Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 28 Oktober 2010 (België). RG 120/2010
- Sectie :
- Rechtspraak
- Bron :
- Justel D-20101028-2
- Rolnummer :
- 120/2010
Samenvatting :
Der Hof erkennt für Recht: Artikel 116 § 5 Absatz 2 in fine des Wallonischen Gesetzbuches über die Raumordnung, den Städtebau und das Erbe verstößt nicht gegen die Artikel 10 und 11 in Verbindung mit Artikel 23 Absatz 3 Nr. 4 der Verfassung.
Arrest :
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Vorsitzenden M. Melchior und M. Bossuyt, und den Richtern R. Henneuse, E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe und P. Nihoul, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Melchior,
verkündet nach Beratung folgendes Urteil:
I. Gegenstand der präjudiziellen Frage und Verfahren
In seinem Urteil Nr. 199.059 vom 18. Dezember 2009 in Sachen Jean-Marie Dullier gegen die Stadt Nivelles und die Wallonische Region - intervenierende Partei: Thierry Deboelpaep -, dessen Ausfertigung am 28. Dezember 2009 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat der Staatsrat folgende präjudizielle Frage gestellt:
« Verstösst Artikel 116 des Wallonischen Gesetzbuches über die Raumordnung, den Städtebau und das Erbe (WGBRSE) gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit deren Artikel 23 Absatz 3 Nr. 4, indem er eine Regelung der stillschweigenden Entscheidung über Abweichungen vorsieht, die in Ausführung der Artikel 112 und 114 des WGBRSE gewährt werden können, insofern der rechtsuchende Dritte, der ein Interesse an der Nichtigerklärung hat, je nach dem Verhalten des beauftragten Beamten entweder mit dem Fall konfrontiert wird, in dem der beauftragte Beamte ausdrücklich eine Abweichung gewährt mittels einer Entscheidung, die vom Staatsrat geprüft werden kann, oder - wie in casu - mit dem Fall, in dem der beauftragte Beamte die Frist nach Artikel 116 des WGBRSE verstreichen lässt, wobei dieser Dritte einer stillschweigenden Entscheidung zur Gewährung der Abweichung gegenübersteht, bei der jede richterliche Prüfung unmöglich ist? ».
(...)
III. In rechtlicher Beziehung
(...)
B.1. Artikel 116 § 5 des Wallonischen Gesetzbuches über die Raumordnung, den Städtebau und das Erbe (WGBRSE), eingefügt durch Artikel 1 des Dekrets vom 27. November 1997 « zur Abänderung des Wallonischen Gesetzbuches über die Raumordnung, den Städtebau und das Erbe », bestimmte vor seiner Abänderung durch Artikel 101 des Dekrets vom 30. April 2009 « zur Abänderung des Wallonischen Gesetzbuches über die Raumordnung, den Städtebau und das Erbe, des Dekrets vom 11. März 1999 über die Umweltgenehmigung und des Dekrets vom 11. März 2004 über die Infrastrukturen zur Ansiedlung von wirtschaftlichen Aktivitäten »:
« Wenn das Bürgermeister- und Schöffenkollegium die Entscheidung des beauftragten Beamten hinsichtlich der in Artikel 114 genannten Abweichung oder des in § 4 genannten Gutachtens beantragt, unterrichtet es gleichzeitig den Antragsteller per bei der Post aufgegebenes Einschreiben.
Der beauftragte Beamte übermittelt seine Entscheidung über den Abweichungsantrag oder sein Gutachten innerhalb von fünfunddreissig Tagen nach Anfrage des Bürgermeister- und Schöffenkollegiums; nach dieser Frist gilt die Entscheidung oder das Gutachten als günstig ».
B.2. Aus dem Sachverhalt der dem vorlegenden Richter unterbreiteten Rechtssache und aus der Begründung der Verweisungsentscheidung geht hervor, dass der Hof gebeten wird, über die Vereinbarkeit von Artikel 116 § 5 Absatz 2 in fine des WGBRSE mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit deren Artikel 23 Absatz 3 Nr. 4 zu urteilen, insofern die fragliche Bestimmung einen Behandlungsunterschied einführe zwischen zwei Kategorien von Personen, die durch Einreichen einer Nichtigkeitsklage beim Staatsrat gegen eine Entscheidung des Gemeindekollegiums zur Erteilung einer vom Sektorenplan abweichenden Städtebaugenehmigung in Anwendung von Artikel 112 des WGBRSE die Rechtmässigkeit der vom Sektorenplan abweichenden Entscheidung des beauftragten Beamten hinsichtlich der Artikel 112 und 114 des WGBRSE anfechten: einerseits den Personen, die mit einer ausdrücklichen Entscheidung des beauftragten Beamten, die innerhalb von fünfunddreissig Tagen nach dem Abweichungsantrag des Gemeindekollegiums zugesandt worden sei, konfrontiert seien, und andererseits denjenigen, die mit einer als befürwortend geltenden Entscheidung konfrontiert seien, weil der beauftragte Beamten innerhalb dieser Frist keine Entscheidung zugesandt habe.
Die fragliche Bestimmung entziehe den Personen der zweiten Kategorie das Recht, durch die Verwaltungsstreitsachenabteilung des Staatsrates die Rechtmässigkeit der abweichenden Entscheidung in Bezug auf die Artikel 112 und 114 des WGBRSE prüfen zu lassen.
B.3. Die Artikel 112 und 114 des WGBRSE sind Bestandteil von Abschnitt 2 (« Abweichungen ») von Kapitel III (« Genehmigungsanträge, Entscheidungen und Einsprüche ») von Titel V (« Städtebaugenehmigungen und -bescheinigungen ») von Buch I (« Grundlegende Bestimmungen zur Organisation der Raumordnung und des Städtebaus ») dieses Gesetzbuches.
Artikel 112 des WGBRSE, ersetzt durch Artikel 49 des Dekrets vom 18. Juli 2002 « zur Abänderung des Wallonischen Gesetzbuches über die Raumordnung, den Städtebau und das Erbe » und anschliessend abgeändert durch Artikel 74 des Programmdekrets vom 3. Februar 2005 « zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur administrativen Vereinfachung », bestimmt:
« Mit Ausnahme der Natur-, Parkgebiete und der Umkreise mit bemerkenswertem Ausblick kann eine Städtebaugenehmigung in einem Gebiet des Sektorenplans, das mit dem Gegenstand des Antrags nicht vereinbar ist, erteilt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
1° das Gelände befindet sich zwischen zwei Wohnhäusern, die vor dem Inkrafttreten des Sektorenplans gebaut wurden und die höchstens 100 Meter voneinander entfernt sind;
2° dieses Gelände und diese Wohnhäuser befinden sich direkt am Wegenetz und auf derselben Seite einer öffentlichen Strasse, die unter Berücksichtigung der Ortslage eine ausreichende Strom-, Wasserversorgung und Entwässerungsausrüstung, einen festen Belag und eine ausreichende Breite hat;
3° die Bauten, Umbauten, Vergrösserungen und Wiederaufbauten fügen sich in den bebauten oder unbebauten Standort gut ein und beeinträchtigen die Raumgestaltung des Gebiets nicht.
Es darf jedoch keine Genehmigung erteilt werden, wenn sich die Gelände direkt an öffentlichen Strassen befinden, die aus mindestens vier Fahrspuren bestehen ».
Artikel 114 des WGBRSE, der durch Artikel 1 des Dekrets vom 27. November 1997 eingefügt wurde, bestimmte nach seiner Abänderung durch Artikel 75 des Programmdekrets vom 3. Februar 2005 und vor seiner Ersetzung durch Artikel 71 des Dekrets vom 30. April 2009:
« Für jeden Genehmigungsantrag, der die Anwendung der Bestimmungen des vorliegenden Abschnittes zur Folge hat, kann die Regierung oder der beauftragte Beamte ausnahmsweise Abweichungen bewilligen, insofern der Antrag vorab den besonderen, durch die Regierung festgelegten Bekanntmachungsmassnahmen sowie der in Artikel 4, Absatz 1, 3° erwähnten Konsultierung unterworfen wird ».
B.4. Die in Artikel 116 § 5 des WGBRSE erwähnte Entscheidung des beauftragten Beamten, mit der eine Abweichung vom Sektorenplan gewährt wird, erfolgt unter anderem im Rahmen der Untersuchung eines Antrags auf Städtebaugenehmigung, und nach Abschluss dieses Verfahrens beschliesst das Gemeindekollegium, diese Genehmigung zu erteilen oder zu verweigern.
Wenn die Verwaltungsstreitsachenabteilung des Staatsrates mit einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung des Gemeindekollegiums zur Erteilung einer solchen Genehmigung befasst wird, kann sie gebeten werden, die Rechtmässigkeit der vorerwähnten Entscheidung des beauftragten Beamten zu prüfen, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit den Artikeln 112 und 114 des WGBRSE.
Der Umstand, dass diese Entscheidung des beauftragten Beamten in Anwendung der fraglichen Bestimmung als befürwortend gilt, befreit das Gemeindekollegium nicht davon, diese Genehmigung ausdrücklich zu begründen in Anwendung des Gesetzes vom 29. Juli 1991 « über die ausdrückliche Begründung der Verwaltungsakte » und hindert den Staatsrat nicht daran, auf der Grundlage dieser ausdrücklichen Begründung sowie der Verwaltungsakte und unter Berücksichtigung der etwaigen Anmerkungen der Parteien zu prüfen, ob diese Entscheidung den in den Artikeln 112 und 114 des WGBRSE festgelegten Bedingungen entspricht, damit die Städtebaugenehmigung vom Sektorenplan abweicht.
B.5. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.
Aus diesen Gründen:
Der Hof
erkennt für Recht:
Artikel 116 § 5 Absatz 2 in fine des Wallonischen Gesetzbuches über die Raumordnung, den Städtebau und das Erbe verstösst nicht gegen die Artikel 10 und 11 in Verbindung mit Artikel 23 Absatz 3 Nr. 4 der Verfassung.
Verkündet in französischer und niederländischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 28. Oktober 2010.
Der Kanzler,
P.-Y. Dutilleux.
Der Vorsitzende,
M. Melchior.