Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 22 Dezember 2016 (België). RG 168/2016
- Sectie :
- Rechtspraak
- Bron :
- Justel D-20161222-5
- Rolnummer :
- 168/2016
Samenvatting :
Der Gerichtshof erkennt für Recht: Artikel 38 § 6 des am 16. März 1968 koordinierten Gesetzes über die Straßenverkehrspolizei, eingefügt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. März 2014, verstößt nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und mit Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Arrest :
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Präsidenten J. Spreutels und E. De Groot, und den Richtern L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten J. Spreutels,
erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:
I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen und Verfahren
a. In seinen Urteilen vom 16. und 23. Juni 2016 in Sachen der Staatsanwaltschaft gegen G.L., F.B. beziehungsweise L.B., deren Ausfertigungen am 6. Juli 2016 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, hat das Korrektionalgericht Lüttich, Abteilung Verviers, folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:
« Verstößt Artikel 38 § 6 des Gesetzes vom 16. März 1968, eingefügt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. März 2014 zur Abänderung des Gesetzes über die Straßenverkehrspolizei, gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 2 des Strafgesetzbuches, Artikel 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 und Artikel 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, indem er dem nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 9. März 2014 befassten Richter dazu verpflichtet, im Falle der Verurteilung eines im Wiederholungsfall Angeklagten zu einer Strafe der Entziehung der Erlaubnis zum Führen eines Motorfahrzeugs, wegen eines vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangenen Verstoßes, die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis vom Bestehen einer theoretischen und praktischen Prüfung sowie einer ärztlichen und psychologischen Untersuchung abhängig zu machen, während die Auferlegung dieser Prüfungen und Untersuchungen die Situation des Angeklagten im Vergleich zum Stand der früheren Gesetzgebung faktisch verschlimmert? ».
b. In seinem Urteil vom 30. Juni 2016 in Sachen der Staatsanwaltschaft gegen M.S., dessen Ausfertigung am 19. Juli 2016 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das Korrektionalgericht Lüttich, Abteilung Verviers, dieselbe Vorabentscheidungsfrage gestellt.
Diese unter den Nummern 6474, 6475, 6476 und 6486 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.
(...)
III. Rechtliche Würdigung
(...)
B.1.1. Artikel 38 §§ 1 bis 5 des am 16. März 1968 koordinierten Gesetzes über die Straßenverkehrspolizei (nachstehend: Straßenverkehrsgesetz), der zu einem Abschnitt 1 (« Als Strafe ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis ») gehört, bestimmt:
« § 1. Der Richter kann die Entziehung der Erlaubnis zum Führen eines Motorfahrzeugs aussprechen,
1. wenn die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen die Artikel 34, 37, 37bis § 1, 49/1 oder 62bis erfolgt,
2. wenn die Verurteilung wegen eines Verkehrsunfalls, den der Täter persönlich verschuldet hat, erfolgt und wegen Tötung oder Verletzung ausgesprochen wird,
3. wenn die Verurteilung wegen eines in Artikel 29 § 1 erwähnten Verstoßes zweiten oder dritten Grades erfolgt,
3bis. wenn die Verurteilung wegen Überschreitens der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, wie festgelegt in den in Ausführung der vorliegenden koordinierten Gesetze ergangenen Verordnungen, auf der Grundlage von Artikel 29 § 3 erfolgt, und zwar wenn:
- die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 Kilometer in der Stunde und um höchstens 40 Kilometer in der Stunde überschritten wird oder
- die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in einer geschlossenen Ortschaft, einer 30-Zone, einer Schulumgebung, einer Begegnungszone oder in einem verkehrsberuhigten Bereich um mehr als 20 Kilometer in der Stunde und um höchstens 30 Kilometer in der Stunde überschritten wird,
4. wenn die Verurteilung wegen irgendeines Verstoßes gegen das vorliegende Gesetz und die in dessen Ausführung ergangenen Verordnungen erfolgt und der Schuldige innerhalb der drei Jahre vor dem Verstoß dreimal aus dem gleichen Grund verurteilt worden ist,
5. wenn die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen die Artikel 30 § 1, 33 § 1 oder 33 § 3 Nr. 1 erfolgt.
Die Entziehungen aufgrund des vorliegenden Paragraphen werden für mindestens acht Tage und höchstens fünf Jahre ausgesprochen; sie können jedoch für eine Dauer von mehr als fünf Jahren oder für immer ausgesprochen werden, wenn der Schuldige in den drei Jahren vor den in Nr. 1 und 5 erwähnten Verstößen wegen einer dieser Verstöße verurteilt worden ist, und in dem in Nr. 4 erwähnten Fall.
§ 2. Wenn die Verurteilung gleichzeitig wegen eines Verstoßes gegen Artikel 419 des Strafgesetzbuches und wegen eines Verstoßes gegen die Artikel 29 §§ 1 und 3, 34 § 2, 35 oder 37bis § 1 der vorliegenden koordinierten Gesetze erfolgt, wird die Entziehung der Fahrerlaubnis für eine Dauer von mindestens drei Monaten ausgesprochen.
Die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis wird vom Bestehen der vier in § 3 Absatz 1 erwähnten Prüfungen beziehungsweise Untersuchungen abhängig gemacht.
Wenn die Verurteilung gleichzeitig wegen eines Verstoßes gegen Artikel 419 des Strafgesetzbuches und wegen eines Verstoßes gegen die Artikel 36 oder 37bis § 2 der vorliegenden koordinierten Gesetze erfolgt, wird die Entziehung der Fahrerlaubnis für eine Dauer von mindestens einem Jahr ausgesprochen.
Die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis wird vom Bestehen der vier in § 3 Absatz 1 erwähnten Prüfungen beziehungsweise Untersuchungen abhängig gemacht.
Wenn die Verurteilung gleichzeitig wegen eines Verstoßes gegen Artikel 420 des Strafgesetzbuches und wegen eines Verstoßes gegen die Artikel 36 oder 37bis § 2 der vorliegenden koordinierten Gesetze erfolgt, wird die Entziehung der Fahrerlaubnis für eine Dauer von mindestens sechs Monaten ausgesprochen.
Die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis wird vom Bestehen der vier in § 3 Absatz 1 erwähnten Prüfungen beziehungsweise Untersuchungen abhängig gemacht.
§ 2bis. Der Richter kann, außer in dem in Artikel 37/1 Absatz 1 erwähnten Fall oder wenn er die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis an die Bedingung knüpft, eine oder mehrere der in § 3 erwähnten Prüfungen beziehungsweise Untersuchungen bestanden zu haben, in Bezug auf jeden Führer, der Inhaber eines Führerscheins oder eines gleichwertigen Dokuments ist, verfügen, dass die effektive Entziehung nur Anwendung findet:
- von freitags 20 Uhr bis sonntags 20 Uhr,
- von 20 Uhr am Vorabend eines Feiertags bis 20 Uhr am Feiertag selbst.
§ 3. Der Richter kann die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis an die Bedingung knüpfen, eine oder mehrere der nachstehenden Prüfungen beziehungsweise Untersuchungen bestanden zu haben:
1. eine theoretische Prüfung,
2. eine praktische Prüfung,
3. eine ärztliche Untersuchung,
4. eine psychologische Untersuchung,
5. vom König festgelegte spezifische Schulungen oder eine vom König festgelegte Verkehrstherapie.
Die in dem vorliegenden Paragraphen vorgesehenen Prüfungen und Untersuchungen sind nicht anwendbar auf die Inhaber eines ausländischen Führerscheins, die die vom König zur Erlangung eines belgischen Führerscheins festgelegten Bedingungen nicht erfüllen.
§ 4. Der Richter muss die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis für einen Führer, dem die Fahrerlaubnis aufgrund eines in § 1 Nr. 1 des vorliegenden Artikels erwähnten Verstoßes entzogen worden ist und der an einem Gebrechen oder an einer Erkrankung leidet, wie sie vom König in Ausführung von Artikel 23 § 1 Nr. 3 bestimmt worden sind, an die Beweisführung seitens des Führers knüpfen, dass er nicht mehr an diesem Gebrechen oder dieser Erkrankung leidet.
Zu diesem Zweck reicht Letzterer durch einen an die Staatsanwaltschaft gerichteten Antrag ein Ersuchen vor dem Rechtsprechungsorgan ein, das die Entziehungsmaßnahme ausgesprochen hat. Gegen die Entscheidung dieses Rechtsprechungsorgans kann keine Berufung eingelegt werden.
Wird das Ersuchen zurückgewiesen, kann es vor Ablauf einer Zeitspanne von sechs Monaten ab dem Datum der Zurückweisung nicht erneuert werden.
Bei Verstoß gegen die Artikel 30 § 1 Nr. 3, 35, 36 oder 37bis § 2 muss die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis vom Bestehen der in § 3 Nr. 3 und 4 erwähnten Untersuchungen abhängig gemacht werden.
§ 5. Der Richter muss die Entziehung der Fahrerlaubnis aussprechen und die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis mindestens vom Bestehen der theoretischen oder praktischen Prüfung abhängig machen, wenn die Verurteilung wegen eines mit einem Motorfahrzeug begangenen Verstoßes erfolgt, der zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis Anlass geben kann, und der Schuldige seit weniger als zwei Jahren Inhaber des Führerscheins der Klasse B ist.
Absatz 1 ist nicht anwendbar auf Artikel 38 § 1 Nr. 2 im Falle eines Verkehrsunfalls mit nur Leichtverletzten.
Absatz 1 ist nicht anwendbar auf die in Artikel 29 § 1 erwähnten Verstöße zweiten Grades ».
B.1.2. Artikel 38 § 6 des Straßenverkehrsgesetzes, der den Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen bildet, wurde durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. März 2014, der am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, eingefügt. Er bestimmt:
« Außer in dem in Artikel 37/1 Absatz 1 erwähnten Fall, muss der Richter die Entziehung der Erlaubnis zum Führen eines Motorfahrzeugs für einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten aussprechen und die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis vom Bestehen der vier in § 3 Absatz 1 erwähnten Prüfungen abhängig machen, wenn der Schuldige binnen 3 Jahren ab dem Tag der Verkündung eines früheren auf Verurteilung lautenden formell rechtskräftig gewordenen Urteils wegen eines der in den Artikeln 29 § 1 Absatz 1, 29 § 3 Absatz 3, 30 §§ 1, 2 und 3, 33 §§ 1 und 2, 34 § 2, 35, 37, 37bis § 1, 48 und 62bis erwähnten Verstöße erneut einen dieser Verstöße begeht.
Begeht der Schuldige binnen 3 Jahren ab dem Tag der Verkündung eines früheren auf Verurteilung lautenden formell rechtskräftig gewordenen Urteils wegen eines der in Absatz 1 erwähnten Verstöße erneut zwei dieser Verstöße, beläuft die Dauer der Entziehung der Fahrerlaubnis sich auf mindestens 6 Monate und hängt die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis vom Bestehen der vier in § 3 Absatz 1 erwähnten Prüfungen ab.
Begeht der Schuldige binnen 3 Jahren ab dem Tag der Verkündung eines früheren auf Verurteilung lautenden formell rechtskräftig gewordenen Urteils wegen eines der in Absatz 1 erwähnten Verstöße erneut drei oder mehrere dieser Verstöße, beläuft die Dauer der Entziehung der Fahrerlaubnis sich auf mindestens 9 Monate und hängt die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis vom Bestehen der vier in § 3 Absatz 1 erwähnten Prüfungen ab ».
B.2.1. Der vorlegende Richter befragt den Gerichtshof zur Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 2 des Strafgesetzbuches, Artikel 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, insofern sie dem nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 9. März 2014 befassten Richter dazu verpflichte, im Falle der Verurteilung eines im Wiederholungsfall Angeklagten zu einer Strafe der Entziehung der Erlaubnis zum Führen eines Motorfahrzeugs, wegen eines vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangenen Verstoßes, die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis vom Bestehen einer theoretischen und praktischen Prüfung sowie einer ärztlichen und psychologischen Untersuchung abhängig zu machen, während die Auferlegung dieser Prüfungen und Untersuchungen die Situation des Angeklagten im Vergleich zur früheren Gesetzgebung faktisch verschlimmere.
B.2.2. Artikel 2 des Strafgesetzbuches bestimmt:
« Keine Straftat kann mit Strafen geahndet werden, die nicht vor Begehung der Straftat durch das Gesetz angedroht waren.
Wenn eine zum Zeitpunkt des Urteils angedrohte Strafe sich von der zum Zeitpunkt der Straftat angedrohten Strafe unterscheidet, wird die mildeste Strafe angewandt ».
Diese Bestimmung verbietet es, auf den Angeklagten eine strengere Strafe anzuwenden als diejenige, die zum Zeitpunkt der Straftat anwendbar war.
B.2.3. Artikel 15 Absatz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte bestimmt:
« Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder nach internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine schwerere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden. Wird nach Begehung einer strafbaren Handlung durch Gesetz eine mildere Strafe eingeführt, so ist das mildere Gesetz anzuwenden ».
B.2.4. Der Gerichtshof ist nicht befugt, die fragliche Bestimmung anhand von Gesetzesnormen zu kontrollieren. Er berücksichtigt jedoch den allgemeinen Grundsatz der Nichtrückwirkung der Gesetze in Strafsachen, so wie er insbesondere durch Artikel 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und durch Artikel 2 des Strafgesetzbuches ausgedrückt wird.
B.3.1. Aus der Begründung der Vorlageentscheidungen geht hervor, dass der vorlegende Richter in der Berufungsinstanz mit Urteilen des Polizeigerichts befasst wurde, durch die die Angeklagten zu einer Arbeitsstrafe oder zu einer Geldbuße sowie zu einer Entziehung der Erlaubnis zum Führen eines Motorfahrzeugs verurteilt wurden und ihre Wiederlangung der Fahrerlaubnis vom Bestehen einer theoretischen und praktischen Prüfung sowie einer ärztlichen und psychologischen Untersuchung abhängig gemacht wurde, wegen eines Sachverhalts, der sich vor dem Inkrafttreten von Artikel 9 des Gesetzes vom 9. März 2014 ereignet hat.
Die Feststellung, dass die Bedingungen der Wiederholung erfüllt sind, führe nach Darlegung des vorlegenden Richters in diesen Rechtssachen zur sofortigen Anwendung der fraglichen Bestimmung, insofern sie den Richter verpflichte, die Wiedererlangung der Erlaubnis zum Führen eines Motorfahrzeugs vom Bestehen einer theoretischen und praktischen Prüfung und einer ärztlichen und psychologischen Untersuchung abhängig zu machen, wenn eine Strafe der Entziehung der Fahrerlaubnis gegen einen im Wiederholungsfall Angeklagten verhängt werde. Er beruft sich hierbei auf die Entscheide des Kassationshofes vom 1. Februar 2005 (Pas., 2005, Nr. 64) und 27. April 2016 (P.15.1468.F), in denen entschieden wurde, dass die Verpflichtung, diese Prüfungen und Untersuchungen vor der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis zu bestehen, eine Sicherungsmaßnahme darstelle, die ab dem Inkrafttreten des Gesetzes, in dem dies vorgesehen sei, anwendbar sei, wobei Artikel 2 des Strafgesetzbuches nur die eigentlichen Strafen betreffe und nicht die Sicherungsmaßnahmen, die dem Schutz des Allgemeininteresses dienten.
B.3.2. Nach Darlegung des Ministerrates sei die Vorabentscheidungsfrage unklar, insofern sie sich nicht auf eine ausreichend präzise Gruppe von Bürgern beziehe und keinen Vergleich beinhalte.
Im Gegensatz zu dem, was der Ministerrat erklärt, geht aus der Vorabentscheidungsfrage ausreichend deutlich hervor, welche Kategorien von Personen miteinander zu vergleichen sind: die im Wiederholungsfall Angeklagten, die einen Verstoß begangen haben, der vor dem Inkrafttreten der fraglichen Bestimmung begangen wurde, je nachdem, ob sie vor oder nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung wegen dieses Verstoßes verurteilt wurden.
Im Übrigen, wenn ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung angeführt wird, in Verbindung mit einem anderem Grundrecht, das durch die Verfassung oder durch eine Bestimmung des internationalen Rechts gewährleistet wird, oder sich aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz ergibt, muss die Kategorie von Personen, für die gegen dieses Grundrecht verstoßen wird, mit der Kategorie von Personen verglichen werden, für die dieses Grundrecht gewährleistet wird.
Aus dem Schriftsatz des Ministerrates geht im Übrigen hervor, dass dieser die Frage richtig verstanden hat und folglich eine sachdienliche Verteidigung führen konnte.
B.4. Aus den Vorarbeiten zum Gesetz vom 9. März 2014 ergibt sich, dass der Gesetzgeber, um das Ziel zu erreichen, das für 2010 durch die Versammlung aller Hauptakteure der Verkehrssicherheit gemäß dem Vorschlag der Europäischen Kommission festgelegt wurde, die jährliche Anzahl der Verkehrstoten zu verringern, Maßnahmen ergreifen wollte, die eine langfristige Wirkung haben, und insbesondere wiederholte Verstöße gegen das Straßenverkehrsgesetz strenger bestrafen wollte (Parl. Dok., Kammer, 2012-2013, DOC 53-2880/001, S. 3):
« Außerdem werden die schwersten Verstöße bei Wiederholung strenger bestraft. Seit der Gesetzesänderung vom 2. Dezember 2011 liegt bereits eine Widerholungstat vor im Falle der Verbindung des Fahrens unter Einfluss von Alkohol, Trunkenheit und des Fahrens unter Einfluss von Drogen. Jetzt gilt dies auch für Fahrerflucht, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verstöße vierten Grades, die schwersten Geschwindigkeitsübertretungen und die Benutzung eines Radardetektors. Wenn man wegen eines dieser Verstöße verurteilt wird und erneut einen dieser Verstöße innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren begeht, muss der Richter zwingend die Entziehung der Erlaubnis zum Führen eines Motorfahrzeugs aussprechen, neben der Verpflichtung, die theoretische und praktische Prüfung und die ärztliche und psychologische Untersuchung erneut abzulegen. Die Dauer der zwingenden Entziehung hängt vom ' Ausmaß ' der Wiederholung ab.
Eine Ausnahme von der zwingenden Entziehung der Fahrerlaubnis ist vorgesehen, wenn der Richter eine Alkohol-Wegfahrsperre auferlegt. Die Kombination von Alkohol-Wegfahrsperre und Entziehung an Wochenenden oder Entziehung an Wochenenden und Prüfungen zur Wiedererlangung wird unmöglich gemacht. Es ist nämlich nicht logisch, dass jemand medizinisch und psychologisch an den Wochenenden fahruntüchtig wäre, nicht aber während der Woche.
In der gleichen Logik ist die Verbindung der Begrenzung der Entziehung der Fahrerlaubnis auf bestimmte Kategorien von Motorfahrzeugen mit Prüfungen zur Wiedererlangung ausgeschlossen » (ebenda, S. 4).
B.5. Es obliegt dem Gesetzgeber, insbesondere, wenn er eine Plage bekämpfen möchte, die bisher durch andere Vorbeugungsmaßnahmen nicht ausreichend eingedämmt werden konnte, darüber zu entscheiden, ob man sich für eine strengere Bestrafung in Bezug auf bestimmte Formen von Vergehen entscheiden soll. Die Anzahl der Verkehrsunfälle und deren Folgen rechtfertigen es, dass diejenigen, die die Verkehrssicherheit gefährden, Gegenstand von besonderen Verfahren und Sanktionen sind.
B.6.1. Zur Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage muss der Gerichtshof prüfen, ob die Verpflichtung, eine theoretische und praktische Prüfung sowie eine ärztliche und psychologische Untersuchung zu bestehen, um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen, nachdem durch ein Urteil diese Fahrerlaubnis entzogen wurde, eine Strafe ist.
B.6.2. Um das Bestehen einer « strafrechtlichen Anklage » im Sinne von Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu bestimmen, berücksichtigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte drei Kriterien: « die rechtliche Einstufung der beanstandeten Maßnahme im nationalen Recht, deren eigentliche Beschaffenheit sowie die Art und das Maß der Strenge der ' Sanktion ' » (siehe u.a., im Zusammenhang mit der sofortigen Entziehung des Führerscheins, EuGHMR, 28. Oktober 1999, Escoubet gegen Belgien, § 32). Dieser Gerichtshof verwendet die gleichen Kriterien zur Anwendung von Artikel 7 der vorerwähnten Konvention, der eine ähnliche Tragweite hat wie Artikel 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (z.B. EuGHMR, 4. Oktober 2016, Zaja gegen Kroatien, § 86).
B.6.3. Wie der vorlegende Richter bemerkt, ist der Kassationshof der Auffassung, dass die Verpflichtung, sich diesen Prüfungen und Untersuchungen zu unterziehen, bevor die Fahrerlaubnis wiedererlangt wird, eine Sicherungsmaßnahme darstellt.
B.6.4. Der Gerichtshof muss weiter prüfen, ob diese Verpflichtung in Anbetracht ihrer Art oder ihrer Strenge als eine Strafe zu betrachten ist.
Der Europäische Gerichtshof erinnert diesbezüglich in seinem bereits erwähnten Urteil Escoubet gegen Belgien daran, « dass ' gemäß dem gewöhnlichen Sinn der Begriffe im Allgemeinen die Übertretungen zum Strafrecht gehören, deren Täter sich Strafen aussetzen können, die insbesondere eine abschreckende Wirkung haben sollen und die gewöhnlich in freiheitsentziehenden Maßnahmen und in Bußgeldern bestehen ' (Urteil Özturk, vorerwähnt, SS. 20-21, § 53), mit Ausnahme derjenigen, ' die aufgrund ihrer Art, ihrer Dauer oder ihrer Vollstreckungsbedingungen keinen erheblichen Schaden verursachen können ' (siehe, in Bezug auf den Freiheitsentzug, das vorerwähnte Urteil Engel u.a., SS. 34-35, § 82) » ( § 36).
B.6.5. Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis (siehe Entscheid Nr. 88/2016 vom 2. Juni 2016, B.4.2) ist die Verpflichtung, eine theoretische und praktische Prüfung und eine ärztliche und psychologische Untersuchung zu bestehen im Hinblick auf die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis, nachdem durch ein Urteil die Fahrerlaubnis entzogen wurde, keine strafrechtliche Sanktion, sondern eine vorbeugende Sicherungsmaßnahme mit einem Ziel des Allgemeininteresses. Durch diese Prüfungen und Untersuchungen kann nämlich festgestellt werden, ob der medizinische und psychologische Zustand gefährlicher Fahrer den gesetzlichen Mindestnormen entspricht, die erforderlich sind, um in aller Sicherheit ein Fahrzeug zu führen, damit die Gefahr von Wiederholungstaten verringert und die Verkehrssicherheit gewährleistet wird. Die Behörden machen nämlich die Erteilung der Fahrerlaubnis vom Bestehen von Prüfungen und Untersuchungen abhängig. Diese Maßnahme ist Bestandteil der Kontrolle der Verkehrssicherheit, wobei die Teilnahme am Verkehr mit einem Motorfahrzeug den Personen vorbehalten wird, die ihre Kenntnis der Verkehrsregeln und ihre Fahrtüchtigkeit bewiesen haben und die somit ausreichend imstande sind, sich sicher im Verkehr zu bewegen.
B.6.6. Die Verpflichtung, eine theoretische und praktische Prüfung und eine ärztliche und psychologische Untersuchung zu bestehen, um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen, nachdem diese Fahrerlaubnis durch ein Urteil entzogen wurde, bezweckt also nicht, Fahrer, die Wiederholungstäter sind, zu bestrafen, sondern die Gesellschaft vor verantwortungslosem Verhalten im Verkehr zu schützen. Die Maßnahme, durch die man sich vergewissern möchte, dass eine Person die erforderlichen Fähigkeiten und Eignungen besitzt, um auf öffentlicher Straße zu fahren, steht im Verhältnis zum angestrebten Ziel und kann nicht nur wegen ihrer Strenge als eine Strafmaßnahme betrachtet werden. Sie setzt also keine Entscheidung über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention voraus und stellt keine Strafe im Sinne von Artikel 15 Absatz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte dar.
B.7. Die Vorabentscheidungsfrage ist also verneinend zu beantworten.
Aus diesen Gründen:
Der Gerichtshof
erkennt für Recht:
Artikel 38 § 6 des am 16. März 1968 koordinierten Gesetzes über die Straßenverkehrspolizei, eingefügt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. März 2014, verstößt nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und mit Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Erlassen in französischer und niederländischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 22. Dezember 2016.
Der Kanzler,
(gez.) F. Meersschaut
Der Präsident,
(gez.) J. Spreutels