Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 19 April 2012 (België). RG 55/2012

Datum :
19-04-2012
Taal :
Duits Frans Nederlands
Grootte :
4 pagina's
Sectie :
Rechtspraak
Bron :
Justel D-20120419-3
Rolnummer :
55/2012

Samenvatting :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: - Dahingehend ausgelegt, dass der Inhaber einer ordnungsgemäß erteilten städtebaulichen Genehmigung, der kein dingliches Recht an der Parzelle hat, auf die sich das Bauverbot, das sich aus einer endgültigen Bestimmung als geschütztes Dünengebiet ergibt, bezieht, keinen Ausgleich für die zur Verwirklichung der Zweckbestimmung dieser Parzelle ihm entstandenen Kosten erhalten kann, verstößt Artikel 54 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung. - Dahingehend ausgelegt, dass die vorerwähnte Person einen Ausgleich für die zur Verwirklichung der Zweckbestimmung dieser Parzelle ihm entstandenen Kosten erhalten kann, verstößt Artikel 54 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Arrest :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten M. Bossuyt und R. Henneuse, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul und F. Daoût, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten M. Bossuyt,

verkündet nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren

In seinem Entscheid vom 14. Juni 2011 in Sachen der Flämischen Region gegen die « MAFAR » AG, dessen Ausfertigung am 23. Juni 2011 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Appellationshof Antwerpen folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:

« Verstösst Artikel 54 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, indem dieser Artikel das Recht auf Entschädigung in Bezug auf die Ausgaben, die vom Antragsteller, der über eine ordnungsgemäss erteilte städtebauliche Genehmigung verfügt, im Hinblick auf die Verwirklichung der Zwecksbestimmung des Gutes getätigt wurden, nur dem Eigentümer oder dem Inhaber eines dinglichen Rechts an dem betreffenden Gut vorbehält, während der Antragsteller, der ebenfalls über eine ordnungsgemäss erteilte städtebauliche Genehmigung verfügt, der aber nicht die Eigenschaft als Eigentümer oder als Inhaber eines dinglichen Rechts an dem betreffenden Gut hat, keine Entschädigung in Bezug auf die im Hinblick auf die Verwirklichung der Zwecksbestimmung des Gutes von ihm getätigten Ausgaben beanspruchen kann, wenn das Gut von einem Bauverbot, das sich aus einer endgültigen Bestimmung als geschütztes Dünengebiet oder für das Dünengebiet wichtiges Agrargebiet ergibt, betroffen ist? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1.1. Mit dem Dekret vom 14. Juli 1993 zur Festlegung von Massnahmen für den Schutz der Küstendünen wurde in das Gesetz vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur ein Titel IX mit der Uberschrift « Spezifische Bestimmungen für den Seedünenbereich » eingefügt. Artikel 52 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 verleiht der Flämischen Regierung die Befugnis, bestimmte Teile des Seedünenbereichs als « geschütztes Dünengebiet » oder als « für das Dünengebiet wichtiges Agrargebiet » auszuweisen. Gemäss Artikel 52 § 1 Absatz 2 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 beinhaltet eine solche Ausweisung ein absolutes Bauverbot ungeachtet der Zweckbestimmung des Gutes aufgrund der geltenden Raumordnungspläne oder räumlichen Ausführungspläne oder aufgrund von erteilten Parzellierungsgenehmigungen.

Dieses Bauverbot gilt auch, wenn für die als geschütztes Dünengebiet bestimmten Parzellen bereits eine städtebauliche Genehmigung erteilt worden ist und selbst dann, wenn bereits mit den Arbeiten begonnen wurde (Kass., 5. Oktober 1995, Arr. Cass., 1995, Nr. 416).

B.1.2. Artikel 54 des Gesetzes vom 12. Juli 1973, das heisst die fragliche Bestimmung, sieht einen Ausgleich für den durch das Bauverbot verursachten Schaden vor, wenn durch dieses Verbot die Zweckbestimmung gemäss den geltenden Raumordnungsplänen oder Parzellierungsgenehmigungen aufgehoben wird.

Diese Bestimmung lautet:

« § 1. Eine Entschädigung wegen des Bauverbots im Sinne von Artikel 52 ist zu leisten, wenn durch dieses Bauverbot, das sich aus einer endgültigen Bestimmung als geschütztes Dünengebiet oder für das Dünengebiet wichtiges Agrargebiet ergibt, die gemäss den geltenden Raumordnungsplänen oder Parzellierungsgenehmigungen vorgesehene Bestimmung erlischt, die das Grundstück am Tag vor der Veröffentlichung des Erlasses zur vorläufigen Bestimmung als geschütztes Dünengebiet oder für das Dünengebiet wichtiges Agrargebiet hatte.

§ 2. Der Anspruch auf Entschädigung entsteht bei der Ubertragung des Grundstücks, bei der Ausstellung der Verweigerung einer Baugenehmigung oder bei der Ausstellung einer abschlägigen städtebaulichen Bescheinigung, vorausgesetzt, dass die Ubertragung bzw. Ausstellung nach der Veröffentlichung des Erlasses zur endgültigen Bestimmung als geschütztes Dünengebiet oder für das Dünengebiet wichtiges Agrargebiet erfolgt. Die Anträge auf Leistung der Entschädigung werden bei der Flämischen Regierung eingereicht. Der Antrag auf Leistung der Entschädigung verjährt drei Jahre nach dem Tag der Entstehung des Entschädigungsanspruchs.

§ 3. Die bei der Entschädigung berücksichtigte Wertminderung ist auf den Betrag der Differenz zwischen dem Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erwerbs, der bis zum Tag der Entstehung des Entschädigungsanspruchs aktualisiert und um die Lasten und Kosten erhöht wurde, ohne dass dabei dem Bauverbot Rechnung getragen wird, einerseits und dem Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Entstehung des Entschädigungsanspruchs andererseits zu schätzen.

§ 4. Nur die sich unmittelbar aus dem Bauverbot nach Artikel 52 ergebende Wertminderung wird bei der Entschädigung berücksichtigt. Wertminderungen bis zu einer Höhe von zwanzig Prozent müssen ohne Entschädigung hingenommen werden. Bei der Ermittlung der Entschädigung werden nach dem 14. Juli 1993 erfolgte Ubertragungen nicht berücksichtigt.

§ 5. In den Fällen, auf die sich Artikel 35 Absatz 10 des am 22. Oktober 1996 koordinierten Dekrets über die Raumordnung bezieht, ist keine Entschädigung zu leisten.

§ 6. Die Flämische Regierung bestimmt die Ausführungsmodalitäten dieses Artikels, insbesondere hinsichtlich der Festsetzung des Wertes des Grundstücks und seiner Aktualisierung. Diese ist aufgrund der Entwicklung der Indexzahl der Verbraucherpreise durchzuführen.

§ 7. Die Entschädigungspflicht kann durch einen mit Gründen versehenen Erlass der Flämischen Regierung, nach Gutachten des Instituts für die Erhaltung der Natur, zur Aufhebung des in Artikel 52 genannten Bauverbots für die betreffende Parzelle erfüllt werden.

§ 8. Ist eine natürliche Person nur Eigentümer einer einzigen Bauparzelle, deren maximale Fläche von der Flämischen Regierung festgesetzt wird und die in dem geschützten Dünengebiet oder für das Dünengebiet wichtigen Agrargebiet gelegen ist, und ist sie im übrigen zum 15. September 1993 nur Eigentümer eines einzigen Grundstücks, so kann sie den Kauf durch die Flämische Region fordern, indem sie ihren Willen mit einem innerhalb von vierundzwanzig Monaten nach erfolgter Veröffentlichung des Erlasses zur endgültigen Bestimmung der geschützten Dünengebiete und der für das Dünengebiet wichtigen Agrargebiete aufzugebenden Einschreibebrief bekundet. In diesem Fall müssen der Rückkauf und die völlige Bezahlung der Parzelle innerhalb von vierundzwanzig Monaten erfolgen, sonst erlischt von Rechts wegen das Bauverbot, auf das sich Artikel 52 bezieht. Der Kauf durch die Flämische Region impliziert, dass der bezahlte Kaufpreis bzw. - bei auf andere Weise als durch Kauf getätigtem Erwerb - der im Hinblick auf die Bezahlung der Gebühren ermittelte, aktualisierte und um die Lasten und Kosten einschliesslich der Finanzierungskosten ermittelte Schätzungswert des Grundstücks erstattet wird. Die Flämische Regierung bestimmt die Anwendungsmodalitäten dieses Paragraphen.

§ 9. In den Fällen, auf die sich Artikel 35 Absatz 10 des am 22. Oktober 1996 koordinierten Dekrets über die Raumordnung bezieht, ist keine Entschädigung zu leisten ».

B.2. Der Kassationshof hat entschieden, dass der in der fraglichen Bestimmung vorgesehene Ausgleich nur Eigentümern und Inhabern anderer dinglicher Rechte gewährt werden kann (Kass., 7. September 2009, Arr. Cass., 2009, Nr. 482).

In dieser Auslegung, die in der Vorabentscheidungsfrage enthalten ist, hat der Inhaber einer ordnungsgemäss erteilten städtebaulichen Genehmigung, der nicht über ein dingliches Recht an der Parzelle, auf die sich das Bauverbot bezieht, verfügt, keinen Anspruch auf den in der fraglichen Bestimmung vorgesehenen Ausgleich für Kosten, die er zur Verwirklichung der Zweckbestimmung des Gutes getätigt hat.

B.3.1. Die Flämische Regierung führt an, dass die Verfassung den Dekretgeber nicht verpflichte, einen Ausgleich für die im allgemeinen Interesse auferlegten Einschränkungen des Eigentumsrechts, wie Bauverbote, vorzusehen.

B.3.2. Gemäss dem Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor den öffentlichen Lasten kann die Behörde jedoch nicht ohne eine Entschädigung Lasten auferlegen, die grösser sind als diejenigen, die eine Person im allgemeinen Interesse tragen muss.

Aus diesem Grundsatz ergibt sich, dass die unverhältnismässig nachteiligen - das heisst die ausserhalb des normalen gesellschaftlichen Risikos oder des normalen Betriebsrisikos liegenden und auf einer begrenzten Gruppe von Bürgern oder Einrichtungen lastenden - Folgen einer an sich rechtmässigen behördlichen Handlung, wie das Auferlegen einer gemeinnützigen Dienstbarkeit, nicht den Betroffenen auferlegt werden dürfen, sondern gleichmässig auf die Gemeinschaft verteilt werden müssen.

B.3.3. Da der Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor den öffentlichen Lasten eine Anwendung des Grundsatzes der Gleichheit und Nichtdiskriminierung darstellt, obliegt es dem Gerichtshof, eine gesetzlich festgelegte Entschädigung für eine Eigentumseinschränkung oder deren Fehlen anhand dieses Grundsatzes zu prüfen.

B.4. Eine ordnungsgemäss erteilte städtebauliche Genehmigung stellt für deren Inhaber ein Eigentum im Sinne von Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention dar (EuGHMR, 18. Februar 1991, Fredin (Nr. 1) gegen Schweden, § 40; EuGHMR, 29. November 1991, Pine Valley Developments Ltd. gegen Irland, § 52).

Der Ausschluss einer zuvor als Baugrundstück bestimmten Parzelle aus dem bebaubaren Gebiet stellt eine Einmischung in den ungestörten Genuss des Eigentums dar (EuGHMR, 27. Oktober 1994, Katte Klitsche de la Grange gegen Italien, § 40).

B.5.1. In der Auslegung durch den vorlegenden Richter könne der Inhaber einer ordnungsgemäss erteilten städtebaulichen Genehmigung, der kein dingliches Recht an der durch ein Bauverbot betroffenen Parzelle besitze, keinen Anspruch auf den Ausgleich für die durch ihn zur Verwirklichung der Zweckbestimmung des Gutes getätigten Kosten erheben, während der Eigentümer oder der Inhaber eines anderen dinglichen Rechts, der die gleichen Kosten getätigt habe, hierfür wohl auf der Grundlage der fraglichen Bestimmung entschädigt werde.

B.5.2. Das Bauverbot infolge einer endgültigen Bestimmung als geschütztes Dünengebiet betrifft beide Kategorien von Personen im gleichen Masse. Der Eigentümer behält nach der Anwendung des Bauverbots im Ubrigen das Eigentumsrecht an der betreffenden Parzelle, während der Inhaber einer ordnungsgemäss erteilten städtebaulichen Genehmigung, der nicht über ein dingliches Recht an dieser Parzelle verfügt, jeglichen Nutzen aus dieser Genehmigung verliert.

Obwohl vernünftigerweise nicht in Abrede gestellt werden kann, dass die Auferlegung des Bauverbots im Sinne von Artikel 52 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur einer Zielsetzung allgemeinen Interesses dient, ist der Ausschluss des Inhabers einer ordnungsgemäss erteilten städtebaulichen Genehmigung aus dem in der fraglichen Bestimmung vorgesehenen Ausgleich nicht vernünftigerweise gerechtfertigt.

B.5.3. In dieser Auslegung ist Artikel 54 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur nicht mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung vereinbar, insofern der Inhaber einer ordnungsgemäss erteilten städtebaulichen Genehmigung, der kein dingliches Recht an der Parzelle, auf die sich das Bauverbot bezieht, besitzt, keinen Ausgleich für seine Kosten zur Verwirklichung der Zweckbestimmung der Parzelle erhalten kann.

B.6. Die fragliche Bestimmung kann jedoch auch anders ausgelegt werden. Im Text dieser Bestimmung wird nämlich nicht zwischen einerseits dem Eigentümer oder Inhaber eines dinglichen Rechts und andererseits dem Inhaber eines Baurechts oder einer städtebaulichen Genehmigung, der nicht über ein dingliches Recht an dem Gut verfügt, unterschieden.

In dieser Auslegung hat der Eigentümer oder der Inhaber eines dinglichen Rechts Anspruch auf die in der fraglichen Bestimmung vorgesehene Entschädigung, insofern diese zum Ausgleich der Wertminderung des Eigentums dient, während der Inhaber einer ordnungsgemäss erteilten städtebaulichen Genehmigung Anspruch auf einen Ausgleich für die durch ihn zur Verwirklichung der Zweckbestimmung des Gutes getätigten Kosten hat, selbst wenn er keine dinglichen Rechte an der betreffenden Parzelle besitzt.

In dieser Auslegung besteht der Behandlungsunterschied nicht.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

- Dahingehend ausgelegt, dass der Inhaber einer ordnungsgemäss erteilten städtebaulichen Genehmigung, der kein dingliches Recht an der Parzelle hat, auf die sich das Bauverbot, das sich aus einer endgültigen Bestimmung als geschütztes Dünengebiet ergibt, bezieht, keinen Ausgleich für die zur Verwirklichung der Zweckbestimmung dieser Parzelle ihm entstandenen Kosten erhalten kann, verstösst Artikel 54 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

- Dahingehend ausgelegt, dass die vorerwähnte Person einen Ausgleich für die zur Verwirklichung der Zweckbestimmung dieser Parzelle ihm entstandenen Kosten erhalten kann, verstösst Artikel 54 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 19. April 2012.

Der Kanzler,

F. Meersschaut

Der Präsident,

M. Bossuyt