Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 7 März 2013 (België). RG 34/2013
- Sectie :
- Rechtspraak
- Bron :
- Justel D-20130307-7
- Rolnummer :
- 34/2013
Samenvatting :
Der Gerichtshof erkennt für Recht: Solange Artikel 17 des Gesetzes vom 11. April 1995 zur Einführung der « Charta » der Sozialversicherten unverändert bleibt, verstößt Artikel 7 § 13 Absätze 2 und 5 des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, indem er keine spezifische Verjährungsfrist für die Rückforderung von Beträgen vorsieht, die infolge eines Fehlers der Auszahlungseinrichtung ausgezahlt wurden, den der Betreffende normalerweise nicht erkennen konnte.
Arrest :
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Präsidenten M. Bossuyt und R. Henneuse, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul und F. Daoût, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten M. Bossuyt,
verkündet nach Beratung folgenden Entscheid:
I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren
In seinem Entscheid vom 19. April 2012 in Sachen Rita Steegen gegen das Landesamt für Arbeitsbeschaffung, dessen Ausfertigung am 23. April 2012 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Arbeitsgerichtshof Antwerpen eine Vorabentscheidungsfrage gestellt, die durch Anordnung des Gerichtshofes vom 10. Mai 2012 wie folgt umformuliert wurde:
« Verstösst Artikel 7 § 13 Absätze 2 und 5 des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er für die Klagen auf Rückerstattung der unrechtmässig gezahlten Laufbahnunterbrechungszulagen nur eine Verjährungsfrist von drei Jahren und bei Betrug oder arglistiger Täuschung von fünf Jahren vorsieht, jedoch keine Verjährungsfrist von sechs Monaten, wenn die unrechtmässige Zahlung lediglich auf einen Fehler der Einrichtung oder des Dienstes zurückzuführen ist, den der Betreffende normalerweise nicht erkennen konnte, während die letztgenannte Verjährungsfrist wohl in gewissen anderen Zweigen der sozialen Sicherheit besteht? ».
(...)
III. Rechtliche Würdigung
(...)
B.1. Die Vorabentscheidungsfrage bezieht sich auf die Absätze 2 und 5 von Artikel 7 § 13 des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer, die jeweils bestimmen:
« Das Recht des Landesamts für Arbeitsbeschaffung, die Rückforderung unrechtmässig gezahlten Arbeitslosengeldes anzuordnen, und die Klagen der Auszahlungseinrichtungen auf Rückforderung unrechtmässig gezahlten Arbeitslosengeldes verjähren in drei Jahren. Diese Frist wird auf fünf Jahre angehoben, wenn die unrechtmässige Zahlung die Folge von Betrug oder arglistiger Täuschung seitens des Arbeitslosen ist ».
« Für die Anwendung des vorliegenden Paragraphen werden die in § 1 Absatz 3 Buchstabe j), l), n) und q) vorgesehenen Entschädigungen Arbeitslosengeld gleichgesetzt ».
B.2.1. Der vorerwähnte Absatz 2 von Artikel 7 § 13 wurde durch Artikel 112 des Programmgesetzes vom 30. Dezember 1988 eingefügt.
In den Vorarbeiten wurde dieser Artikel 112 wie folgt begründet:
« Mit diesem Artikel wird eine Frist von drei Jahren festgelegt für die Verjährung der Klagen auf Zahlung von Arbeitslosengeld anstelle der bisherigen Frist von fünf Jahren im allgemeinen Recht, und er entspricht somit der Praxis, die in den anderen Sektoren der sozialen Sicherheit gilt (Absatz 1).
Eine Frist von derselben Dauer wird für das Landesamt für Arbeitsbeschaffung festgelegt, um die Rückforderung unrechtmässig gezahlten Arbeitslosengeldes anzuordnen, sowie für die Auszahlungseinrichtungen, damit sie ihre Klagen auf Rückforderung unrechtmässig gezahlten Arbeitslosengeldes einreichen können; diese Frist wird im Falle von arglistiger Täuschung oder Betrug seitens des Arbeitslosen auf fünf Jahre festgesetzt (Absatz 2). Diese Bestimmungen entsprechen denjenigen des Gesetzes vom 11. März 1977. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass in Artikel 210 des königlichen Erlasses vom 20. Dezember 1963 über die Arbeitsbeschaffung und die Arbeitslosigkeit festgelegt ist, dass in dem Fall, wo feststeht, dass der Arbeitslose gutgläubig Arbeitslosengeld erhalten hat, auf das er keinen Anspruch hatte, die Rückforderung auf die letzten hundertfünfzig Tage der unrechtmässigen Zahlung begrenzt wird » (Parl. Dok., Kammer, 1988-1989, Nr. 609/1, S. 55).
B.2.2. Der vorerwähnte Absatz 5 von Artikel 7 § 13 wurde durch Artikel 173 des Programmgesetzes vom 27. Dezember 2004 abgeändert. Somit wurden die Verjährungsfristen, die in den Bestimmungen über die Arbeitslosigkeit für Klagen auf Rückforderung unrechtmässig gezahlten Arbeitslosengeldes gelten, ebenfalls auf Klagen auf Rückforderung unrechtmässig gezahlter Laufbahnunterbrechungszulagen für anwendbar erklärt.
Der Gesetzgeber bezweckte, durch diese Gesetzesänderung dem Entscheid Nr. 25/2003 vom 12. Februar 2003 Folge zu leisten, in dem der Gerichtshof für Recht erkannt hat, dass das Sanierungsgesetz vom 22. Januar 1985 zur Festlegung sozialer Bestimmungen gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstösst, insoweit es keine einzige Bestimmung bezüglich der Verjährungsfrist für die Klage auf Rückforderung der nichtgeschuldeten Laufbahnunterbrechungszulagen enthält.
Der Gerichtshof hat entschieden:
« B.4. Ungeachtet des spezifischen Charakters des Systems der Laufbahnunterbrechung unterscheiden sich die Zulagen, zu denen die Laufbahnunterbrechung berechtigt, nicht in dem Masse von den anderen Sozialleistungen, dass es gerechtfertigt wäre, auf die Rückforderung der nichtgeschuldeten Zulagen eine Verjährungsfrist von zehn Jahren anzuwenden, während für andere vergleichbare, rechtsgrundlos gezahlte Sozialleistungen die Verjährungsfrist, je nach den Fällen, sechs Monate, drei Jahre oder fünf Jahre beträgt ».
In den Vorarbeiten wurde dieser Artikel 173 des Programmgesetzes vom 27. Dezember 2004 wie folgt erläutert:
« Artikel 7 § 1 Absatz 3 des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer ist die gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Arbeitslosengeld (Buchstabe i)), jedoch gleichzeitig für die Gewährung von Zulagen im Fall von Laufbahnunterbrechungen und Zeitkredit (Buchstabe l)), Ausfallentschädigungen für Tagesväter und Tagesmütter (Buchstabe q)) und Entschädigungen für Grenzarbeiter (Buchstaben j) und n)). Der Schiedshof hat am 12. Februar 2003 einen Entscheid gefällt, in dem erklärt wird, dass das Sanierungsgesetz vom 22. Januar 1985 gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstösst, weil es keine einzige Verjährungsfrist bezüglich der Rückforderung unrechtmässig gezahlter Laufbahnunterbrechungszulagen (gewährt bei Laufbahnunterbrechung oder Zeitkredit) vorsieht. Der Gerichtshof ist nämlich der Auffassung, dass die Laufbahnunterbrechungszulage eine Sozialleistung ist, die mit anderen zu vergleichen ist, für die wohl Verjährungsfristen vorgesehen sind. Der vorliegende Entwurf entspricht diesem Entscheid, indem die Regeln, die für die Verjährung von zu zahlendem oder zurückzuforderndem Arbeitslosengeld auf Laufbahnunterbrechungszulagen für anwendbar erklärt werden. [...] Diese Regelung beinhaltet, dass die Klage auf Zahlung drei Jahre ab dem ersten Tag des Kalenderquartals nach demjenigen, auf das sich die Zulagen beziehen, verjährt. Das Recht des Landesamtes für Arbeitsbeschaffung, die Rückforderung unrechtmässig gezahlter Zulagen anzuordnen, und die Klagen der Auszahlungseinrichtungen auf Rückforderung unrechtmässig gezahlter Zulagen verjähren nach drei Jahren. Die letztgenannte Frist wird im Falle des Betrugs auf fünf Jahre verlängert » (Parl. Dok., Kammer, 2004-2005, DOC 51-1437/001 und 51-1438/001, SS. 106-107).
Artikel 7 § 13 Absatz 5, abgeändert durch das Programmgesetz vom 27. Dezember 2004, veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 31. Dezember 2004, ist am 10. Januar 2005 in Kraft getreten.
B.3. Der vorlegende Richter befragt den Gerichtshof zu dem Behandlungsunterschied, der sich aus den fraglichen Bestimmungen ergebe zwischen den Empfängern unrechtmässig gezahlter Leistungen der sozialen Sicherheit, insofern sie für Klagen auf Rückforderung unrechtmässig gezahlter Laufbahnunterbrechungszulagen nur eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorsähen, und bei Betrug oder arglistiger Täuschung von fünf Jahren, jedoch keine Verjährungsfrist von sechs Monaten, wenn die unrechtmässige Zahlung lediglich auf einen Fehler der Einrichtung oder des Dienstes zurückzuführen sei, den der Betreffende normalerweise nicht habe erkennen können, während die letztgenannte Verjährungsfrist wohl in gewissen anderen Zweigen der sozialen Sicherheit bestehe.
B.4.1. Indem eine kürzere Frist für die Klage auf Rückforderung unrechtmässig gezahlter Laufbahnunterbrechungszulagen festgelegt wird, begrenzen die fraglichen Bestimmungen den Zeitraum, in dem unrechtmässig gezahlte Leistungen zurückgefordert werden könnten, um eine Anhäufung von periodischen Schulden über einen zu langen Zeitraum, die den Sozialversicherten ruinieren könnte, zu vermeiden.
B.4.2. Diese Bestimmungen entsprechen somit dem Ziel, das mit dem nie in Kraft gesetzten Artikel 30 § 1 des Gesetzes vom 29. Juni 1981 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze der sozialen Sicherheit für Lohnempfänger angestrebt wurde; dieser bestimmt:
« Die Rückforderung der unrechtmässig gezahlten Sozialleistungen verjährt in drei Jahren ab dem Datum, an dem die Auszahlung getätigt worden ist.
Die in Absatz 1 vorgeschriebene Frist wird auf sechs Monate verkürzt, wenn die Zahlung lediglich auf einen Fehler der Einrichtung oder des Dienstes zurückzuführen ist, den der Betreffende normalerweise nicht erkennen konnte.
Die in Absatz 1 vorgeschriebene Frist wird auf fünf Jahre verlängert, wenn die unrechtmässige Zahlung im Falle von Betrug, arglistiger Täuschung oder betrügerischen Handlungen des Betreffenden getätigt worden ist ».
Diese Abweichung von den gemeinrechtlichen Fristen war gerechtfertigt durch den Umstand, dass die « besondere Beschaffenheit und der zunehmend technische Aspekt der Rechtsnormen, die unser System der sozialen Sicherheit regeln, eine besondere Regelung für den Sachbereich der Rückforderung unrechtmässig gezahlter Beträge hinsichtlich der Grundsätze des Zivilrechts erfordern » (Parl. Dok., Senat, 1979-1980, 508, Nr. 1, S. 25).
B.4.3. Die fraglichen Bestimmungen tragen zu demselben Bemühen bei, die Sozialversicherten zu schützen, indem eine kürzere Verjährungsfrist für die Rückforderung unrechtmässig gezahlter Summen vorgesehen wird. In diesen Bestimmungen wird jedoch nur eine Verjährungsfrist von drei Jahren oder, im Fall von arglistiger Täuschung oder Betrug, von fünf Jahren vorgesehen.
B.5. Artikel 17 des Gesetzes vom 11. April 1995 zur Einführung der « Charta » der Sozialversicherten, abgeändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 25. Juni 1997 zur Abänderung des Gesetzes vom 11. April 1995 zur Einführung der Charta der Sozialversicherten, bestimmt:
« Wird festgestellt, dass der Beschluss einen rechtlichen oder materiellen Irrtum aufweist, fasst die Einrichtung für soziale Sicherheit auf eigene Initiative einen neuen Beschluss, der an dem Datum wirksam wird, an dem der berichtigte Beschluss hätte wirksam werden müssen, und dies unbeschadet der Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen in Sachen Verjährung.
Unbeschadet des Artikels 18 wird der neue Beschluss im Fall eines der Einrichtung für soziale Sicherheit zuzuschreibenden Irrtums am ersten Tag des Monats wirksam, der der Notifizierung folgt, wenn das Anrecht auf die soziale Leistung geringer ist als das ursprünglich gewährte Anrecht.
Vorhergehender Absatz findet keine Anwendung, wenn der Sozialversicherte im Sinne des Königlichen Erlasses vom 31. Mai 1933 über die in Sachen Zuschüsse, Entschädigungen und Beihilfen abzugebenden Erklärungen weiss oder wissen musste, dass er kein Anrecht oder kein Anrecht mehr auf den Gesamtbetrag einer Leistung hat ».
Artikel 18 des Gesetzes vom 11. April 1995, ersetzt durch Artikel 20 des Gesetzes vom 25. Juni 1997, bestimmt:
« Unbeschadet der Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen in Sachen Verjährung kann die Einrichtung für soziale Sicherheit innerhalb der Frist für das Einreichen einer Beschwerde bei dem zuständigen Rechtsprechungsorgan oder, wenn bereits eine Beschwerde eingereicht worden ist, bis zur Schliessung der Verhandlungen ihren Beschluss rückgängig machen und einen neuen Beschluss fassen, wenn
1. an dem Tag, an dem die Leistung eingesetzt hat, das Anrecht durch eine Gesetzes- oder Verordnungsbestimmung abgeändert worden ist;
2. ein neuer Umstand oder neues Beweismaterial, die Auswirkungen auf die Anrechte des Antragstellers haben, im Laufe des Verfahrens geltend gemacht werden;
3. festgestellt wird, dass der administrative Beschluss eine Unregelmässigkeit oder einen materiellen Irrtum aufweist ».
Artikel 18bis des Gesetzes vom 11. April 1995, eingefügt durch Artikel 21 des Gesetzes vom 25. Juni 1997, bestimmt:
« Der König bestimmt die Regelungen der sozialen Sicherheit oder die Teile davon, für die ein Beschluss über dieselben Rechte, der nach einer Untersuchung der Rechtmässigkeit der ausgezahlten Leistungen gefasst wurde, für die Anwendung von Artikel 17 und 18 nicht als neuer Beschluss angesehen wird ».
B.6. Die fraglichen Bestimmungen sehen keine spezifische Frist für den Fall vor, dass die Rückforderung der unrechtmässig gezahlten Laufbahnunterbrechungszulagen ausschliesslich die Folge eines Fehlers der die Auszahlung durchführenden Einrichtung ist. Aufgrund von Artikel 17 des Gesetzes vom 11. April 1995 muss der Sozialversicherte, der zu Unrecht ausgezahlte Leistungen infolge eines Irrtums der Einrichtung, die sie ausgezahlt hat, erhalten hat, nichts zurückerstatten, nachdem die Frist für die Klageerhebung gegen den von der Einrichtung für soziale Sicherheit irrtümlicherweise gefassten Beschluss abgelaufen ist, ausser wenn er wusste oder wissen musste, dass er kein Anrecht oder kein Anrecht mehr auf den Gesamtbetrag der Leistung hatte.
B.7.1. Durch die Einführung der « Charta » der Sozialversicherten wollte der Gesetzgeber einen besseren Rechtsschutz der Sozialversicherten erreichen. Daher sollte die Charta folgende Erwartungen erfüllen: « Rechtssicherheit, Zugänglichkeit, Transparenz, Schnelligkeit und Genauigkeit, und schliesslich Vereinfachung der Verwaltungsauflagen » (Parl. Dok., Kammer, Sondersitzungsperiode 1991-1992, Nr. 353/1, SS. 1-2). Ein Abänderungsantrag der Regierung (Parl. Dok., Kammer, Sondersitzungsperiode 1991-1992, Nr. 353/2, S. 10) zur Streichung von Artikel 21 (nunmehr Artikel 17) wurde nicht angenommen, weil die Kommission für Soziales den Standpunkt vertrat, « diese Bestimmung stärkt in erheblichem Masse die Rechtssicherheit der Sozialversicherten und muss bestehen bleiben » (Parl. Dok., Kammer, Sondersitzungsperiode 1991-1992, Nr. 353/5, S. 19).
B.7.2. Während der Erörterung, die der Annahme des Gesetzes vom 25. Juni 1997 vorangegangen ist, wurde jedoch festgestellt, dass Artikel 17 Absatz 2 des Gesetzes vom 11. April 1995 bedeutende Auswirkungen auf den Haushalt hatte:
« Insbesondere im Rahmen der Arbeitslosenversicherung und der Gesundheitspflege- und Entschädigungsversicherung würden diese neuen Bestimmungen zum Verlust von Milliarden Franken zuviel bezahlter Leistungen führen, die nicht mehr zurückgefordert werden können » (Parl. Dok., Kammer, 1996-1997, Nr. 907/1, S. 16).
B.7.3. Nichtsdestoweniger wurde das Prinzip von Artikel 17 des Gesetzes vom 11. April 1995 in verschiedenen Bereichen der sozialen Sicherheit eingeführt. Dies gilt unter anderem für die Rechtsvorschriften über Arbeitsunfälle (Artikel 60bis des Gesetzes vom 10. April 1971) sowie über Arbeitslosigkeit (Artikel 149 § 1 des königlichen Erlasses vom 25. November 1991).
B.8.1. Zur Bestimmung seiner Politik im wirtschaftlich-sozialen Bereich verfügt der Gesetzgeber über eine weitgehende Ermessensbefugnis.
Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte muss eine strengere Kontrolle der Verhältnismässigkeit vorgenommen werden, wenn mit der fraglichen Bestimmung bezweckt wird, zum Nachteil einer Einzelperson einen Irrtum wiedergutzumachen, den Behörden selbst begangen haben, ohne dass der Person, deren Rechte durch diese Bestimmung beeinträchtigt werden, irgendein Fehler zur Last gelegt werden kann (EuGHMR, 15. September 2009, Moskal gegen Polen, § 73). Ausserdem hat dieser Gerichtshof wie folgt geurteilt:
« [...] die Behörden dürften nicht daran gehindert werden, Irrtümer in der Gewährung von Leistungen zu berichtigen, selbst wenn die Irrtümer auf ihre eigene Nachlässigkeit zurückzuführen sind. Anders darüber zu urteilen, würde im Widerspruch zur Theorie der ungerechtfertigten Bereicherung stehen, wäre unredlich gegenüber anderen, zum Fonds der sozialen Sicherheit beitragenden Personen und würde der Billigung einer unrechtmässigen Gewährung begrenzter öffentlicher Mittel gleichkommen. Der Gerichtshof hat jedoch angemerkt, dass der vorerwähnte allgemeine Grundsatz nicht in einer Situation gelten kann, in der die betroffene Person möglicherweise eine übermässige Last infolge der Massnahme, mit der ihr ein Vorteil entzogen würde, tragen müsste » (EuGHMR, 14. Februar 2012, B. gegen Vereinigtes Königreich, § 60).
B.8.2. Der fragliche Absatz 5 von Artikel 7 § 13, der in Verbindung mit Absatz 2 desselben Artikels zu lesen ist, ist am 10. Januar 2005 in Kraft getreten, d.h. nach Artikel 17 des Gesetzes vom 11. April 1995. Solange die letztgenannte Bestimmung unverändert bleibt, führt eine spätere Gesetzesänderung, die eine auf einen Bereich der sozialen Sicherheit anwendbare Regelung einführt, welche für den Sozialversicherten weniger günstig ist als diejenige, die allgemein in dieser Bestimmung enthalten ist, unter den Sozialversicherten einen Behandlungsunterschied herbei, der nur dann als mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung vereinbar angesehen werden kann, wenn eine relevante, spezifische Rechtfertigung vorliegt.
B.9.1. Es kann nicht vernünftigerweise gerechtfertigt werden, dass keine spezifische Verjährungsfrist für den Empfänger zu Unrecht gezahlter Laufbahnunterbrechungszulagen vorgesehen ist, welche dieser infolge eines Fehlers der sie auszahlenden Einrichtung erhalten hat, den dieser Empfänger nicht erkennen konnte, während die Empfänger anderer Sozialleistungen, die unter den gleichen Umständen zu Unrecht ausgezahlt wurden, nicht dazu gehalten sind, sie zurückzuzahlen.
In der ins Auge gefassten Hypothese hat der Empfänger nämlich keinen Irrtum begangen, so dass das Landesamt für Arbeitsbeschaffung oder die betreffende Auszahlungseinrichtung über dessen rechtliche und materielle Lage richtig informiert war. Die Konsequenzen eines Irrtums des Schuldners der Leistungen bei deren Gewährung können nicht dem Sozialversicherten aufgebürdet werden.
B.9.2. Ausserdem sind im Gegensatz zum Urlaubsgeld, das den Gegenstand des Entscheids Nr. 39/2008 vom 4. März 2008 bildete, in dem der Gerichtshof es nicht für im Widerspruch zu den Artikeln 10 und 11 der Verfassung stehend gehalten hat, die Rückforderung einer unrechtmässigen Zahlung infolge eines Irrtums der auszahlenden Einrichtung zu erlauben, die Laufbahnunterbrechungszulagen ein Ersatzeinkommen, das monatlich ausgezahlt wird, so dass sie in den meisten Fällen den grössten Teil des Monatsbudgets des Sozialversicherten, der ein Anrecht darauf hat, darstellen. Der Umstand, dass keine spezifische Verjährungsfrist für die Rückforderung von Beträgen vorgesehen ist, die infolge eines Irrtums der auszahlenden Einrichtung ausgezahlt wurden, kann somit für die meisten Sozialversicherten, die sich in dieser Situation befinden und denen keinerlei Fehler oder Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann, unverhältnismässige Folgen nach sich ziehen.
B.10. Solange Artikel 17 des Gesetzes vom 11. April 1995 unverändert bleibt, so wie in B.8.2 dargelegt wurde, ist die fragliche Bestimmung unvereinbar mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung.
B.11. Die Vorabentscheidungsfrage ist bejahend zu beantworten.
B.12. Da die Lücke in dem Text enthalten ist, der dem Gerichtshof unterbreitet wurde, und ihre in B.9.2 erfolgte Feststellung ausreichend präzise und vollständig formuliert ist, um die Anwendung der fraglichen Bestimmung unter Einhaltung der Artikel 10 und 11 der Verfassung zu ermöglichen, obliegt es dem vorlegenden Richter, dieser Verfassungswidrigkeit ein Ende zu setzen.
Aus diesen Gründen:
Der Gerichtshof
erkennt für Recht:
Solange Artikel 17 des Gesetzes vom 11. April 1995 zur Einführung der « Charta » der Sozialversicherten unverändert bleibt, verstösst Artikel 7 § 13 Absätze 2 und 5 des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, indem er keine spezifische Verjährungsfrist für die Rückforderung von Beträgen vorsieht, die infolge eines Fehlers der Auszahlungseinrichtung ausgezahlt wurden, den der Betreffende normalerweise nicht erkennen konnte.
Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 7. März 2013.
Der Kanzler,
(gez.) P.-Y. Dutilleux
Der Präsident,
(gez.) M. Bossuyt