Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 19 Dezember 2013 (België). RG 175/2013

Date :
19-12-2013
Language :
German French Dutch
Size :
3 pages
Section :
Case law
Source :
Justel D-20131219-1
Role number :
175/2013

Summary :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: Artikel 171 Nr. 6 zweiter Gedankenstrich des Einkommensteuergesetzbuches 1992 verstößt nicht gegen die Artikel 10, 11 und 172 der Verfassung.

Arrêt :

Add the document to a folder () to start annotating it.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten J. Spreutels und M. Bossuyt, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Moerman, T. Merckx-Van Goey und P. Nihoul, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten J. Spreutels,

verkündet nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren

In seinem Urteil vom 4. Februar 2013 in Sachen Richard Balaes gegen den belgischen Staat, dessen Ausfertigung am 15. Februar 2013 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das Gericht erster Instanz Lüttich folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:

« Berstößt Artikel 171 Nr. 6 zweiter Gedankenstrich des Einkommensteuergesetzbuches 1992 gegen die Artikel 10, 11 und 172 der Verfassung, indem er sich nur auf die von einer öffentlichen Behörde gezahlten Profite unter Ausschluss der von Privatpersonen gezahlten Profite bezieht, wenn es sich um Profite handelt, die sich auf Leistungen beziehen, die während eines Zeitraums von mehr als zwölf Monaten erbracht wurden, und deren Betrag nicht im Jahr der Leistungserbringung gezahlt wurde, sondern nachträglich einmalig entrichtet wurde? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1. Artikel 171 Nr. 6 zweiter Gedankenstrich des Einkommensteuergesetzbuches 1992 (EStGB 1992) bestimmt:

« In Abweichung von den Artikeln 130 bis 168 sind getrennt steuerpflichtig, außer wenn die derart berechnete Steuer erhöht um die Steuer in Bezug auf die anderen Einkünfte höher ist als die Steuer, die aus der Anwendung vorerwähnter Artikel auf die Gesamtheit der steuerpflichtigen Einkünfte hervorgehen würde:

[...]

6. zum Steuersatz in Bezug auf die Gesamtheit der anderen steuerpflichtigen Einkünfte:

[...]

- in Artikel 23 § 1 Nr. 2 erwähnte Profite, die sich auf Leistungen beziehen, die während eines Zeitraums von mehr als zwölf Monaten erbracht wurden, und deren Betrag durch Verschulden einer öffentlichen Behörde nicht im Jahr der Leistungserbringung gezahlt wurde, sondern einmalig entrichtet wurde, und zwar ausschließlich für den Teil, der die Vergütung einer zwölfmonatigen Leistungserbringung proportional übersteigt,

[...] ».

B.2. Der vorlegende Richter fragt den Gerichtshof, ob diese Bestimmung vereinbar sei mit den Artikeln 10, 11 und 172 der Verfassung, insofern sie sich nur auf die durch eine Behörde gezahlten Profite unter Ausschluss der durch Privatpersonen gezahlten Profite beziehe, wenn es sich um Profite handele, die sich auf Leistungen bezögen, die während eines Zeitraums von mehr als 12 Monaten erbracht worden seien und deren Betrag nicht im Jahr der Leistungserbringung, sondern nachträglich einmalig entrichtet worden sei.

B.3. Aus dem Sachverhalt und der Begründung der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die dem vorlegenden Richter vorgelegte Streitsache eine Summe betrifft, die nach Auffassung des Klägers getrennt besteuert werden müsste, da sie keine Einkünfte des laufenden Jahres darstelle, sondern die Entlohnung für Dienstleistungen sei, die als Rechtsanwalt im Rahmen einer siebzehn Jahre dauernden Streitsache erbracht worden seien.

B.4.1. Der vorerwähnte Artikel 171 Nr. 6 zweiter Gedankenstrich gewährt den Vorteil eines getrennten Steuersatzes den steuerpflichtigen Selbständigen, die die darin angeführten Profite angeben und denen diese durch Verschulden einer öffentlichen Behörde nicht im Jahr der Leistungserbringung gezahlt wurden.

B.4.2. Durch Artikel 171 werden somit steuerpflichtige Selbständige unterschiedlich behandelt, indem ihnen der Vorteil eines getrennten Steuersatzes nur gewährt wird, wenn die Profite sich auf Leistungen beziehen, die während eines Zeitraums von mehr als zwölf Monaten erbracht wurden und deren Betrag durch Verschulden einer öffentlichen Behörde nicht im Jahr der Leistungserbringung, sondern einmalig gezahlt wurde. Der Vorteil dieses getrennten Steuersatzes wird nicht gewährt, wenn diese Profite sich auf Leistungen beziehen, deren Zahlung auf die gleiche Weise durch Privatpersonen vorgenommen wurde.

B.5. Wenngleich steuerpflichtige Selbständige, die Profite angeben, deren Betrag nicht im Laufe des Jahres der Leistungserbringung, sondern einmalig gezahlt wurde, unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob diese Zahlung auf das Verschulden einer öffentlichen Behörde oder einer Privatperson zurückzuführen ist, stellen diese beiden Kategorien von Steuerpflichtigen jedoch ausreichend vergleichbare Kategorien dar. Diese Steuerpflichtigen befinden sich nämlich in unterschiedlichen Situationen, die aber nicht derart voneinander entfernt sind, dass auf ihre Nichtvergleichbarkeit hinsichtlich des Steuersatzes ihrer Einkünfte zu schließen wäre.

B.6. Artikel 171 des EStGB 1992 weicht in Bezug auf die darin aufgezählten Einkünfte von dem Grundsatz der Globalisierung ab, wonach das mit der Steuer der natürlichen Personen besteuerbare Einkommen aus der Gesamtheit der Nettoeinkünfte besteht, nämlich der Summe der Nettoeinkünfte der in Artikel 6 des EStGB 1992 aufgezählten Kategorien, das heißt Einkünfte aus unbeweglichen Gütern, Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern, Berufseinkünfte und verschiedene Einkünfte, abzüglich der in den Artikeln 104 bis 116 des EStGB 1992 angeführten abzugsfähigen Ausgaben. Auf diese Summe wird die Steuer nach den in den Artikeln 130 ff. festgelegten Regeln berechnet, nachdem allerdings noch einige Operationen vorgenommen wurden.

Artikel 171 des EStGB 1992 legt eine besondere Berechnungsweise der Steuer und besondere Steuersätze für bestimmte Einkünfte fest, jedoch unter der Bedingung, dass das System der vollständigen Zusammenzählung aller besteuerbaren Einkünfte, einschließlich derjenigen, die getrennt versteuert werden können, für den Steuerpflichtigen nicht vorteilhafter ist.

B.7. Mit Artikel 93 des früheren Einkommensteuergesetzbuches, aus dem der fragliche Artikel 171 geworden ist, wollte der Gesetzgeber die strengen Folgen einer strikten Anwendung der Progression der Steuer der natürlichen Personen vermeiden für Steuerpflichtige, die gewisse Einkünfte von eher außergewöhnlicher Art erhalten. Laut den Vorarbeiten bezweckte der Gesetzgeber, « die Progression der Steuer abzubremsen, wenn das besteuerbare Einkommen nicht regelmäßige Einkünfte beinhaltet » (Parl. Dok., Kammer, 1961-1962, Nr. 264/1, S. 85; ebenda, Nr. 264/42, S. 126).

B.8. Artikel 171 Nr. 6 zweiter Gedankenstrich geht von einer ähnlichen Absicht aus. In der Begründung des Gesetzes vom 4. August 1978 zur wirtschaftlichen Neuorientierung (mit dem der vorerwähnte Artikel 93 abgeändert wurde) wurde Folgendes angeführt:

« Beim heutigen Stand der Gesetzgebung werden Honorare und andere Profite, die sich auf die während eines Zeitraums von mehr als zwölf Monaten geleisteten Dienste beziehen und die durch Verschulden einer öffentlichen Behörde nicht im Jahr der Leistung, sondern in einem Mal ausgezahlt werden, unter Anwendung des normalen Steuersatzes als Einkommen des Jahres der Auszahlung besteuert.

Um dies zu beheben, wird vorgeschlagen, auf die Honorare und anderen vergleichbaren Profite ein ähnliches System anzuwenden wie das bereits für das ' vorzeitige Urlaubsgeld ' der Angestellten geltende System.

Dies bedeutet faktisch, dass rückständige Honorare usw. zu dem Satz besteuert werden, der normalerweise für zwölf Monate Leistung gilt » (Parl. Dok., Senat, 1977-1978, Nr. 415/1, SS. 33 und 34).

Im Bericht des Senatsausschusses wurde präzisiert:

« In Kapitel II ist das Problem der Besteuerung der Honorare geregelt, die durch eine Behörde an Inhaber von freien Berufen für Leistungen gezahlt werden, die sich über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten erstreckt haben.

Um eine Überbesteuerung wegen der Progression der Steuertarife zu vermeiden, wird der Anteil der Honorare, der proportional über einen Betrag hinausgeht, der der Leistung von zwölf Monaten entspricht, getrennt zu dem Satz für die Gesamtheit der anderen besteuerbaren Einkünfte besteuert » (ebenda, Nr. 415/2, S. 51).

Im Senatsausschuss gab der Minister folgende Erläuterung:

« Honorare, die sich auf die während eines Zeitraums von mehr als zwölf Monaten geleisteten Dienste beziehen und die durch Verschulden einer öffentlichen Behörde nicht im Jahr der Leistung, sondern in einem Mal ausgezahlt werden, werden derzeit im Laufe des Jahres der Auszahlung besteuert, und der progressive Steuersatz wird vollständig angewandt.

In Artikel 51 des Entwurfs wird ein ähnliches System vorgeschlagen, wie es bereits für das ' vorzeitige Urlaubsgeld ' der Angestellten gilt; in Zukunft werden die Honorare folglich in zwei Teile aufgeteilt:

a) Ein erster Teil, der zwölf Monaten Leistung entspricht, wird den anderen Einkünften des Jahres hinzugefügt und damit besteuert.

b) Ein zweiter Teil - der restliche Teil - wird getrennt veranlagt zu dem Satz, der für die unter Buchstabe a) genannten Einkommen gilt.

[...]

Diese Regelung besteht bereits für das vorzeitige Urlaubsgeld, das einem Angestellten gezahlt wird, der das Unternehmen verlässt.

Sie kann nicht auf Privathonorare angewandt werden, denn es gilt weiterhin die Regel der Jährlichkeit der Steuer. Außerdem besteht im Privatsektor die Möglichkeit, die Zahlungen entsprechend der Erbringung der Leistungen und den Interessen der beiden Parteien zu regeln. Es ist überflüssig, dass der Gesetzgeber noch zusätzliche Erleichterungen auf der Grundlage der bloßen steuerlichen Erwägungen für eine der Parteien vorsieht » (ebenda, Nr. 415/2, SS. 71 und 72).

Ein Abänderungsantrag zur Streichung der Wörter « durch Verschulden einer öffentlichen Behörde » wurde sowohl im Senat (ebenda, S. 74) als auch in der Abgeordnetenkammer (Parl. Dok., Kammer, 1977-1978, Nr. 470/9, S. 30) aus folgenden Gründen abgelehnt:

« Der Minister erinnert zunächst daran, dass die in Artikel 51 enthaltene Maßnahme seit langem verlangt wird und dass sie es ermöglichen wird, die Gleichheit der Steuerpflichtigen vor der Steuer besser zu verwirklichen. Der Minister spricht sich anschließend gegen den Abänderungsantrag aus, indem er hervorhebt, dass der Privatsektor hinsichtlich der Zahlung anderen Regeln unterliegt als die öffentlichen Behörden und dass die Zahlung daher leicht zeitlich gestreckt werden kann. Der Minister unterstreicht schließlich, dass ' öffentliche Behörde ' in sehr weitem Sinne definiert wurde (siehe Bericht des Senats, S. 73) » (ebenda, S. 30).

B.9. Die Artikel 10 und 11 der Verfassung gewährleisten den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung. Artikel 172 der Verfassung stellt eine besondere Anwendung dieses Grundsatzes in Steuerangelegenheiten dar.

Der Grundsatz der Gleichheit in Steuerangelegenheiten verbietet es dem Gesetzgeber nicht, gewissen Steuerpflichtigen einen Steuervorteil zu gewähren, sofern der somit eingeführte Behandlungsunterschied vernünftig zu rechtfertigen ist.

B.10. Der in B.4.2 angeführte Behandlungsunterschied ist vernünftig gerechtfertigt hinsichtlich der Zielsetzung des Gesetzgebers, so wie sie aus den in B.8 angeführten Vorarbeiten ersichtlich ist. Der Gesetzgeber hat nämlich die besondere Situation der Inhaber von Profiten berücksichtigt, die durch Verschulden einer öffentlichen Behörde mit Verspätung bezahlt werden, dies wegen der besonderen Beschaffenheit dieser Behörde als Schuldner, der für öffentliche Behörden geltenden spezifischen Regeln in Bezug auf Zahlungen und der sich daraus ergebenden Verzögerungen. Der Gesetzgeber hat im Übrigen berücksichtigt, dass Zahlungen durch Privatpersonen leichter zeitlich gestreckt werden können entsprechend der Erbringung der Leistungen und gemäß den zwischen den Parteien ausgehandelten Vereinbarungen, und zur Vermeidung von Missbräuchen hat er es nicht gewollt, dass die Parteien aus einem Zahlungsrückstand einen Steuervorteil ziehen könnten. Der Gesetzgeber konnte daher rechtmäßig den Standpunkt vertreten, dass er einen Verzug nur dann steuerlich ausgleichen musste, wenn er auf eine öffentliche Behörde zurückzuführen ist.

B.11. Die Vorabentscheidungsfrage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

Artikel 171 Nr. 6 zweiter Gedankenstrich des Einkommensteuergesetzbuches 1992 verstößt nicht gegen die Artikel 10, 11 und 172 der Verfassung.

Verkündet in französischer und niederländischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 19. Dezember 2013.

Der Kanzler,

(gez.) F. Meersschaut

Der Präsident,

(gez.) J. Spreutels