nicht jede Stimme bei der Sitzzuteilung das gleiche Gewicht hat und dass nicht jeder Kandidat die gleiche Chance hat, gewählt zu werden.
Darüber hinaus verbietet keinerlei Bestimmung des internationalen Rechts oder des innerstaatlichen Rechts es einem Gesetzgeber, der sich für ein System der verhältnismässigen Vertretung entschieden hat, vernünftige Einschränkungen vorzusehen, um das ordnungsgemässe Funktionieren der demokratischen Einrichtungen zu gewährleisten.
B.8.4. In Bezug auf die Wahl der Regeln zur Festlegung des Gewichtes der abgegebenen Stimmen auf den Ausgang der Wahlen verfügt der Gerichtshof nicht über den Ermessensspielraum des Dekretgebers.
Der Gerichtshof muss seine Prüfung der Vereinbarkeit der angefochtenen Bestimmung mit dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung somit darauf beschränken zu prüfen, ob der Dekretgeber eine Massnahme ergriffen hat, die vernünftig zu rechtfertigen ist.
B.8.5. Auch wenn - wie die Kläger anführen, wobei die Flämische Regierung dem nicht widerspricht - angenommen werden kann, dass das « Imperiali-System » den « grösseren Parteien » einen relativen Vorteil bietet, ist zunächst anzumerken, dass sich anlässlich der eigentlichen Wahl herausstellt, welche Parteien oder Listen die « grösseren » sind, und dass die Verhältnisse sich bei jeder neuen Wahl verändern können.
Ausserdem werden die proportionalen Verhältnisse zwischen den Listen nicht nur durch die mathematische Formel des « Imperiali-Systems » beziehungsweise des « d'hondtschen Systems » bestimmt, sondern auch durch eine Reihe von anderen Faktoren, wie die Zahl der innerhalb der einzelnen Wahlkreise zu vergebenden Mandate, die Zahl der teilnehmenden Listen und das jeweilige Verhältnis zwischen den Wahlziffern der einzelnen Listen.
B.8.6. Das Bestreben, ein System der verhältnismässigen Vertretung einzuführen oder beizubehalten, verhindert nicht, dass auch den Vorteilen einer ausreichend stabilen und deutlichen Politik während der Sitzungsperiode Rechnung getragen wird.
Im Rahmen seiner weiten politischen Ermessensbefugnis hinsichtlich der Weise, auf die eine verhältnismässige Vertretung organisiert wird, kann der Dekretgeber Massnahmen ergreifen, um eine Zersplitterung der politischen Landschaft zu vermeiden, indem er innerhalb der Vertretungsorgane die Bildung von ausreichend kohärenten politischen Gruppen begünstigt.
Im Ubrigen beinhaltet das « Imperiali-System » eine Form einer natürlichen Wahlschwelle, die auf die jeweiligen Verhältnisse innerhalb der einzelnen Wahlkreise abgestimmt ist, und die diesbezüglich also flexibler ist als die absolute Wahlschwelle von fünf Prozent, die für die Föderal- und Regionalwahlen gilt, und gemäss dem Sonderdekret vom 8. Juli 2011 auch für die Provinzialwahlen in der Flämischen Region.
B.8.7. Ferner konnte der Dekretgeber vernünftigerweise annehmen, dass die verhältnismässige Vertretung wie zuvor gemäss dem « Imperiali-System » für die Gemeindewahlen erfolgt, während auf den anderen politischen Ebenen das « d'hondtsche System » angewandt wird.
Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es nicht, dass die Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die beteiligten Parteien oder Listen auf den verschiedenen politischen Ebenen nach den gleichen Modalitäten erfolgen müsste.
Der Dekretgeber konnte vernünftigerweise davon ausgehen, dass insbesondere für die Gemeindewahlen, bei denen die Kandidaten sich näher an der Bevölkerung befinden und die Bereitschaft zum Kandidieren im Allgemeinen grösser ist, die Gefahr einer Zersplitterung und folglich einer weniger stabilen Politik grösser ist.
Obwohl ein gleiches System für die Wahlen der Stadtdistrikträte, die intrakommunale territoriale Organe sind, hätte angewandt werden können, hat der Dekretgeber die bereits geltende Anwendung des « d'hondtschen Systems » beibehalten. Doch im Rahmen seiner politischen Ermessensbefugnis ist es nicht offensichtlich unvernünftig, dass der Dekretgeber davon ausgegangen ist, dass mit der Einführung von Distrikten in städtischen Gebieten mit Gemeinden von mehr als 100 000 Einwohnern bezweckt wird, eine bessere Einbeziehung der Wähler in die intrakommunalen Politik zu ermöglichen, und nicht, dem Risiko einer Zersplitterung entgegenzuwirken (Parl. Dok., Senat, 1997-1998, Nr. 1-907/1, S. 9; ebenda, Nr. 1-907/7, S. 2).
B.8.8. Der erste Klagegrund in der Rechtssache Nr. 5228 und der erste Klagegrund in der Rechtssache Nr. 5256 sind nicht ernsthaft.
B.9. Der Kläger in der Rechtssache Nr. 5228 führt in einem zweiten Klagegrund auch einen Verstoss gegen Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention und gegen Artikel 3 des ersten Zusatzprotokolls zu dieser Konvention an.
B.10. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verstoss gegen diese Vertragsbestimmungen in Verbindung mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung angeführt wird, kann der Klagegrund nicht als ernsthaft angesehen werden.
Artikel 3 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention findet in diesem Fall nämlich nicht Anwendung, da die Gemeindewahlen sich nicht auf die « Wahl der gesetzgebenden Körperschaft » im Sinne dieser Bestimmung beziehen. Auch Artikel 14 dieser Konvention ist nicht anwendbar, da er nur im Zusammenhang mit einem der durch diese Konvention gewährleisteten Rechte und Freiheiten angeführt werden kann.
B.11.1. Der Kläger in der Rechtssache Nr. 5228 führt in einem dritten Klagegrund ferner einen Verstoss gegen Artikel 25 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte an, insofern die Sitzverteilung aufgrund der angefochtenen Bestimmungen keine gleichen Wahlen für alle Wähler vorsehe.
B.11.2. Artikel 25 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte bestimmt:
« Jeder Staatsbürger hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen
a) an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen;
b) bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äusserung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden;
c) unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen Ämtern seines Landes Zugang zu haben ».
B.12. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verstoss gegen diese Vertragsbestimmung in Verbindung mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung angeführt wird, kann der Klagegrund nicht als ernsthaft angesehen werden.
Die Beschwerde des Klägers, dass gegen die Garantie « gleicher Wahlen » im Sinne von Artikel 25 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verstossen werde, deckt sich mit der Beschwerde über die ungleiche Behandlung von Wählern und Kandidaten, die er bereits im Rahmen des ersten Klagegrunds dargelegt hat.
Klagegrund in Bezug auf die Einteilung in Wahldistrikte für die Provinzialwahlen und das Quorum für die Verbindung zwischen den Listen für diese Distrikte (zweiter Klagegrund in der Rechtssache Nr. 5256)
B.13.1. Die klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 5256 führen in einem zweiten Klagegrund einen Verstoss gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung durch Artikel 7 § 1 Absatz 2 und Artikel 181 § 2 Absätze 1 bis 3 des Dekrets vom 8. Juli 2011 an, indem die dem Dekret als Anlage hinzugefügte Einteilung in Wahlkreise für die Provinzialwahlen, auf die in Artikel 7 § 1 Absatz 2 des Dekrets vom 8. Juli 2011 verwiesen werde, zu grossen Unterschieden in der natürlichen Wahlschwelle führe, die Behandlungsunterschiede zwischen Wählern, Kandidaten und politischen Parteien je nach Provinz, Verwaltungsbezirk und Wahldistrikt zur Folge hätten, und indem aufgrund von Artikel 181 § 2 Absatz 3 nur die Listenverbindungen zu der zusätzlichen Verteilung zugelassen würden, die in mindestens einen Wahlkreis der Provinz eine Wahlziffer von 66 Prozent oder mehr des Wahldivisors - dies ist das so genannte Quorum - erhalten hätten. In Verbindung mit der Festlegung der provinzialen Wahlbezirke und Wahldistrikte führe dies zu einer nicht proportionalen und ungleichen Verteilung der zusätzlichen Sitze zum Nachteil der kleineren Parteien und ihrer Kandidaten.
In einem ersten Teil dieses Klagegrunds wird ein Vergleich mit dem Quorum für die Wahlen zum Flämischen Parlament und zur Abgeordnetenkammer gezogen.
In einem zweiten Teil wird ein Vergleich innerhalb der Flämischen Region und innerhalb einer gleichen Provinz gezogen, wo die natürliche Wahlschwelle zwischen 3,14 Prozent und 11 Prozent schwanke.
B.13.2. Im Gegensatz zu dem, was die Flämische Regierung anführt, ist dieser Klagegrund ausreichend deutlich, insofern er gegen Artikel 7 § 1 Absatz 2 und gegen Artikel 181 § 2 Absatz 3 des Dekrets vom 8. Juli 2011 gerichtet ist.
Andererseits, wie in B.2.2 bereits geurteilt wurde, ist der Klagegrund unzulässig, insofern er gegen die übrigen Bestimmungen von Artikel 181 des angefochtenen Dekrets gerichtet ist, da es an Beschwerdegründen dagegen fehlt.
B.14.1. Grundsätzlich obliegt es dem Dekretgeber zu beurteilen, ob es wünschenswert ist, die Provinzialwahlen auf der Grundlage eines oder mehrerer Wahlkreise zu organisieren.
Wenn er sich für ein Wahlsystem auf der Grundlage mehrerer Wahlkreise entscheidet, muss er jedoch berücksichtigen, dass die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises die natürliche Mindestschwelle bestimmt, die für den Erhalt eines Sitzes erreicht werden muss.
Die natürliche Schwelle ist untrennbar mit der Zahl der in einem Wahlkreis zu vergebenden Sitze und mit der Bevölkerungszahl des Wahlkreises verbunden. Die Höhe der natürlichen Schwelle steht im umgekehrten Verhältnis zur Zahl der zu vergebenden Sitze und zur Bevölkerungszahl des Wahlkreises.
B.14.2. Aus den Vorarbeiten zum Dekret vom 8. Juli 2011 geht hervor, dass der Dekretgeber dem Entscheid Nr. 149/2007 vom 5. Dezember 2007 Folge leisten wollte, mit dem der Gerichtshof die Anlage zum Dekret vom 2. Juni 2006 zur Abänderung des Provinzialdekrets vom 9. Dezember 2005 für nichtig erklärt hat (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 1084/1, SS. 4 und 9, Nr. 1084/8, SS. 5-6, und Ann., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 43, 29. Juni 2011, SS. 109 und 132).
Im besagten Entscheid erkannte der Gerichtshof:
« B.24.7. Auch wenn es annehmbar ist, dass ein Wahldistrikt, in dem vier Mandate zu verteilen sind, mit dem bei den Provinzialwahlen angewandten System der ' verhältnismässigen Vertretung ' vereinbar ist, gilt dies nicht für Distrikte, in denen nur zwei oder drei Mandate zu verteilen sind und in denen die natürliche Mindestschwelle aus diesen Gründen unvernünftig hoch ist ».
Gemäss den Vorarbeiten zum Dekret vom 8. Juli 2011 soll die neue Regelung gewährleisten, dass in der neuen Einteilung in Wahldistrikte mindestens sechs Sitze je Distrikt zu verteilen sind (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 1084/1, SS. 4, 9 und 10; ebenda, Nr. 1084/8, SS. 6, 8, 11, 14, 17, 22, 26 und 51; Ann., Flämisches Parlament, 2010-2011, Nr. 43, 29. Juni 2011, SS. 113 und 131).
B.14.3. Indem der Dekretgeber auf diese Weise dem vorerwähnten Entscheid Nr. 149/2007 Folge geleistet hat, hat er gewährleistet, dass die Unterschiede, die sich zwischen den Kandidaten der verschiedenen Provinzdistrikte aus der natürlichen Wahlschwelle ergeben, innerhalb vernünftiger Grenzen bleiben und mit dem auf die Provinzialräte anwendbaren System der verhältnismässigen Vertretung vereinbar sind.
B.14.4. Insofern der Klagegrund gegen Artikel 7 § 1 Absatz 2 des Dekrets vom 8. Juli 2011 und die Anlage, auf die in diesem Absatz verwiesen wird, gerichtet ist, ist er nicht ernsthaft.
B.15.1. Der Klagegrund ist im Ubrigen gegen die Bestimmung von Artikel 181 § 2 Absatz 3 gerichtet, die zur Folge hat, dass nur die Listenverbindungen zu der zusätzlichen Sitzverteilung zugelassen werden, die in mindestens einem provinzialen Wahldistrikt des betreffenden provinzialen Wahlbezirks das Quorum von 66 Prozent des Wahldivisors erreicht haben.
B.15.2. Artikel 101 des Dekrets vom 8. Juli 2011 bietet den Kandidaten einer Liste die Möglichkeit - mittels der Zustimmung der Wähler oder der scheidenden Provinzialratsmitglieder, die sie vorgeschlagen haben -, zu erklären, dass sie sich verbinden mit:
« 1. [...];
2. den namentlich anzugebenden Kandidaten von Listen mit derselben Bezeichnung, die in anderen Provinzdistrikten desselben provinzialen Wahlbezirks für die zusätzliche Sitzverteilung im Sinne von Artikel 181 §§ 2 bis 4 vorgeschlagen werden ».
Wird von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, so erfolgt die Verteilung der Sitze gemäss den Artikeln 179 und 180 des Dekrets vom 8. Juli 2011.
Artikel 181 des Dekrets vom 8. Juli 2011, zu dem die angefochtene Bestimmung gehört, regelt die Sitzverteilung, wenn die Möglichkeit zur so genannten Listenverbindung in Anspruch genommen wurde.
Diese Regelung beruht auf derjenigen von Artikel 20 des Grundlagengesetzes vom 19. Oktober 1921 über die Provinzialwahlen, ersetzt durch Artikel 267 des ordentlichen Gesetzes vom 16. Juli 1993 zur Vollendung der föderalen Staatsstruktur.
Bei der ersten Verteilung wird der Wahldivisor bestimmt, indem die Gesamtsumme der gültigen Stimmen durch die Anzahl der im Provinzdistrikt zu vergebenden Sitze geteilt wird. Sodann wird für jeden Provinzdistrikt die Wahlziffer einer jeden Liste durch den Wahldivisor geteilt. Der auf eine ganze Zahl festgesetzte Quotient bestimmt die Anzahl Sitze, die bereits zuerkannt werden können. Für jede Liste wird die Anzahl der noch nicht verwendeten Stimmen eingetragen (Artikel 181 § 1 des Dekrets vom 8. Juli 2011).
Für die Verteilung der zusätzlichen Sitze wird die Wahlziffer jeder Listengruppe durch Addition der Wahlziffern der zu dieser Gruppe gehörenden Listen ermittelt. Die anderen Listen behalten ihre Wahlziffern. Für jeden provinzialen Wahlbezirk wird durch Addieren der Einheiten des vorher ermittelten Quotienten festgelegt, wie viele Sitze die verschiedenen Listengruppen und die allein stehenden Listen für den gesamten provinzialen Wahlbezirk bereits erhalten haben und wie viele Sitze zusätzlich zu verteilen sind (Artikel 181 § 2 des Dekrets vom 8. Juli 2011).
Schliesslich wird anhand der Wahlziffern im Sinne des vorigen Absatzes festgelegt, in welcher Reihenfolge die aufeinander folgenden Sitze den Listen zustehen und in welchem Provinzdistrikt der zusätzliche Sitz beziehungsweise die zusätzlichen Sitze verbundenen Listen zugeteilt werden können (Artikel 181 § 2 in fine und § 3 des Dekrets vom 8. Juli 2011).
B.15.3. Im Rahmen des ersten Klagegrunds wurde bereits angemerkt (B.8.3), dass das Phänomen der « verlorenen Stimmen » selbst in einem System der vollständig verhältnismässigen Vertretung nicht zu vermeiden ist und dass der Gesetzgeber, der sich für ein System der verhältnismässigen Vertretung entschieden hat, in diesem Zusammenhang vernünftige Grenzen vorsehen kann, um das ordnungsgemässe Funktionieren der demokratischen Einrichtungen zu gewährleisten.
Wie ebenfalls im Rahmen des ersten Klagegrunds angemerkt wurde (B.8.4), verfügt der Gerichtshof nicht über die Ermessensbefugnis des Dekretgebers in Bezug auf die Wahl der Regeln zur Bestimmung des Gewichtes der abgegebenen Stimmen für das Wahlergebnis.
B.15.4. Das Dekret vom 8. Juli 2011 stellt eine Koordinierung der Regeln für die Wahlen auf den Ebenen dar, für die die Flämische Region zuständig geworden ist. Trotzdem wurden insbesondere für die Provinzialwahlen eine Reihe von Anpassungen vorgenommen. So wird einerseits die Anzahl der Provinzialratsmitglieder verringert und wird andererseits gewährleistet, dass je Provinzdistrikt mindestens sechs Sitze zu verteilen sind.
In Bezug auf die Verbindung von Listen auf Ebene der Provinzen hat der Dekretgeber grossenteils die bestehende Regelung übernommen.
Dabei hat er einerseits für Kandidaten von verschiedenen Listen die Möglichkeit aufrechterhalten, ihre Chancen zu erhöhen durch Nutzung der Möglichkeit, Listen, die unter der gleichen Bezeichnung in verschiedenen Provinzdistrikten antreten, zu verbinden. Durch die so genannte Listenverbindung können nämlich die Reststimmen der einzelnen Provinzdistrikte zusammengezählt und genutzt werden.
Andererseits hat er dieser Möglichkeit gewisse Grenzen gesetzt - wie es auch vorher der Fall war -, indem in der angefochtenen Bestimmung vorgeschrieben wird, dass nur die allein stehenden oder verbundenen Listen, die tatsächlich 66 Prozent des Wahldivisors erzielt haben, bei der Zuteilung der zusätzlichen Sitze berücksichtigt werden. Während dieses Quorum vorher in einem der Distrikte innerhalb der betreffenden Provinz erreicht werden musste, muss es nunmehr innerhalb desselben provinzialen Wahlbezirks erreicht werden.
B.15.5. Angesichts der Vielzahl von manchmal gegensätzlichen Faktoren hat der Dekretgeber sowohl die bestehende Möglichkeit einer mehr proportionalen Vertretung auf Ebene der Provinzialräte anhand der Listenverbindung als auch den ebenso legitimen Wunsch, eine Zersplitterung der politischen Landschaft zu vermeiden, berücksichtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass er dabei Mittel angewandt hätte, die seine Beurteilungsbefugnis überschreiten würden.
B.15.6. Die klagenden Parteien in der Rechtssache Nr. 5256 bemerken, dass das Quorum für die Listenverbindung bei der Wahl der Mitglieder der Abgeordnetenkammer 33 Prozent betrage statt wie in diesem Fall 66 Prozent und dass das Quorum für die Listenverbindung bei der Wahl des Flämischen Parlamentes zwar 66 Prozent betrage, dann jedoch für die gesamte Provinz.
Wie bereits im Rahmen des ersten Klagegrunds angemerkt wurde (B.8.7), gebietet der Gleichheitsgrundsatz es nicht, dass die Wahlen auf den verschiedenen politischen Ebenen nach den gleichen Modalitäten erfolgen müssten bezüglich der Verteilung der zu vergebenden Sitze auf die beteiligten Parteien oder Listen.
Was den Vergleich mit dem System der Listenverbindung für die Abgeordnetenkammer betrifft, ist hinzuzufügen, dass ein solcher Unterschied, der die Folge einer autonomen Ausübung der eigenen Zuständigkeiten der Region ist, allein aus diesem Grund noch nicht gegen den in der Verfassung vorgesehenen Gleichheitsgrundsatz verstösst.
B.15.7. In diesem Stadium der Prüfung der Klage auf einstweilige Aufhebung in der Rechtssache Nr. 5256 ist nicht ersichtlich, dass der Dekretgeber mit Artikel 181 § 2 Absatz 3 eine offensichtlich unvernünftige Massnahme ergriffen hätte.
Insofern der Klagegrund gegen diese Bestimmung gerichtet ist, ist er nicht ernsthaft.
B.16. Da eine der Bedingungen, damit auf einstweilige Aufhebung erkannt werden kann, nicht erfüllt ist, braucht die andere Bedingung nicht geprüft zu werden.
Aus diesen Gründen:
Der Gerichtshof
weist die Klagen auf einstweilige Aufhebung zurück.
Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 16. Februar 2012.
Der Kanzler,
F. Meersschaut.
Der Präsident,
M. Bossuyt.