Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 12 März 2015 (België). RG 29/2015
Summary :
Der Gerichtshof erkennt für Recht: - Kapitel III des Dekrets der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 9. Mai 1994 über Unterkunfts- und Hotelbetriebe verstößt gegen Artikel 6 § 1 VI Absatz 5 Nr. 6 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen. - Die Folgen dieser Bestimmungen werden aufrechterhalten, bis der Dekretgeber neue Bestimmungen annimmt, und spätestens bis zum 31. Dezember 2015.
Arrêt :
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Präsidenten J. Spreutels und A. Alen, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten J. Spreutels,
erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:
I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren
In seinem Entscheid Nr. 225.533 vom 20. November 2013 in Sachen der « Seraffetin Hotels » PGmbH gegen die Deutschsprachige Gemeinschaft, dessen Ausfertigung am 29. November 2013 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Staatsrat folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:
« Verstößt das Dekret der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 9. Mai 1994 über Unterkunfts- und Hotelbetriebe gegen Artikel 6 § 1 VI Absatz 5 Nr. 6 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen (' Zuständigkeiten der Regionen für die Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus '), indem es bestimmte gängige Bezeichnungen wie ' Hotel ' schützt und somit die Freiheit, einen Hotelbetrieb zu betreiben, einschränkt? ».
(...)
III. Rechtliche Würdigung
(...)
B.1. Das Dekret der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 9. Mai 1994 über Unterkunfts- und Hotelbetriebe bestimmt:
« KAPITEL I. - Allgemeine Bestimmungen
Artikel 1. Vorliegendes Dekret ist anwendbar auf Hotel- und Unterkunftsbetriebe.
Als Unterkunftsbetriebe gelten gewerbliche oder touristische Betriebe, die
1. regelmäßig oder gelegentlich Unterkunft mit oder ohne Mahlzeiten anbieten;
2. über mindestens 4 Zimmer oder über Einrichtungen verfügen, in denen insgesamt mindestens 10 Personen untergebracht werden können;
3. über eine Sicherheitsbescheinigung verfügen.
Als Hotelbetriebe gelten gewerbliche oder touristische Betriebe, die
1. regelmäßig oder gelegentlich Unterkunft mit oder ohne Mahlzeiten anbieten;
2. über mindestens vier Zimmer verfügen, die ausschließlich der Unterbringung von Gästen dienen;
3. Unterkunft für mindestens eine Nacht anbieten;
4. über eine Sicherheitsbescheinigung und eine Hotelgenehmigung verfügen.
Vorliegendes Dekret findet jedoch keine Anwendung auf Campingplätze, Ferienwohnungen und Sozialtourismusbetriebe und Einrichtungen im sozio-medizinischen Bereich.
KAPITEL II. - Bestimmungen für Unterkunfts- und Hotelbetriebe
Abschnitt 1. - Allgemeine Bestimmungen
Art. 2. Niemand darf einen Unterkunfts- oder Hotelbetrieb betreiben, wenn er nicht über eine Bescheinigung verfügt, durch die bestätigt wird, dass die speziell für Unterkunfts- und Hotelbetriebe geltenden Sicherheitsnormen in Sachen Brandschutz eingehalten werden.
Art. 3. Die Regierung bestimmt:
1. die für Unterkunfts- und Hotelbetriebe geltenden spezifischen Sicherheitsnormen auf dem Gebiet des Brandschutzes;
2. das Modell der Sicherheitsbescheinigung.
Abschnitt 2. - Die Sicherheitsbescheinigung
Art. 4. Die Sicherheitsbescheinigung wird ausgehändigt, wenn die Sicherheitsnormen erfüllt sind und den Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitsschutzordnung entsprochen wird.
Art. 5. Die Gültigkeitsdauer der Sicherheitsbescheinigung beträgt fünf Jahre.
[...]
Abschnitt 3. - Verfahren
Art. 6. Der Antrag auf Erhalt der Sicherheitsbescheinigung wird per Einschreiben an den Bürgermeister der betroffenen Gemeinde gerichtet.
Art. 7. Über diesen Antrag entscheidet der Bürgermeister innerhalb von 75 Tagen nach dessen Empfang aufgrund eines durch den zuständigen Feuerwehrdienst ausgestellten Brandschutzgutachtens.
Art. 8. Der Beschluss über die Erteilung, die Verweigerung oder die bedingte Erteilung der Bescheinigung wird dem Antragsteller per Einschreiben zugestellt.
Der Beschluss muss begründet sein. Bei Verweigerung ist dem Beschluss eine Kopie des Brandschutzgutachtens beizulegen.
Wird der Beschluss dem Antragsteller nicht innerhalb der in Artikel 7 vorgesehenen Frist zugestellt, gilt dies als Verweigerung.
Art. 9. Der Antragsteller kann innerhalb von 30 Tagen nach der Zustellung der Verweigerung oder innerhalb von 120 Tagen ab dem letzten Tag der in Artikel 7 vorgesehenen Frist per Einschreiben einen mit Gründen versehenen Einspruch bei der Regierung einlegen.
Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung.
Artikel 10. § 1. Mit dem Einspruch gegen einen Beschluss bezüglich der Sicherheitsbescheinigung kann eine Abweichung von den spezifischen Sicherheitsnormen beantragt werden.
Innerhalb von zehn Tagen nach Eingang des Einspruchs wird eine Empfangsbestätigung zugestellt.
Die Regierung entscheidet innerhalb von 90 Tagen nach Eingang des Einspruches, nachdem sie das Gutachten der Brandschutzkommission für Unterkunfts- und Hotelbetriebe eingeholt hat.
Der Beschluss der Regierung ist begründet und wird dem Antragsteller per Einschreiben zugestellt.
§ 2. Wird die Entscheidung nicht innerhalb der in § 1 vorgesehenen Frist zugestellt, so gilt der Einspruch als abgelehnt, außer wenn die Regierung dem Antragsteller innerhalb der gleichen Frist eine begründete Entscheidung zur außergewöhnlichen Verlängerung der Frist zustellt. Die Verlängerung darf nicht mehr als dreißig Tage betragen.
§ 3. Wird eine Abweichung gewährt, so muss diese die spezifischen Vorschriften, von denen abgewichen werden darf, und gegebenenfalls den Zeitraum, für den die Abweichung gewährt wird, präzise angeben.
Abschnitt 4. - Die Brandschutzkommission für Unterkunftsbetriebe
Art. 11. Es wird eine Brandschutzkommission für Unterkunfts- und Hotelbetriebe eingerichtet, die bei jedem in Anwendung von Artikel 9 eingelegten Einspruch ein Gutachten abgibt.
[...]
KAPITEL III. - Besondere Bestimmungen für Hotelbetriebe
Art. 19. Niemand darf ohne vorherige Genehmigung, Hotelgenehmigung genannt, einen Hotelbetrieb führen.
Art. 20. Die Hotelgenehmigung wird nur erteilt, wenn der Antragsteller oder die mit der täglichen Geschäftsführung des Hotelbetriebes beauftragte Person nicht in Belgien oder im Ausland für ein oder mehrere der in Buch II, Titel VII, Kapitel V, VI und VII, Titel VIII, Kapitel I, IV und VI und Titel IX, Kapitel I und II des Strafgesetzbuches vorgesehenen Vergehen rechtskräftig verurteilt worden ist, außer wenn das Urteil bedingt war und der Betroffene das Recht auf Strafaufschub nicht verloren hat.
Art. 21. § 1. Hotelbetriebe müssen über mindestens vier Zimmer verfügen, die der Unterbringung von Gästen dienen und diesen ausschließlich vorbehalten sind.
Die gesamten Betriebsanlagen müssen gut unterhalten und das Personal muss ordentlich gekleidet sein.
§ 2. Nebengebäude, das heißt zur Unterbringung von Gästen bestimmte Gebäude, die nur durch Verlassen des Hauptgebäudes zu erreichen sind, müssen außer der Mindestanzahl Zimmer, alle für Hotelbetriebe geltenden Bedingungen ebenfalls erfüllen. Jegliches Dokument, jegliche Korrespondenz und jegliche Werbung mit Bezug auf Nebengebäude müssen das Wort ' Nebengebäude ' enthalten.
Art. 22. Nur Hotelbetriebe dürfen unter der Bezeichnung ' Hotel, Hostellerie, Aparthotel, Motel, Gasthof, Pension oder Relais ' geführt werden. Die Regierung kann diese Aufzählung ergänzen.
[...]
Art. 23. Jeder Hotelbetrieb, der eine Hotelgenehmigung erhält, wird gemäß den von der Regierung festgelegten Bedingungen in eine von fünf Kategorien eingestuft. Jeder dieser Kategorien entspricht eine bestimmte Anzahl Sterne.
Jeder Hotelbetrieb muss mindestens die für die niedrigste Einstufung vorgesehenen Bedingungen erfüllen.
In besonders begründeten Fällen kann die Regierung Abweichungen von den in Artikel 21 § 1 Absatz 1 und in Artikel 22 Absatz 2 aufgeführten und den gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels festgelegten Bedingungen gewähren; jede gewährte Abweichung ist genau zu umschreiben und dem Betroffenen schriftlich mitzuteilen.
Art. 24. Der Antrag auf Erteilung einer Hotelgenehmigung wird auf dem dazu vorgesehenen Formular an das Ministerium gerichtet.
Innerhalb von zehn Tagen nach Eingang des Antrags wird dem Antragsteller eine Empfangsbestätigung übermittelt oder es wird ihm mitgeteilt, dass sein Antrag nicht vollständig ist.
Art. 25. Die Hotelgenehmigung kann ausgesetzt oder entzogen werden:
1° wenn den Bedingungen, die ihrer Erteilung zugrunde lagen nicht mehr entsprochen wird;
2° wenn der Inhaber der Hotelgenehmigung den ihm durch die Regierung auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommt;
3° bei Verweigerung oder Behinderung der in Artikel 32 vorgesehenen Inspektion;
4° wenn der Inhaber der Genehmigung oder die mit der täglichen Geschäftsführung des Hotelbetriebes beauftragte Person in Belgien oder im Ausland für ein oder mehrere der in Buch II, Titel VII, Kapitel V, VI und VII, Titel VIII, Kapitel I, IV und VI und Titel IX, Kapitel I und II des Strafgesetzbuches vorgesehenen Vergehen rechtskräftig verurteilt wurde, außer wenn das Urteil bedingt war und der Betroffene das Recht auf Strafaufschub nicht verloren hat.
Art. 26. Die Aussetzung einer Hotelgenehmigung muss zeitlich begrenzt sein und dient dazu, dem Inhaber der Hotelgenehmigung, die Gelegenheit zu geben den Zustand zu regularisieren. Anderenfalls wird nach Ablauf der gesetzten Frist der Entzug ausgesprochen.
Art. 27. Bei Entzug der Hotelgenehmigung oder bei Schließung des Hotels muss der Inhaber der Hotelgenehmigung die Genehmigung, alle beglaubigten Kopien der Genehmigung und das Kennschild innerhalb von zehn Tagen per Einschreiben an das Ministerium zurückschicken.
Wenn ein Hotelbetrieb in eine niedrigere Kategorie eingestuft wird, muss der Inhaber der Hotelgenehmigung sein bisheriges Kennschild innerhalb von zehn Tagen an das Ministerium zurückschicken.
Art. 28. Bei Übernahme des Hotelbetriebes muss innerhalb von drei Monaten eine neue Hotelgenehmigung beantragt werden. Bei Ableben des Inhabers der Hotelgenehmigung wird diese Frist auf sechs Monate verlängert.
In der Zwischenzeit und bis zur Mitteilung der Entscheidung über den Antrag darf der Hotelbetrieb weitergeführt werden.
Art. 29. Die Regierung bestimmt das Verfahren bezüglich der Erteilung, der Verweigerung, der Aussetzung und des Entzugs der Hotelgenehmigung.
Unbeschadet ihrer Aussetzung oder ihres Entzugs gilt die Hotelgenehmigung als unbefristet.
[...] ».
B.2.1. Der Staatsrat fragt den Gerichtshof, ob das vorerwähnte Dekret vom 9. Mai 1994 mit Artikel 6 § 1 VI Absatz 5 Nr. 6 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen vereinbar sei, insofern es « bestimmte gängige Bezeichnungen wie ' Hotel ' schützt und somit die Freiheit, einen Hotelbetrieb zu betreiben, einschränkt », wodurch die fraglichen Bestimmungen die regionale Angelegenheit der « Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus » regeln würden.
B.2.2. Aus der Formulierung dieser Frage geht hervor, dass nur Kapitel III des Dekrets vom 9. Mai 1994, in dem vorgesehen ist, dass nur genehmigte Hotelbetriebe unter der Bezeichnung von - unter anderem - « Hotel » geführt werden dürfen, in Rede steht. Der Gerichtshof brauch demzufolge nicht über Kapitel II des vorerwähnten Dekrets zu befinden, in dem vorgeschrieben wird, dass niemand einen Unterkunfts- oder Hotelbetrieb betreiben darf, wenn er nicht über eine Sicherheitsbescheinigung verfügt.
B.3. Der Gerichtshof prüft die fraglichen Bestimmungen anhand der Regeln der Zuständigkeitsverteilung in der zum Zeitpunkt der Annahme der Bestimmungen geltenden Fassung.
B.4.1. Artikel 4 § 1 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft bestimmt:
« Die kulturellen Angelegenheiten, auf die sich Artikel 130 § 1 Nr. 1 der Verfassung bezieht, sind die in Artikel 4 des Sondergesetzes [vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen] erwähnten Angelegenheiten ».
B.4.2. Der vorerwähnte Artikel 4 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen bestimmte in der zum Zeitpunkt der Annahme der fraglichen Bestimmungen geltenden Fassung:
« Die kulturellen Angelegenheiten, auf die sich Artikel 59bis § 2 Nr. 1 [nunmehr Artikel 127 § 1 Absatz 1 Nr. 1] der Verfassung bezieht, sind:
[...]
10. Freizeitgestaltung und Tourismus,
[...] ».
B.4.3. Artikel 6 desselben Sondergesetzes vom 8. August 1980 bestimmte in der zum Zeitpunkt der Annahme der fraglichen Bestimmungen geltenden Fassung:
« § 1. Die Angelegenheiten, auf die sich Artikel 107quater [nunmehr Artikel 39] der Verfassung bezieht, sind:
[...]
VI. was die Wirtschaft betrifft:
[...]
Darüber hinaus ist allein die Föderalbehörde zuständig für:
[...]
6. die Niederlassungsbedingungen, mit Ausnahme der Zuständigkeiten der Regionen für die Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus,
[...] ».
B.5. Die Deutschsprachige Gemeinschaft ist der Ansicht, dass sie das fragliche Dekret aufgrund ihrer Zuständigkeit im Bereich « Tourismus » habe annehmen können.
B.6.1. Laut der Begründung zum Dekretentwurf, aus dem das Dekret vom 9. Mai 1994 entstanden ist, bezweckt er die Förderung des Tourismus in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. In der Begründung wird präzisiert, dass es von Bedeutung sei, die grundlegenden Rechtsvorschriften, insbesondere im Bereich der Hotelbetriebe, zu modernisieren (Parl. Dok., Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft, 1992-1993, Nr. 93/1, S. 1).
B.6.2. Der ursprüngliche Dekretentwurf bestimmte in seinem Artikel 1 Absatz 3:
« Als Hotelbetriebe gelten Unterkunftsbetriebe, die unter der Bezeichnung Hotel, Hostellerie, Apparthotel, Motel, Gasthof, Pension, Relais oder unter einer ähnlichen Bezeichnung Unterkunft für mindestens eine Nacht anbieten; die [Regierung] kann diese Aufzählung ergänzen » (ebenda, S. 10).
Laut Artikel 19 des Entwurfs durfte niemand ohne vorherige Hotelgenehmigung einen Hotelbetrieb führen.
B.6.3. Bei der Besprechung im zuständigen Ausschuss fragte ein Mitglied, ob die in Artikel 1 aufgegliederten Begriffe allesamt geschützte Bezeichnungen seien. Der Minister bestätigte dies. Er erklärte dazu:
« Wenn jeder seine Einrichtung Hotel oder Pension nennen könne, dann sei der Konsument nicht gegen eventuelle Missbräuche gewappnet und könne nirgendwo Beschwerde einlegen » (Parl. Dok., Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft, 1992-1993, Nr. 93/5, S. 2).
Ein anderes Mitglied fragte, was unter « einer ähnlichen Bezeichnung » zu verstehen sei und ob der Satzteil, dem zufolge die Regierung diese Aufzählung ergänzen könne, keine sinngemäße Wiederholung darstelle. Der Minister erwiderte,
« wenn jemand eine neue Bezeichnung verwende, die einer anderen ähnele, damit im Grunde aber kein Hotelbetrieb gemeint sei, so dürfe dieser Begriff nicht gebraucht werden. Er führte weiter aus, bei einer Nichtaufzählung der Begriffe könne es zu Streitigkeiten kommen. Der Betroffene könne z.B. behaupten, dass diese oder jene Bezeichnung einer anderen nicht ähnelt, während das Ministerium anderer Auffassung sei. Es solle der Regierung freistehen, den neu verwendeten Begriff zu schützen oder auch nicht » (ebenda, SS. 2-3).
Ein Mitglied äußerte sich kritisch zu der Auflistung der Hotelbetriebe. Es fragte,
« solle nicht entweder genauer definiert werden, wann man einen Unterkunftsbetrieb als Hotelbetrieb bezeichnen kann, oder aber auf die Auflistung verzichtet werden » (ebenda, S. 3).
Darauf antwortete der Minister,
« die Auflistung diene zur Bezeichnung dessen, was einem Hotel ähnele. Man wolle die verschiedenen Begriffe schützen, wobei die Aufzählung nicht limitativ sei. Sowohl die festgeschriebenen Bezeichnungen als auch ähnliche Begriffe, an die vielleicht noch nicht gedacht worden ist, seien geschützt. Wenn nun wirklich jemand einen neuen Begriff erfinde, der zulässig sei, dann brauche nur ein Erlass der Regierung verabschiedet zu werden, um den Begriff in die Liste aufzunehmen. Dies geschehe alles zum Schutz der Verbraucher » (ebenda).
B.6.4. Durch einen Abänderungsantrag wurde anschließend die Auflistung der Hotelbetriebe aus Artikel 1 entfernt und in jener Bestimmung untergebracht, die zum fraglichen Artikel 22 geworden ist (Parl. Dok., Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft, 1992-1993, Nr. 93/4, S. 2). In diesem Abänderungsantrag wurde ein vorheriger Abänderungsantrag übernommen, der wie folgt begründet worden war:
« Es ist vorteilhafter, die Aufzählung der Bezeichnungen, unter [denen] ein Hotelbetrieb geführt werden muss, im Rahmen der besonderen Bestimmungen für Hotelbetriebe aufzuführen, und nicht in den einleitenden allgemeinen Bestimmungen » (Parl. Dok., Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft, 1992-1993, Nr. 93/2, S. 3).
B.7. Der Gerichtshof muss prüfen, ob die fraglichen Bestimmungen einen Verstoß gegen die Zuständigkeit der Regionen für « Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus » beinhalten.
B.8.1. Die Zuständigkeit für die « Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus » wurde den Regionen durch Artikel 2 § 5 des Sondergesetzes vom 16. Juli 1993 zur Vollendung der föderalen Staatsstruktur erteilt.
Diese Zuständigkeitsübertragung wurde während der Vorarbeiten wie folgt begründet:
« Diese Zuständigkeit wird regionalisiert, weil sie zu der Zuständigkeit der Regionen für die Wirtschaft passt. [...]
[...]
Die Niederlassungsbedingungen sind [...] - auch nach der Abänderung des Sondergesetzes im Jahr 1988 - eine föderale Zuständigkeit geblieben.
Zur Ausübung der Wirtschaftspolitik im Bereich des Tourismus war dies jedoch mehr als in den anderen Sektoren ein Hindernis » (Parl. Dok., Senat, 1992-1993, Nr. 558-1, SS. 25-26).
Daher wurde die Zuständigkeit für den Zugang zum Beruf im Bereich des Tourismus in Artikel 6 § 1 VI des vorerwähnten Sondergesetzes vom 8. August 1980 aufgenommen, der die Zuständigkeit der Regionen « was die Wirtschaft betrifft » festlegt.
B.8.2. Die in Artikel 6 § 1 VI Absatz 5 Nr. 6 erwähnte Angelegenheit der Niederlassungsbedingungen beinhaltet unter anderem die Befugnis, Regeln bezüglich des Zugangs zu bestimmten Berufen festzulegen, allgemeine Regeln oder Befähigungsanforderungen im Zusammenhang mit der Ausübung gewisser Berufe festzulegen und Berufstitel zu schützen.
B.9.1. Im Gegensatz zum ursprünglichen Dekretentwurf wird im fraglichen Artikel 22 nicht erwähnt, dass auch der Betrieb ohne Genehmigung unter einer ähnlichen Bezeichnung wie « Hotel » verboten ist. Aus der der Regierung gebotenen Möglichkeit, der in dieser Bestimmung enthaltenen Auflistung weitere Begriffe hinzuzufügen, sowie aus den in B.6.3 angeführten Vorarbeiten geht jedoch hervor, dass der Dekretgeber beabsichtigte, jedes Führen eines Hotelbetriebs unter der Bezeichnung « Hotel, Hostellerie, Aparthotel, Motel, Gasthof, Pension oder Relais » oder einer ähnlichen Bezeichnung von einer Hotelgenehmigung abhängig zu machen.
B.9.2. Die Hotelgenehmigung wird nur erteilt, wenn sowohl der Antragsteller oder die mit der täglichen Geschäftsführung des Hotelbetriebes beauftragte Person als auch der Hotelbetrieb bestimmte Anforderungen erfüllen (Artikel 20 und 21 des Dekrets vom 9. Mai 1994). Sie kann ausgesetzt oder entzogen werden, wenn den Bedingungen, die ihrer Erteilung zugrunde lagen, nicht mehr entsprochen wird, wenn der Inhaber der Hotelgenehmigung den ihm durch die Regierung auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommt, bei Verweigerung oder Behinderung der Inspektion und im Falle bestimmter Verurteilungen (Artikel 25 des Dekrets vom 9. Mai 1994).
B.9.3. Der Dekretgeber beabsichtigte somit die Einführung eines Genehmigungssystems, bei dem es unmöglich ist, ohne die erforderliche Genehmigung einen Hotelbetrieb zu führen und somit den Beruf als Hotelier auszuüben.
B.9.4. Demzufolge regelte Kapitel III des fraglichen Dekrets die regionale Angelegenheit der « Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus ».
B.10. Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft macht geltend, dass in dem Fall, dass der Gerichtshof der Ansicht sein sollte, dass die fraglichen Bestimmungen eine regionale Angelegenheit regeln würden, sie aufgrund von Artikel 10 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen gerechtfertigt wären.
B.11. Gemäß dem vorerwähnten Artikel 10 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 können die Dekrete Rechtsbestimmungen enthalten, die sich auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Dekretgeber fallen, sofern diese Bestimmungen für die Ausübung ihrer Befugnis erforderlich sind. Dies setzt voraus, dass die angenommene Regelung als notwendig für die Ausübung der Befugnisse des Dekretgebers erachtet werden kann, dass diese Angelegenheit sich für eine differenzierte Regelung eignet und dass die Auswirkungen der fraglichen Bestimmungen auf die im vorliegenden Fall regionale Angelegenheit nur marginal sind.
B.12. Im vorliegenden Fall genügt es festzustellen, dass die Auswirkungen der fraglichen Bestimmungen auf die Zuständigkeit der Regionen nicht marginal sind, weil diese bezwecken, die Niederlassungsbedingungen für alle Hotelbetriebe in der Deutschsprachigen Gemeinschaft exhaustiv zu regeln, und dass der Dekretgeber somit an die Stelle der zuständigen Regionalbehörde tritt. Obwohl es - wie aus Artikel 1 des Dekrets vom 9. Mai 1994 hervorgeht - neben den Hotelbetrieben noch andere Unterkunftsbetriebe gibt und sich die Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus nicht auf Hotelbetriebe beschränken, regeln die fraglichen Bestimmungen die Bedingungen für die Betriebe, bei denen davon auszugehen ist, dass sie am zahlreichsten sind, die größte Anzahl von Gästen anziehen und wirtschaftlich die größte Wirkung haben.
B.13. Somit ist die Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 10 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 nicht erfüllt.
B.14. Die Vorabentscheidungsfrage ist bejahend zu beantworten.
B.15.1. Die Aufrechterhaltung der Folgen ist als eine Ausnahme zur erklärenden Beschaffenheit der in Vorabentscheidungsstreitsachen gefällten Entscheide anzusehen. Vor der Entscheidung über eine solche Aufrechterhaltung muss der Gerichtshof feststellen, dass der Vorteil aus der Wirkung der nicht modulierten Feststellung der Verfassungswidrigkeit unverhältnismäßig ist gegenüber der Störung, die sie für die Rechtsordnung mit sich bringen würde.
B.15.2. Obwohl die Wallonische Region seit der Abänderung des Sondergesetzes vom 8. August 1980 durch das Sondergesetz vom 16. Juli 1993 die Zuständigkeit für die Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus innehat, ist das aufgrund von Artikel 138 der Verfassung angenommene Dekret der Wallonischen Region vom 18. Dezember 2003 über die touristischen Beherbergungseinrichtungen, in dem eine vorherige Genehmigung vorgesehen ist, nicht anwendbar auf die im deutschen Sprachgebiet ansässigen touristischen Unterkunftsbetriebe.
Ohne das fragliche Kapitel III des Dekrets vom 9. Mai 1994 sind Hotelbetriebe nur der in Kapitel II desselben Dekrets vorgesehenen Sicherheitsbescheinigung unterworfen.
B.15.3. Die Artikel 3 und 17 des Sondergesetzes vom 6. Januar 2014 über die Sechste Staatsreform haben mit Wirkung vom 1. Juli 2014 die Zuständigkeit im Bereich des Tourismus von den Gemeinschaften auf die Regionen übertragen.
In Anwendung von Artikel 139 der Verfassung übt die Deutschsprachige Gemeinschaft jedoch mit Wirkung vom 1. Juli 2014 im deutschen Sprachgebiet alle Zuständigkeiten der Wallonischen Region in der in Artikel 6 § 1 VI Absatz 1 Nrn. 6 und 9 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen erwähnten Angelegenheit Tourismus aus (Artikel 1 des Dekrets der Wallonischen Region vom 27. März 2014 « über die Ausübung durch die deutschsprachige Gemeinschaft der Zuständigkeiten der Wallonischen Region in Sachen Tourismus » und Artikel 1 des Dekrets der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 31. März 2014 über die Ausübung der Zuständigkeiten der Wallonischen Region im Bereich des Tourismus durch die Deutschsprachige Gemeinschaft).
Demzufolge ist seit diesem Datum die Deutschsprachige Gemeinschaft dafür zuständig, auch die Niederlassungsbedingungen im Bereich Tourismus zu regeln.
B.15.4. Die plötzliche Aufhebung des in den fraglichen Bestimmungen vorgesehenen Hotelgenehmigungssystems kann dazu führen, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Hotelbetriebe beeinträchtigt und der Tourismussektor im deutschen Sprachgebiet destabilisiert wird. So werden die genehmigten Hotelbetriebe in fünf von der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft festgelegten Kategorien eingestuft (Artikel 23 Absatz 1 des Dekrets vom 9. Mai 1994), auf die sich die Touristen basieren, um den Typ und die Qualität des von ihnen besuchten Betriebs zu ermitteln.
B.16. Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass die Folgen der Bestimmungen von Kapitel III des fraglichen Dekrets aufrechtzuerhalten sind, damit ihre Anwendung ermöglicht wird, unter anderem in Bezug auf - einerseits - die bereits aufgrund der besagten Bestimmungen erteilten Hotelgenehmigungen und - andererseits - diejenigen, die noch zu erteilen sind in Erwartung des Inkrafttretens neuer Dekretsbestimmungen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Dekretgeber über genügend Zeit verfügen muss, um sie anzunehmen, spätestens bis zum 31. Dezember 2015.
Aus diesen Gründen:
Der Gerichtshof
erkennt für Recht:
- Kapitel III des Dekrets der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 9. Mai 1994 über Unterkunfts- und Hotelbetriebe verstößt gegen Artikel 6 § 1 VI Absatz 5 Nr. 6 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen.
- Die Folgen dieser Bestimmungen werden aufrechterhalten, bis der Dekretgeber neue Bestimmungen annimmt, und spätestens bis zum 31. Dezember 2015.
Erlassen in französischer und niederländischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 12. März 2015.
Der Kanzler,
(gez.) P.-Y. Dutilleux
Der Präsident,
(gez.) J. Spreutels