Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 23 Oktober 2014 (België). RG 154/2014

Datum :
23-10-2014
Taal :
Duits Frans Nederlands
Grootte :
5 pagina's
Sectie :
Rechtspraak
Bron :
Justel D-20141023-1
Rolnummer :
154/2014

Samenvatting :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 über den Solidaritätspakt zwischen den Generationen, vor seiner Abänderung durch Artikel 113 des Programmgesetzes (I) vom 29. März 2012, verstößt gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern der darin festgelegte finanzielle Sanktionsmechanismus auch auf einen Arbeitgeber anwendbar ist, der zu einem Sektor gehört, für den es kein gültiges kollektives Arbeitsabkommen in Bezug auf zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung gibt, und der individuell ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat.

Arrest :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten A. Alen und J. Spreutels, und den Richtern J.-P. Snappe, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten A. Alen,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen und Verfahren

In seinem Entscheid Nr. 225.574 vom 22. November 2013 in Sachen der VoG « Federauto » und anderer und in Sachen der VoG « Nationale Federatie der Unies van de Middenstand » gegen den belgischen Staat - intervenierende Partei in den beiden Sachen: die VoG « Landelijke Vereniging van de meesters elektriciens van België » -, dessen Ausfertigung am 2. Dezember 2013 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Staatsrat folgende Vorabentscheidungsfragen gestellt:

1. « Verstößt Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 'über den Solidaritätspakt zwischen den Generationen', ersetzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 17. Mai 2007 'zur Ausführung des überberuflichen Abkommens für den Zeitraum 2007-2008 ' und abgeändert durch das Gesetz vom 22. Dezember 2008 'zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (I)', gegen den in den Artikeln 10 und 11 der Verfassung verankerten Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, insofern zwischen den Arbeitgebern, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes vom 5. Dezember 1968 ' über die kollektiven Arbeitsabkommen und die paritätischen Kommissionen 'fallen, je nachdem unterschieden wird, ob sie zu einem Sektor gehören, der zureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, oder aber zu einem Sektor, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, wobei die Verpflichtungen, zureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung zu unternehmen, den Sektoren auferlegt werden, die Sanktionierung infolge des Unternehmens unzureichender Anstrengungen in Sachen Ausbildung aber in das individuelle Niveau der Arbeitgeber eingreift, so dass es möglich ist, dass ein individueller Arbeitgeber, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, aber zu einem Sektor gehört, der zureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, keinen Beitrag für die Finanzierung des bezahlten Bildungsurlaubs zu entrichten hat, während ein Arbeitgeber, der zu einem Sektor gehört, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, zur Entrichtung eines Beitrags für die Finanzierung des bezahlten Bildungsurlaubs verpflichtet ist, obwohl er auf individueller Ebene zureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat? »;

2. « Verstößt Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 'über den Solidaritätspakt zwischen den Generationen', ersetzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 17. Mai 2007 'zur Ausführung des überberuflichen Abkommens für den Zeitraum 2007-2008 ' und abgeändert durch das Gesetz vom 22. Dezember 2008 'zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (I)', gegen den in den Artikeln 10 und 11 der Verfassung verankerten Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung,

- insofern er den Arbeitgeber, der zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat, und den Arbeitgeber, der zu demselben Sektor gehört, aber keine zusätzlichen Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat, gleich behandelt, indem er allen Arbeitgebern, die in den Anwendungsbereich des vorerwähnten Gesetzes vom 5. Dezember 1968 fallen und zu einem Sektor gehören, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat, einen erhöhten Arbeitgeberbeitrag für die Finanzierung des bezahlten Bildungsurlaubs auferlegt;

- insofern er den Arbeitgeber, der zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat, und den Arbeitgeber, der zu demselben Sektor gehört, aber keine zusätzlichen Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat, gleich behandelt, indem er allen Arbeitgebern, die in den Anwendungsbereich des vorerwähnten Gesetzes vom 5. Dezember 1968 fallen und zu einem Sektor gehören, der zureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat, keinen erhöhten Arbeitgeberbeitrag für die Finanzierung des bezahlten Bildungsurlaubs auferlegt? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1. Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 über den Solidaritätspakt zwischen den Generationen, ersetzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 17. Mai 2007 zur Ausführung des überberuflichen Abkommens für den Zeitraum 2007-2008 und abgeändert durch Artikel 202 des Gesetzes vom 22. Dezember 2008 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (I), vor seiner Abänderung durch Artikel 113 des Programmgesetzes (I) vom 29. März 2012, bestimmte:

« § 1. Wenn die globalen Anstrengungen in Sachen Ausbildung aller Arbeitgeber, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes vom 5. Dezember 1968 über die kollektiven Arbeitsabkommen und die paritätischen Kommissionen fallen, zusammen nicht mindestens 1,9 Prozent der gesamten Lohnsumme dieser Unternehmen ausmachen, kann der König durch einen im Ministerrat beratenen Erlass und gemäß den von Ihm bestimmten Bedingungen und Modalitäten für Unternehmen aus Sektoren, die unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehmen, den Arbeitgeberbeitrag für die Finanzierung des bezahlten Bildungsurlaubs um 0,05 Prozent erhöhen.

§ 2. Unter dem in § 1 erwähnten Begriff 'Sektor' ist die Gesamtheit der Arbeitgeber zu verstehen, die einer aufgrund des Gesetzes vom 5. Dezember 1968 über die kollektiven Arbeitsabkommen und die paritätischen Kommissionen eingerichteten paritätischen Kommission beziehungsweise Unterkommission unterstehen.

Für die Anwendung von § 1 wird als 'Sektor, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt,' ein Sektor betrachtet, für den es in dem Jahr, auf das sich die Bewertung der globalen Anstrengungen von 1,9 Prozent, so wie in § 3 erwähnt, bezieht, kein gültiges kollektives Arbeitsabkommen in Bezug auf zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung gibt, durch das diese Anstrengungen jedes Jahr um mindestens 0,1 Prozentpunkte erhöht werden oder in dem eine jährliche Zunahme der Quote für die Teilnahme an Ausbildungen um mindestens 5 Prozentpunkte vorgesehen ist. Der König bestimmt durch einen im Ministerrat beratenen Erlass die Bedingungen, die das kollektive Arbeitsabkommen in Bezug auf zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung erfüllen muss, damit von einer ausreichenden Verstärkung der Anstrengungen die Rede sein kann; dabei werden insbesondere eine eventuelle Anpassung der Beiträge zugunsten des sektoriellen Ausbildungsfonds, die Gewährung von Ausbildungszeit pro Arbeitnehmer (individuell oder kollektiv), ein Ausbildungsangebot beziehungsweise die Nutzung eines Ausbildungsangebots außerhalb der Arbeitszeiten und die Planung kollektiver Ausbildungen durch den Betriebsrat berücksichtigt.

§ 2bis. Hat ein Sektor kein kollektives Arbeitsabkommen hinterlegt, in dem für 2008 zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung vorgesehen sind, kann er für das Jahr 2008 ausnahmsweise nicht als 'Sektor, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt', wie im vorangehenden Absatz erwähnt, betrachtet werden, wenn dieser Sektor in dem/den für 2009 und/oder 2010 hinterlegten kollektiven Arbeitsabkommen neben der in § 2 erwähnten Verstärkung der Anstrengungen in Sachen Ausbildung sowohl für 2009 als auch für 2010 zusätzliche Anstrengungen, wie in § 2 bestimmt, vorsieht.

§ 3. Ob die in § 1 erwähnten globalen Anstrengungen in Sachen Ausbildung aller Arbeitgeber zusammen mindestens 1,9 Prozent der gesamten Lohnsumme dieser Unternehmen ausmachen oder nicht, wird auf der Grundlage des in Artikel 5 des Gesetzes vom 26. Juli 1996 über die Beschäftigungsförderung und die vorbeugende Sicherung der Konkurrenzfähigkeit erwähnten Fachberichts des Zentralen Wirtschaftsrates bewertet. Der vorerwähnte Bericht bezieht sich auf die globalen Anstrengungen in Sachen Ausbildung des Jahres vor dem Jahr, in dem dieser Bericht vorgelegt wird.

Was die Jahre betrifft, in denen die in den Stellungnahmen Nr. 1536 und 1573 des Nationalen Arbeitsrates erwähnten neuen Sozialbilanzen Anwendung finden, stützt sich oben genannter Bericht auf diese Sozialbilanzen.

Wenn die Sozialpartner im Rahmen des überberuflichen Abkommens eine Stellungnahme abgeben, in der sie der Ansicht sind, dass eine zusätzliche Analyse erforderlich ist, weil der Unterschied zwischen den globalen Anstrengungen, die auf der Grundlage des in Absatz 1 erwähnten Fachberichts ermittelt worden sind, einerseits und den zu erzielenden 1,9 Prozent der Lohnsumme andererseits gering ist, erfolgt die Bewertung auf der Grundlage einer zusätzlichen Bestätigung der Daten in Bezug auf die Ausbildung durch die Nationalbank. Diese zusätzliche Bestätigung muss spätestens im Laufe des dritten Quartals des Jahres nach dem Jahr, in dem der Bericht vorgelegt worden ist, erfolgen.

§ 4. Für die Anwendung von § 1 kann der Prozentsatz von 1,9 frühestens zum 1. Januar 2007 durch einen höheren Prozentsatz ersetzt werden, den der König nach Stellungnahme des Nationalen Arbeitsrates und des Zentralen Wirtschaftsrates bestimmt, wobei dieser Prozentsatz den im Vorjahr anwendbaren Prozentsatz um nicht mehr als 0,2 Prozentpunkte überschreiten darf ».

B.2.1. Die erste Vorabentscheidungsfrage bezieht sich auf die Vereinbarkeit der fraglichen Bestimmung mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung, insofern Arbeitgeber unterschiedlich behandelt würden, je nachdem, ob sie zu einem Sektor, der ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehme, gehörten oder nicht. Die Verpflichtung, ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung zu unternehmen, werde dem Sektor auferlegt, doch das Auferlegen einer Sanktion infolge des Erbringens unzureichender Anstrengungen in Sachen Ausbildung erfolge auf individueller Ebene der Arbeitgeber. Folglich sei es möglich, dass ein individueller Arbeitgeber, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehme, jedoch zu einem Sektor gehöre, der ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehme, keinen erhöhten Beitrag für bezahlten Bildungsurlaub zahlen müsse, während ein Arbeitgeber, der einem Sektor angehöre, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehme, diesen erhöhten Beitrag wohl zahlen müsse, obwohl er auf individueller Ebene ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehme.

Die zweite Vorabentscheidungsfrage bezieht sich auf die Vereinbarkeit der fraglichen Bestimmung mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung, insofern ein Arbeitgeber, der zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen habe, und ein Arbeitgeber, der dem gleichen Sektor angehöre, aber keine zusätzlichen Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen habe, auf dieselbe Weise behandelt würden, so dass einerseits beide Kategorien von Arbeitgebern, die zu einem Sektor gehörten, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen habe, einen erhöhten Arbeitgeberbeitrag zahlen müssten, und andererseits beide Kategorien von Arbeitgebern, die zu einem Sektor gehörten, der ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen habe, keinen erhöhten Arbeitgeberbeitrag zahlen müssten.

B.2.2. Der Gerichtshof prüft die beiden Vorabentscheidungsfragen zusammen.

B.3. In den Vorarbeiten zu Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 heißt es:

« [Kapitel 4 ('Verstärkung der Anstrengungen in Sachen Ausbildung')] bezweckt, wenn die spontane Erhöhung der in Sachen Ausbildung unternommenen Anstrengungen aller Arbeitgeber aus dem Privatsektor zusammen ein unzureichendes Ergebnis erbringen, die Sektoren, die nicht ausreichend in die Ausbildung investieren, einen erhöhten Arbeitgeberbeitrag zur Finanzierung des Bildungsurlaubs zahlen zu lassen.

Sobald die vereinfachte Sozialbilanz eingeführt ist, werden mit dem durch den Nationalen Arbeitsrat entwickelten Messinstrument die globalen belgischen Anstrengungen in Sachen Ausbildung verfolgt werden können. Jedes Jahr wird der Nationale Arbeitsrat auf der Grundlage des neuen Messinstrumentes prüfen, ob das Ausbildungsziel (heute 1,9 % ) erreicht wird. Wenn dies nicht der Fall ist, werden anlässlich der zweijährlichen sektoriellen Konzertierung in jedem Sektor konkrete Maßnahmen entwickelt, um entweder die Anstrengung jährlich um 0,1 % zu erhöhen, oder eine Zunahme des Beteiligungsgrads um 5 %, das Doppelte des vorgeschlagenen Wachstumsrhythmus, zu erhöhen. Alle Sektoren werden diese Anstrengung fortsetzen, solange das allgemeine Ziel von 1,9 % nicht erreicht ist. Um dies zu ermöglichen, vereinbaren die Sozialpartner des Sektors Maßnahmen, die aus folgender Auswahl gewählt werden:

- Anpassung der Beiträge für den sektoriellen Ausbildungsfonds;

- Gewährung von Ausbildungszeit pro Arbeitnehmer (kollektiv oder individuell);

- das Anbieten und das Annehmen eines Ausbildungsangebots außerhalb der Arbeitszeiten;

- kollektive Ausbildung über den Betriebsrat.

Unternehmen, die zu Sektoren ohne Abkommen gehören, werden einen Sonderbeitrag von 0,05 % zur Finanzierung des bezahlten Bildungsurlaubs zahlen.

Dem König wird die Möglichkeit geboten, frühestens ab 2007 diesen global zu erreichenden Prozentsatz der Lohnmasse zu erhöhen. Diese Befugnis ist an eine vorherige Stellungnahme des Nationalen Arbeitsrates gebunden, und außerdem kann die Erhöhung dieses Prozentsatzes gegenüber dem Vorjahr nie mehr betragen als 0,2 Prozentpunkte » (Parl. Dok., Kammer, 2005-2006, DOC 51-2128/001, S. 24).

B.4. Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 verbindet mit der Verpflichtung der Sektoren, die Anstrengungen in Sachen Ausbildung zu erhöhen, einen finanziellen Sanktionsmechanismus, der es ermöglicht, den Arbeitgeberbeitrag zur Finanzierung des Bildungsurlaubs um 0,05 Prozent zu erhöhen für die Unternehmen, die zu Sektoren gehören, die unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehmen, wenn festgestellt wird, dass die globalen Anstrengungen in Sachen Ausbildung von mindestens 1,9 Prozent der gesamten Lohnmasse dieser Unternehmen nicht erreicht werden.

Dazu ist in der fraglichen Bestimmung ein Mechanismus vorgesehen, der aus zwei Phasen besteht.

Zunächst wird auf der Grundlage des technischen Berichts des Zentralen Wirtschaftsrates beurteilt, ob die globalen Anstrengungen in Sachen Ausbildung von 1,9 Prozent der Lohnmasse der Unternehmen erreicht werden. Ist dies der Fall, so wird der finanzielle Sanktionsmechanismus nicht angewandt.

Wird das angestrebte Ziel von 1,9 Prozent nicht erreicht, so wird anschließend den Unternehmen, die zu Sektoren gehören, die unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehmen, eine Erhöhung des Arbeitgeberbeitrags von 0,05 Prozent auferlegt zur Finanzierung des Bildungsurlaubs.

Als ein Sektor, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung erzielt, gilt der Sektor, « für den es in dem Jahr, auf das sich die Bewertung der globalen Anstrengungen von 1,9 Prozent [...] bezieht, kein gültiges kollektives Arbeitsabkommen in Bezug auf zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung gibt, durch das diese Anstrengungen jedes Jahr um mindestens 0,1 Prozentpunkte erhöht werden oder in dem eine jährliche Zunahme der Quote für die Teilnahme an Ausbildungen um mindestens 5 Prozentpunkte vorgesehen ist » (Artikel 30 § 2 Absatz 2).

B.5. Es obliegt dem Gesetzgeber, darüber zu urteilen, inwiefern es sachdienlich ist, im Rahmen seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik Maßnahmen zu ergreifen im Hinblick auf die Erhöhung der Anstrengungen in Sachen Ausbildung durch die Arbeitgeber. Er verfügt diesbezüglich über eine breite Ermessensbefugnis. Dies ist umso mehr der Fall, wenn die betroffene Regelung Gegenstand einer sozialen Konzertierung war.

B.6. Mit der fraglichen Maßnahme wird ein legitimes Ziel angestrebt, nämlich die globalen Anstrengungen in Sachen Ausbildung um 1,9 Prozent der gesamten Lohnmasse der Unternehmen zu erhöhen.

B.7. Um dieses Ziel zu erreichen, darf der Gesetzgeber sich statt für einen Ansatz nach individuellen Arbeitgebern für einen Ansatz pro Sektor entscheiden, der es ermöglicht, die Sektoren insgesamt zu mobilisieren, unter Berücksichtigung der jeweiligen Merkmale eines jeden Sektors. Somit können die Sozialpartner bei der Ausarbeitung der Erhöhung der globalen Anstrengungen in Sachen Ausbildung einbezogen werden, indem die Sektoren sowie ihre paritätischen Kommissionen und ihre paritätischen Unterkommissionen zur Verantwortung gezogen werden. Der Abschluss von diesbezüglichen sektoriellen kollektiven Arbeitsabkommen, die durch königlichen Erlass für verbindlich erklärt werden, erlaubt es im Übrigen, einen Behandlungsunterschied zwischen den Arbeitgebern eines Sektors zu vermeiden, da die darin eingegangenen Verpflichtungen für alle Arbeitgeber dieses Sektors auf gleiche Weise festgelegt werden.

B.8.1. Wenn jedoch der finanzielle Sanktionsmechanismus, der in der fraglichen Maßnahme vorgesehen ist, bestimmte Kategorien von Arbeitgebern und andere Kategorien nicht betrifft oder wenn die gleiche Regelung auf Kategorien von Arbeitgebern angewandt wird, die sich in wesentlich unterschiedlichen Situationen befinden, muss der Gerichtshof prüfen, ob die fraglichen Bestimmungen im Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen und ob sie keine unverhältnismäßigen Folgen in Bezug auf die eine oder die andere dieser Kategorien von Arbeitgebern haben.

B.8.2. Die fragliche Maßnahme führt einen Behandlungsunterschied ein zwischen Arbeitgebern, je nachdem, ob sie zu einem Sektor, der ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, gehören oder nicht. Die Verpflichtung, ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung zu unternehmen, und der finanzielle Sanktionsmechanismus in dem Fall, dass unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen werden, werden dem Sektor auferlegt. Folglich ist es möglich, dass ein individueller Arbeitgeber, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, jedoch einem Sektor angehört, der ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, keinen erhöhten Beitrag für bezahlten Bildungsurlaub zahlen muss, während ein Arbeitgeber, der einem Sektor angehört, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, diesen erhöhten Beitrag wohl zahlen muss, obwohl er auf individueller Ebene ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt.

Anders betrachtet sieht die fragliche Maßnahme die Gleichbehandlung eines Arbeitgebers, der individuell ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, und eines Arbeitgebers, der zum selben Sektor gehört und individuell unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, vor. Folglich müssen beide Kategorien von Arbeitgebern, die zu einem Sektor gehören, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, einen erhöhten Arbeitgeberbeitrag zahlen, während beide Kategorien von Arbeitgebern, die zu einem Sektor gehören, der ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt, keinen erhöhten Arbeitgeberbeitrag schulden.

B.8.3. Die fragliche Maßnahme hat unverhältnismäßige finanzielle Folgen in Bezug auf Arbeitgeber, die, obwohl sie auf individueller Ebene ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternehmen, dennoch einen erhöhten Arbeitgeberbeitrag zahlen müssen aus dem alleinigen Grund, dass sie einem Sektor angehören, der unzureichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternimmt.

Folglich ist der finanzielle Sanktionsmechanismus, der in Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 in der Fassung, die auf das Ausgangsverfahren Anwendung findet, vorgesehen ist, nicht vereinbar mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung.

B.9. Aus diesen Gründen: Die Vorabentscheidungsfragen sind bejahend zu beantworten.

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

Artikel 30 des Gesetzes vom 23. Dezember 2005 über den Solidaritätspakt zwischen den Generationen, vor seiner Abänderung durch Artikel 113 des Programmgesetzes (I) vom 29. März 2012, verstößt gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern der darin festgelegte finanzielle Sanktionsmechanismus auch auf einen Arbeitgeber anwendbar ist, der zu einem Sektor gehört, für den es kein gültiges kollektives Arbeitsabkommen in Bezug auf zusätzliche Anstrengungen in Sachen Ausbildung gibt, und der individuell ausreichende Anstrengungen in Sachen Ausbildung unternommen hat.

Erlassen in niederländischer und französischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 23. Oktober 2014.

Der Kanzler,

(gez.) F. Meersschaut

Der Präsident,

(gez.) A. Alen