Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 18 Mai 2011 (België). RG 75/2011

Datum :
18-05-2011
Taal :
Duits Frans Nederlands
Grootte :
7 pagina's
Sectie :
Rechtspraak
Bron :
Justel D-20110518-2
Rolnummer :
75/2011

Samenvatting :

Der Hof erkennt für Recht: Die Artikel 1.1.2 Nr. 10 und Artikel 6.1.1 Absatz 4 des durch Erlass der Flämischen Regierung vom 15. Mai 2009 koordinierten « Flämischen Raumordnungskodex » verstoßen nicht gegen Artikel 23 Absatz 3 Nr. 4 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit deren Artikel 7bis.

Arrest :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Vorsitzenden M. Bossuyt und R. Henneuse, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey und P. HNihoul, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Bossuyt,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

I. Gegenstand der präjudiziellen Frage und Verfahren

In seinem Urteil vom 25. Mai 2010 in Sachen der Staatsanwaltschaft gegen Arthur Baeck und Ellen Wintermans, dessen Ausfertigung am 1. Juni 2010 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat das Korrektionalgericht Gent folgende präjudizielle Frage gestellt:

« Verstossen Artikel 1.1.2 Nr. 10 und Artikel 6.6.1. Absatz 4 des Flämischen Raumordnungskodex gegen den Stillhaltegrundsatz im Sinne von Artikel 23 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 7bis der Verfassung, wegen der Verringerung des faktischen und rechtlichen Schutzes der landschaftlich wertvollen Agrargebiete infolge der Depönalisierung der Straftat der Beibehaltung in diesen Gebieten? ».

(...)

III. In rechtlicher Beziehung

(...)

B.1.1. Die präjudizielle Frage bezieht sich auf die Artikel 1.1.2 Nr. 10 und 6.1.1 Absatz 4 des durch Erlass der Flämischen Regierung vom 15. Mai 2009 koordinierten « Flämischen Raumordnungskodex ».

B.1.2. Artikel 6.1.1 Absätze 1 und 2 des Flämischen Raumordnungskodex stellt mehrere Handlungen, die gegen die Rechtsvorschriften über die Raumordnung verstossen, unter Strafe und belegt unter anderem das Ausführen, Fortsetzen oder Aufrechterhalten von Bauarbeiten, für die keine Genehmigung erteilt wurde, mit Korrektionalstrafen.

Die Absätze 3 und 4 desselben Artikels bestimmen:

« Die Strafsanktion für die Aufrechterhaltung von Verstössen im Sinne von Absatz 1 Nrn. 1, 2, 3, 6 und 7 gilt nicht, wenn die Handlungen, Arbeiten, Änderungen oder die rechtswidrige Benutzung nicht in raumordnerisch gefährdeten Gebieten erfolgen. Für eine strafbare Aufrechterhaltung ist es ausschliesslich erforderlich, dass die widerrechtlichen Handlungen zum Zeitpunkt der Aufrechterhaltung in einem raumordnerisch gefährdeten Gebiet erfolgen.

Einer Wiederherstellungsklage, die durch den Städtebauinspektor oder das Bürgermeister- und Schöffenkollegium wegen der Aufrechterhaltung von Handlungen eingereicht wurde, kann ab dem 1. September 2009 nicht mehr stattgegeben werden, wenn diese Aufrechterhaltung zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr unter Strafe stand ».

B.1.3. Artikel 6.1.2 Absatz 3 wurde bei der Koordinierung des Flämischen Raumordnungskodex übernommen aus Artikel 146 Absatz 3 des Dekrets der Flämischen Region vom 18. Mai 1999 über die Organisation der Raumordnung (nachstehend: Raumordnungsdekret), der durch Artikel 7 des Dekrets vom 4. Juni 2003 « zur Abänderung des Dekrets vom 18. Mai 1999 über die Organisation der Raumordnung hinsichtlich der Rechtsdurchsetzungspolitik » eingefügt worden war.

Aus dem ersten Satz von Artikel 6.1.1 Absatz 3 geht hervor, dass die Aufrechterhaltung von Verstössen im Bereich des Städtebaus in anderen als raumordnerisch gefährdeten Gebieten seit dem 22. August 2003, dem Datum des Inkrafttretens des vorerwähnten Artikels 7 des Dekrets vom 4. Juni 2003, nicht mehr strafbar ist. Wie der Hof in seinem Urteil Nr. 14/2005 vom 19. Januar 2005 angemerkt hat, bezweckte Artikel 7 des Dekrets vom 4. Juni 2003, einen Verstoss im Bereich des Städtebaus nicht mehr als eine Dauerstraftat zu betrachten und die Unterstrafestellung der Aufrechterhaltung zu streichen (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2002-2003, Nr. 1566/7, S. 38).

In raumordnerisch gefährdeten Gebieten bleiben sowohl die Aufrechterhaltung als auch die Ausführung oder Fortsetzung von Verstössen im Bereich des Städtebaus strafbar. Die strafbare « Ausführung oder Fortsetzung » wird nachstehend als Bauverstoss bezeichnet.

B.1.4.1. Artikel 6.1.1 Absatz 4 des Flämischen Raumordnungskodex bezieht sich auf die Wiederherstellungsklagen, die durch den Städtebauinspektor oder das Bürgermeister- und Schöffenkollegium eingereicht wurden und die auf der Aufrechterhaltung von Verstössen im Bereich des Städtebaus in anderen als raumordnerisch gefährdeten Gebieten beruhen.

Dieser Absatz 4 wurde bei der Koordinierung des Flämischen Raumordnungskodex aus Artikel 146 Absatz 4 des Raumordnungsdekrets, ersetzt durch Artikel 50 Nr. 7 des Dekrets der Flämischen Region van 27. März 2009 « zur Anpassung und Ergänzung der Raumplanungs-, Genehmigungs- und Rechtsdurchsetzungspolitik », übernommen. Das in dieser Bestimmung angegebene Datum des 1. September 2009 ist mit dem Datum des Inkrafttretens des vorerwähnten Dekrets vom 27. März 2009 verbunden.

B.1.4.2. Die Absicht, die der Dekretgeber mit dieser Bestimmung verfolgte, wurde in den Vorarbeiten dazu wie folgt erläutert:

« Was die Aufrechterhaltungsverstösse betrifft, stellt sich jedoch die Frage, ob es opportun oder zu rechtfertigen ist, dass nach der Depönalisierung einiger dieser Verstösse (nämlich diejenigen, die nicht in raumordnerisch gefährdeten Gebieten erfolgen) noch Wiederherstellungsklagen (der öffentlichen Hand) aufgrund der Aufrechterhaltung stattgegeben werden kann.

Das Streitrecht in Bezug auf das Rechtsdurchsetzungsdekret vom 4. Juni 2003 zeigt in diesem Zusammenhang, dass Wiederherstellungsklagen, die vor dem 22. August 2003 (dem Datum des Inkrafttretens des Dekrets vom 4. Juni 2003) anhängig waren, an sich nicht unbegründet sind. Wiederherstellungsklagen, die vor dem Datum des Inkrafttretens dieses Dekretentwurfs aufgrund der (fortan nicht mehr strafbaren) Aufrechterhaltung in landschaftlich wertvollen Agrargebieten eingereicht wurden, wird grundsätzlich ebenso noch stattgegeben werden können.

Dies ist gesellschaftlich nicht ganz mit der Art der Wiederherstellungsklage vereinbar, die unter anderem eine besondere Form der Entschädigung oder Rückgabe darstellt und dazu dient, dem im Widerspruch zum Gesetz stehenden Zustand, der durch den Verstoss entstanden ist und durch den dem Gemeinwohl geschadet wird, ein Ende zu setzen (Kass., 19. September 1989, T.R.O.S. 1999, 109, Notiz). Dieser dem Gemeinwohl entstandene Schaden wird durch die Aufhebung der Strafandrohung stark nuanciert.

Aus diesem Grund wird für die Zukunft (ab dem Inkrafttreten des Dekretentwurfs) festgelegt, dass Wiederherstellungsklagen (der öffentlichen Hand), die auf einer zum Zeitpunkt des Urteils nicht mehr strafbaren Aufrechterhaltung beruhen, nicht mehr stattgegeben werden kann » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2008-2009, Nr. 2011/3, S. 57).

B.1.5. In Artikel 1.1.2 Nr. 10 des Flämischen Raumordnungskodex werden die raumordnerisch gefährdeten Gebiete wie folgt definiert:

« a) folgende Gebiete, die in Raumordnungsplänen ausgewiesen sind:

1) Agrargebiete mit ökologischem Interesse,

2) Agrargebiete mit ökologischem Wert,

3) Waldgebiete,

4) Quellgebiete,

5) Grüngebiete,

6) Naturgebiete,

7) Naturgebiete mit wissenschaftlichem Wert,

8) Naturentwicklungsgebiete,

9) Naturschutzgebiete,

10) Uberströmungsgebiete,

11) Parkgebiete,

12) Talgebiete,

b) in räumlichen Ausführungsplänen ausgewiesene Gebiete, die zu einer der folgenden Kategorien oder Unterkategorien der Gebietszweckbestimmung gehören:

1) Wald,

2) Parkgebiet,

3) Schutzgebiet und Natur,

c) das Flämische Ökologische Netzwerk, das aus den Gebietskategorien ' grosse Natureinheiten ' und ' in der Entwicklung befindliche grosse Natureinheiten ' im Sinne des Dekrets vom 21. Oktober 1997 über die Naturerhaltung und die natürlichen Lebensräume besteht,

d) die geschützten Dünengebiete und die für das Dünengebiet wichtigen Agrargebiete, die aufgrund von Artikel 52 § 1 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur ausgewiesen wurden ».

B.1.6. Unter den raumordnerisch gefährdeten Gebieten waren gemäss Artikel 146 Absatz 4 des Raumordnungsdekrets, hinzugefügt durch Artikel 7 des vorerwähnten Dekrets vom 4. Juni 2003 und abgeändert durch Artikel 46 Nr. 3 des Dekrets vom 21. November 2003, zu verstehen:

« Grüngebiete, Naturgebiete, Naturgebiete mit wissenschaftlichem Wert, Naturschutzgebiete, Naturentwicklungsgebiete, Parkgebiete, Waldgebiete, Talgebiete, Quellgebiete, Agrargebiete mit ökologischem Wert oder Interesse, besonders wertvolle Agrargebiete, grosse Natureinheiten, in der Entwicklung befindliche grosse Natureinheiten und die damit vergleichbaren Gebiete, die in räumlichen Ausführungsplänen oder Raumordnungsplänen ausgewiesen sind, sowie die geschützten Dünengebiete und die für das Dünengebiet wichtigen Agrargebiete, die aufgrund des Dekrets vom 14. Juli 1993 zur Festlegung von Massnahmen zum Schutz der Küstendünen ausgewiesen wurden ».

B.2. Aus dem Vergleich der in B.1.5 und B.1.6 aufgezählten Gebiete ergibt sich, dass die Bezeichnung « besonders wertvolle Agrargebiete » nicht mehr in der Liste der raumordnerisch gefährdeten Gebiete von Artikel 1.1.2 Nr. 10 des Flämischen Raumordnungskodex vorkommt.

Einer öffentlichen Wiederherstellungsklage kann durch den Richter ab dem 1. September 2009 also nicht mehr stattgegeben werden für Verstösse der Aufrechterhaltung in « besonders wertvollen Agrargebieten ».

Der vorlegende Richter fragt, ob dies im Widerspruch zu dem in Artikel 23 der Verfassung enthaltenen Stillhaltegrundsatz stehe, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 7bis der Verfassung.

B.3.1. Der vorlegende Richter bittet um eine Prüfung anhand des « Stillhaltegrundsatzes im Sinne von Artikel 23 der Verfassung » unter Berücksichtigung « der Verringerung des faktischen und rechtlichen Schutzes der landschaftlich wertvollen Agrargebiete infolge der Depönalisierung der Straftat der Beibehaltung in diesen Gebieten ».

Die präjudizielle Frage bezieht sich insbesondere auf das « Recht auf den Schutz einer gesunden Umwelt », das durch Artikel 23 Absatz 3 Nr. 4 der Verfassung gewährleistet wird.

Diese Bestimmung beinhaltet eine Stillhalteverpflichtung, die verhindert, dass der zuständige Gesetzgeber das Schutzniveau, das durch die geltenden Rechtsvorschriften geboten wurde, in erheblichem Masse herabsetzt, ohne dass es hierfür Gründe gibt, die mit dem Gemeinwohl zusammenhängen (Urteile Nrn. 135/2006, 137/2006, 145/2006, 87/2007, 114/2008, 121/2008, 113/2010, 2/2011 und 22/2011).

B.3.2. Der vorlegende Richter bittet den Hof ausserdem, eine Prüfung anhand von Artikel 23 der Verfassung in Verbindung mit deren Artikel 7bis vorzunehmen, der bestimmt:

« Der Föderalstaat, die Gemeinschaften und die Regionen verfolgen bei der Ausübung ihrer jeweiligen Befugnisse die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in deren sozialen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Aspekten unter Berücksichtigung der Solidarität zwischen den Generationen ».

Aufgrund von Artikel 142 Absatz 2 der Verfassung und Artikel 26 § 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 trifft der Hof Vorabentscheidungen zu Fragen betreffend die in einem Gesetz, einem Dekret oder einer in Artikel 134 der Verfassung erwähnten Regel enthaltene Verletzung der Regeln, die durch die Verfassung oder aufgrund der Verfassung zur Bestimmung der jeweiligen Zuständigkeit des Staates, der Gemeinschaften und der Regionen festgelegt worden sind, oder der Artikel von Titel II « Die Belgier und ihre Rechte », und der Artikel 170, 172 und 191 der Verfassung, sowie zu Fragen betreffend jeden anderen Konflikt, der aus dem jeweiligen Anwendungsbereich von Dekreten oder in Artikel 134 der Verfassung erwähnten Regeln, die von verschiedenen Gesetzgebern ausgehen, hervorgeht.

Artikel 7bis der Verfassung wurde durch die Verfassungsbestimmung von 25. April 2007 eingefügt in einen neuen Titel Ibis mit der Bezeichnung « Allgemeine politische Zielsetzungen des föderalen Belgiens, der Gemeinschaften und der Regionen ». Der Hof ist nicht befugt, direkt über die Vereinbarkeit der fraglichen Bestimmungen mit dieser Verfassungsbestimmung zu befinden.

Es hindert den Hof jedoch nichts daran, andere Verfassungsbestimmungen als diejenigen, anhand deren er seine Prüfung vornimmt, aufgrund des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof zu berücksichtigen.

B.4.1. Der fragliche Artikel 6.1.1 Absatz 4 des Flämischen Raumordnungskodex hängt eng mit dem vorangehenden Absatz 3 zusammen.

B.4.2. Wie der Hof in seinen Urteilen Nrn. 94/2010, 113/2010, 2/2011 und 22/2011 hervorgehoben hat, hat der flämische Dekretgeber mit Artikel 7 des Dekrets vom 4. Juni 2003, der nunmehr in Artikel 6.1.1 Absatz 3 des Flämischen Raumordnungskodex aufgenommen wurde, im Rahmen seines Ermessensspielraums den Standpunkt vertreten, dass die Aufrechterhaltung einer widerrechtlichen Situation in anderen als raumordnerisch gefährdeten Gebieten nicht mehr als Dauerstraftat angesehen werden musste. Aus den in B.1.4.2 zitierten Vorarbeiten zum fraglichen Artikel 6.1.1 Absatz 4 des Flämischen Raumordnungskodex geht hervor, dass der Dekretgeber es ausserdem gesellschaftlich als nicht gerechtfertigt erachtete, noch der Wiederherstellung des früheren Zustands auf Antrag des Städtebauinspektors oder des Bürgermeister- und Schöffenkollegiums zuzustimmen.

Da er die Aufrechterhaltung von Verstössen im Bereich des Städtebaus in anderen als raumordnerisch gefährdeten Gebieten nicht mehr als strafbar ansah, konnte der Dekretgeber vernünftigerweise den Standpunkt vertreten, dass es im öffentlichen Interesse gerechtfertigt war, auch zu verhindern, dass noch anhängigen öffentlichen Wiederherstellungsklagen ab dem 1. September 2009, dem Datum des Inkrafttretens des Dekrets der Flämischen Region vom 27. März 2009, stattgegeben würde.

B.4.3. In raumordnerisch gefährdeten Gebieten bleiben die in Artikel 6.1.1 des Flämischen Raumordnungskodex angeführten Verstösse strafbar und kann auch die öffentliche Wiederherstellungsklage weiterhin ausgeübt werden. Die öffentliche Wiederherstellungsklage kann ebenfalls noch ausgeübt werden, wenn sie auf Bauverstössen in anderen als raumordnerisch gefährdeten Gebieten beruht. Die Massnahme ist folglich auf die Fälle beschränkt, in denen die Wiederherstellungsklage am 1. September 2009 noch anhängig war für Taten der Aufrechterhaltung in anderen als raumordnerisch gefährdeten Gebieten.

Ausserdem hat der Dekretgeber nur eine Regelung in Bezug auf die öffentliche Wiederherstellungsklage angenommen und hat somit nicht die Rechte von Personen beeinträchtigt, den Schaden, den sie erleiden würden, beispielsweise als Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks, beenden zu lassen durch eine Wiederherstellung in natura oder zumindest sich entschädigen zu lassen für Situationen, die weiterhin einen quasistrafbaren Fehler darstellen.

B.4.4. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass im vorliegenden Fall durch Artikel 6.1.1 Absatz 4 des Flämischen Raumordnungskodex weder ein erheblicher Rückgang im Schutzniveau der Umwelt herbeigeführt wird, noch ein erheblicher Rückgang, der nicht durch die zugrunde liegenden gemeinnützigen Beweggründe gerechtfertigt werden könnte.

B.5.1. Der vorlegende Richter führt auch Artikel 1.1.2 Nr. 10 des Flämischen Raumordnungskodex an, insofern der Begriff « besonders wertvolle Agrargebiete » nicht mehr in der Liste der raumordnerisch gefährdeten Gebiete vorkomme.

B.5.2. Der Begriff « besonders wertvolle Agrargebiete » wurde erst durch Artikel 3 des Dekrets vom 22. April 2005 zur Abänderung des Dekrets vom 18. Mai 1999 über die Organisation der Raumordnung und des am 22. Oktober 1996 koordinierten Raumordnungsdekrets aus der Beschreibung der raumordnerisch gefährdeten Gebiete in Artikel 145bis § 1 Absatz 4 des Dekrets vom 18. Mai 1999, eingefügt durch das Dekret vom 13. Juli 2001 und abgeändert durch das Dekret vom 19. Juli 2002, gestrichen.

In den Vorarbeiten zu diesem Dekret vom 22. April 2005 wurde dafür folgende Begründung angeführt:

« Artikel 3

In mehreren jüngeren Urteilen von Appellationshöfen werden landschaftlich wertvolle Agrargebiete als ' besonders wertvolle Agrargebiete ' und folglich als ' raumordnerisch gefährdete Gebiete ' angesehen. Wenn diese Sichtweise aufrechterhalten wird, bedeutet dies, dass in diesen landschaftlich wertvollen Agrargebieten gebietsfremde Gebäude, Wohnungen und Bauwerke nur innerhalb des bestehenden Bauvolumens umgebaut werden können. Ein Wiederaufbau ist dann unmöglich, und auch die Erweiterung von gebietsfremden Wohnungen wird dort unmöglich. Dies war jedoch nie die Absicht des Flämischen Parlaments, als es 2001 und 2002 die Regelung über gebietsfremde Wohnungen und Gebäude angepasst hat. Auch die Verwaltung hat die Regelung nie so streng ausgelegt. Durch die vorgeschlagene Dekretsänderung soll daher verdeutlicht werden, dass ein landschaftlich wertvolles Agrargebiet kein raumordnerisch gefährdetes Gebiet für die Anwendung der Ausnahmeregelung bezüglich gebietsfremder Gebäude ist. Diese Verdeutlichung erfolgt, indem die Wörter ' besonders wertvolle Agrargebiete ' aus der Liste gestrichen werden (siehe diesbezüglich auch das Gutachten des Staatsrates) » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2004-2005, Nr. 233/1, S. 6).

B.5.3. Diese Anpassung, die sich auf die Genehmigungspolitik bezog (Artikel 145bis des Dekrets vom 18. Mai 1999), wurde hinsichtlich der Rechtsdurchsetzungspolitik (Artikel 146 des Dekrets vom 18. Mai 1999) fortgesetzt durch Artikel 2 des Dekrets vom 27. März 2009 zur Anpassung und Ergänzung der Raumplanungs-, Genehmigungs- und Rechtsdurchsetzungspolitik, wobei der Begriff « besonders wertvolle Agrargebiete » nicht mehr in die Liste der raumordnerisch gefährdeten Gebiete aufgenommen wurde, die in Artikel 2 § 1 Nr. 16 des Dekrets vom 18. Mai 1999 eingefügt und bei der Koordinierung in den Flämischen Raumordnungskodex sowie in die nunmehr fragliche Bestimmung von Artikel 1.1.2 Nr. 10 aufgenommen wurde.

Diesbezüglich ist in den Vorarbeiten zu lesen:

« 5.5. Genehmigungs- und Rechtsdurchsetzungspolitik

Der Minister bemerkt, dass durch den Dekretentwurf eine verwirrende Unterscheidung zwischen der Genehmigungs- und der Rechtsdurchsetzungspolitik beseitigt werden soll. Durch das Dekret vom 22. April 2005 wurden die landschaftlich wertvollen Agrargebiete aus den raumordnerisch gefährdeten Gebieten gestrichen in Bezug auf die Regelung für das Umbauen, Wiederaufbauen und Erweitern von gebietsfremden Bauwerken. Während der Vorarbeiten wurde ausdrücklich bestätigt, dass nie die Absicht bestanden hat, die landschaftlich wertvollen Agrargebiete als raumordnerisch gefährdet einzustufen. Der Information halber teilt der Minister mit, dass diese Gebiete 335 600 Hektar umfassen.

2005 wurde vorgeschlagen, die landschaftlich wertvollen Agrargebiete aus den gefährdeten Gebieten des Durchsetzungsrechtes zu streichen, damit die Aufrechterhaltung von Verstössen in landschaftlich wertvollen Agrargebieten nicht mehr unter Strafe gestellt würde. Diese Streichung sollte bei einer späteren Anpassung des Rechtsdurchsetzungsbereichs des Raumordnungsdekrets erfolgen. Nach Darlegung des Ministers ist es daher angebracht, diese Streichung in den vorliegenden Dekretentwurf aufzunehmen, mit dem tatsächlich eine Reihe von Aspekten des Rechtsdurchsetzungsbereichs überarbeitet oder zumindest angepasst werden. Durch diese Streichung erhält man eine einheitliche und eindeutige Definition der gefährdeten Gebiete in der gesamten Raumordnung. Dies verhindert falsche Auslegungen und begünstigt die Erkennbarkeit. In diesem Zusammenhang verdeutlicht der Minister ferner, dass die Aufrechterhaltung eines Städtebauverstosses in Talgebieten, Quellgebieten und Agrargebieten mit ökologischem Wert oder Interesse weiterhin strafbar bleibt » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2008-2009, Nr. 2011/6, SS. 14-15).

« In dem ursprünglichen Dekret von 1999, das angenommen wurde, als die Mehrheit und die Opposition anders zusammengesetzt war als in der jetzigen Regierungsperiode, wurden landschaftlich wertvolle Agrargebiete nicht als gefährdete Gebiete bezeichnet. Durch die zahllosen Änderungen ist eine Uneinheitlichkeit entstanden, so dass landschaftlich wertvolle Agrargebiete für die Genehmigungen als nicht gefährdet angesehen werden, für die Rechtsdurchsetzung hingegen wohl. Nach Darlegung von Herrn [...] hat in der Vergangenheit nie die Absicht bestanden, aus einem landschaftlich wertvollen Agrargebiet ein gefährdetes Gebiet zu machen. Die juristischen Entscheidungen stützen sich jedoch auf die Dekretstexte, selbst wenn sich dadurch Fehler einschleichen » (ebenda, S. 23).

« 2.10. Raumordnerisch gefährdete Gebiete

Der Minister antwortet auf die Anmerkungen zur Streichung der landschaftlich wertvollen Agrargebiete aus der Definition der raumordnerisch gefährdeten Gebiete.

In dem ursprünglichen Text des Dekrets vom 18. Mai 1999 wurde der Begriff ' raumordnerisch gefährdetes Gebiet ' noch nicht verwendet. Dieser Begriff wurde erst 2001 eingeführt im Rahmen des Genehmigungsbereichs für gebietsfremde Wohnungen und Gebäude (Artikel 145bis des Dekrets vom 13. Juli 2001) und 2003 im Rahmen der Rechtsdurchsetzungspolitik (Artikel 146 des Dekrets vom 4. Juni 2003).

Die Regelung über gebietsfremde Wohnungen und Gebäude wurde durch das Flämische Parlament angepasst, wobei eine strengere Regelung für die so genannten ' raumordnerisch gefährdeten Gebiete ' galt. Die Aufzählung der als raumordnerisch gefährdet angesehenen Gebiete im Dekret umfasste unter anderem die ' besonders wertvollen Agrargebiete '.

Lange war die Frage umstritten, ob landschaftlich wertvolle Agrargebiete als ' besonders wertvolle Agrargebiete ' anzusehen seien. Schliesslich wurde diese Diskussion durch den Kassationshof mit einem Urteil vom 22. Februar 2005 beendet, in dem der Hof die landschaftlich wertvollen Agrargebiete tatsächlich als besonders wertvolle Agrargebiete (und somit als raumordnerisch gefährdet) eingestuft hat. Dies war nach Darlegung des Ministers jedoch nicht die Absicht des Flämischen Parlaments, und auch in der Rechtslehre ist viel Kritik an der Auslegung durch den Kassationshof aufgekommen.

Um dieser Kritik zu entsprechen, wurden die landschaftlich wertvollen Agrargebiete bereits durch das Dekret vom 22. April 2005 aus der Definition der gefährdeten Gebiete hinsichtlich der Genehmigungspolitik entfernt. Dieses Dekret liess den letzten Absatz des heutigen Artikels 146 jedoch unangetastet. In den Vorarbeiten wurde ausdrücklich bestätigt, dass die in Artikel 145bis vorgenommenen Änderungen keinen Einfluss auf die Definition der gefährdeten Gebiete hatten, so wie sie in der Rechtsdurchsetzungspolitik gehandhabt wurde, das heisst einschliesslich der landschaftlich wertvollen Agrargebiete.

Seit der Dekretsänderung von April 2005 werden im Dekret vom 18. Mai 1999 folglich zwei verschiedene Definitionen der ' raumordnerisch gefährdeten Gebiete ' gehandhabt, wobei landschaftlich wertvolle Agrargebiete im Rahmen der Rechtsdurchsetzungspolitik wohl als gefährdete Gebiete betrachtet werden, im Rahmen der Genehmigungspolitik jedoch nicht.

Während der Vorarbeiten zum Dekret vom 22. April 2005 wurde bereits die Streichung der landschaftlich wertvollen Agrargebiete, so wie diese im Durchsetzungsrecht gehandhabt werden, in Aussicht gestellt. Dies sollte im Rahmen einer globalen Anpassung des Rechtsdurchsetzungsbereichs in Bezug auf die Raumordnung geschehen.

Der vorliegende Dekretentwurf entspricht nach Darlegung des Ministers diesem Bemühen und bedeutet zweifellos eine Vereinfachung, indem in Artikel 2 nur einmal eine Definition der ' raumordnerisch gefährdeten Gebiete ' angeführt wird, die für das gesamte Dekret gilt » (ebenda, SS. 32-33).

B.5.4. Aus dem Vorstehenden ist abzuleiten, dass der Dekretgeber nie die Absicht gehabt hat, « landschaftlich wertvolle Agrargebiete » zu den « raumordnerisch gefährdeten Gebieten » zu zählen.

Die Bezeichnung « besonders wertvolle Agrargebiete » wurde aus der Liste der als raumordnerisch gefährdet anzusehenden Gebiete entfernt, weil man in der Rechtsprechung davon ausging, dass « landschaftlich wertvolle Agrargebiete » als « besonders wertvolle Agrargebiete » angesehen wurden und auf diese Weise als raumordnerisch gefährdete Gebiete, was nicht der Absicht des Dekretgebers entsprach und zu viel Rechtsunsicherheit geführt hat.

Diese Streichung, die erst durch das Dekret vom 22. April 2005 im Bereich der Genehmigungspolitik vorgenommen wurde, erfolgte durch das Dekret vom 27. März 2009 im Bereich der Rechtsdurchsetzungspolitik in Bezug auf die Raumordnung, wobei die Einheitlichkeit der Definition der raumordnerisch gefährdeten Gebiete wiederhergestellt wurde.

B.5.5. Daraus ergibt sich, dass durch Artikel 1.1.2 Nr. 10 des Flämischen Raumordnungskodex weder ein erheblicher Rückgang im Schutzniveau der Umwelt herbeigeführt wird, noch ein erheblicher Rückgang, der nicht durch gemeinnützige Beweggründe gerechtfertigt werden könnte.

B.6. Die Berücksichtigung von Artikel 7bis der Verfassung führt nicht zu einer anderen Schlussfolgerung. Die in dieser Bestimmung angeführten Ziele der nachhaltigen Entwicklung können nicht bloss auf der Grundlage dieser Bestimmung mit der im Hinblick auf eine richterliche Prüfung notwendigen Genauigkeit hinsichtlich des politischen Bereichs der Raumordnung bestimmt werden. Da in dieser Bestimmung nicht angegeben ist, wie die damit verbundenen « sozialen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen » Aspekte gegeneinander abzuwägen sind, verfügt die zuständige Behörde diesbezüglich nämlich über einen breiten Ermessensspielraum.

B.7. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Hof

erkennt für Recht:

Die Artikel 1.1.2 Nr. 10 und Artikel 6.1.1 Absatz 4 des durch Erlass der Flämischen Regierung vom 15. Mai 2009 koordinierten « Flämischen Raumordnungskodex » verstossen nicht gegen Artikel 23 Absatz 3 Nr. 4 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit deren Artikel 7bis.

Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 18. Mai 2011.

Der Kanzler,

P.-Y. Dutilleux.

Der Vorsitzende,

M. Bossuyt.