No title

Date :
11-08-2003
Language :
German French Dutch
Size :
7 pages
Section :
Legislation
Source :
Numac 2003200742
Author :
Schiedshof

Original text :

Add the document to a folder () to start annotating it.
Auszug aus dem Urteil Nr. 100/2003 vom 17. Juli 2003
Geschäftsverzeichnisnrn. 2368 und 2374
In Sachen : Klagen auf Nichtigerklärung des Gesetzes vom 9. Juli 2001 « zur Bestätigung der Bestimmungen bezüglich der Pflichtbeiträge des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge », erhoben von der VoG Bemefa und der Arnout AG.
Der Schiedshof,
zusammengesetzt aus den Vorsitzenden A. Arts und M. Melchior, und den Richtern L. François, P. Martens, R. Henneuse, M. Bossuyt, E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman und E. Derycke, unter Assistenz des Kanzlers L. Potoms, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden A. Arts,
verkündet nach Beratung folgendes Urteil:
I. Gegenstand der Klagen und Verfahren
a. Mit einer Klageschrift, die dem Hof mit am 14. Februar 2002 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 15. Februar 2002 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die VoG Bemefa, mit Sitz in 1000 Brüssel, Gasthuisstraat 31, Klage auf Nichtigerklärung des Gesetzes vom 9. Juli 2001 « zur Bestätigung der Bestimmungen bezüglich der Pflichtbeiträge des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge » (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 25. August 2001, zweite Ausgabe), sowie der Artikel 1 und 3 dieses königlichen Erlasses.
b. Mit einer Klageschrift, die dem Hof mit am 25. Februar 2002 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 26. Februar 2002 in der Kanzlei eingegangen ist, erhob die Arnout AG, mit Gesellschaftssitz in 8480 Ichtegem, Oostendsesteenweg 96, Klage auf Nichtigerklärung des vorgenannten Gesetzes.
Diese unter den Nummern 2368 und 2374 ins Geschäftsverzeichnis des Hofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.
(...)
II. In rechtlicher Beziehung
(...)
Die angefochtenen Bestimmungen
B.1.1. Die VoG Bemefa beantragt die Nichtigerklärung der Artikel 2, 3 und 4 des Gesetzes vom 9. Juli 2001 « zur Bestätigung der Bestimmungen bezüglich der Pflichtbeiträge des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge » sowie der Artikel 1 und 3 dieses königlichen Erlasses.
Die Arnout AG beantragt die Nichtigerklärung des obengenannten Gesetzes vom 9. Juli 2001.
B.1.2. Artikel 12 des Gesetzes vom 3. Dezember 1999 « über Massnahmen zur Unterstützung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe » bestimmt:
« Der König kann durch einen im Ministerrat beratenen Erlass objektiv festgelegten Kategorien von Betrieben des landwirtschaftlichen Sektors sowie direkten und indirekten Lieferanten und Abnehmern solcher Betriebe einen Solidaritätsbeitrag zugunsten des Fonds auferlegen, wobei Er die Berechnungsgrundlage, den Satz und die Einziehungsmodalitäten bestimmt.
Ein in Anwendung von Absatz 1 auferlegter Beitrag kann nicht auf Erzeugnisse erhoben werden, die aus anderen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums eingeführt werden. Ein solcher Beitrag kann nicht als Berufsunkosten in Sachen Einkommensteuer abgesetzt werden.
Bei jedem aufgrund des vorliegenden Artikels ergangenen Erlass wird davon ausgegangen, dass er niemals wirksam geworden ist, sofern er nicht binnen sechs Monaten nach seinem Inkrafttreten durch Gesetz bestätigt worden ist. »
B.1.3. Zur Ausführung der obenerwähnten Bestimmung erlegt der königliche Erlass vom 15. Oktober 2000 « über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge » den Herstellern und Markteilnehmern für Futtermittel einen Solidaritätsbeitrag auf (Artikel 1). Der Erlass sieht zwei Arten von Beitragen vor: Pflichtbeiträge (Artikel 3) und freiwillige Beiträge (Artikel 4).
Der Pflichtbeitrag beträgt 0,6 Prozent des Umsatzes des zuletzt abgeschlossenen Geschäftsjahres und ist vor dem 15. Dezember 2000 zu zahlen. Dieser Pflichtbeitrag ist nicht steuerlich abzugsfähig.
Der freiwillige Beitrag beläuft sich auf 0,4 Prozent des Umsatzes des zuletzt abgeschlossenen Geschäftsjahres und kann in vier jährlichen Teilbeträgen gezahlt werden. Dieser freiwillige Beitrag ist steuerlich abzugsfähig.
Die betreffenden Unternehmen können zwischen dem verpflichtenden und dem freiwillige Beitrag wählen. Wenn sie sich vor dem 15. Dezember 2000 zur Zahlung des freiwilligen Beitrags verpflichten, entfällt der Pflichtbeitrag. Wird der freiwillige Beitrag nicht rechtzeitig gezahlt, so ist ein Pflichtbeitrag in Höhe des Anderthalbfachen der noch verbleibenden Summe zu zahlen.
Der königliche Erlass vom 15. Oktober 2000 ist am 20. Oktober 2000, dem Datum der Veröffentlichung im Belgischen Staatsblatt, in Kraft getreten (Artikel 6).
B.1.4. Das Gesetz vom 9. Juli 2001 « zur Bestätigung der Bestimmungen bezüglich der Pflichtbeiträge des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge » besagt:
« Art. 1. Dieses Gesetz regelt eine Angelegenheit im Sinne von Artikel 78 der Verfassung.
Art. 2. Die Bestimmungen über die Pflichtbeiträge des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge werden bestätigt mit Wirkung zum Datum ihres Inkrafttretens.
Art. 3. In Artikel 12 Absatz 3 des Gesetzes vom 3. Dezember 1999 über Massnahmen zur Unterstützung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe werden die Wörter ' sechs Monaten ' ersetzt durch die Wörter ' zwölf Monaten '.
Art. 4. Dieses Gesetz tritt am 19. April 2001 in Kraft. »
In bezug auf die Einreden
B.2.1. Die Wallonische Regierung macht in bezug auf die VoG Bemefa die Einrede der Nichtentgegenhaltbarkeit der Rechtspersönlichkeit geltend, da die Vereinigung nicht nachweise, dass die Anderungen ihrer Satzung im Belgischen Staatsblatt veröffentlicht worden seien und dass ihre Mitgliederliste sowie deren Anderungen bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz hinterlegt worden seien.
B.2.2. De VoG Bemefa führt an, dass das Vorlegen dieses Nachweises nicht durch Artikel 7 Absatz 3 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Schiedshof vorgeschrieben werde.
B.2.3. Der obenerwähnte Artikel 7 Absatz 3 besagt:
« Wenn eine juristische Person die Klage einreicht oder dem Verfahren beitritt, legt diese Partei auf die erste Aufforderung hin den Beweis dafür vor, dass je nach Fall ihre Satzung in den Beilagen zum Belgischen Staatsblatt veröffentlicht wurde oder dass der Beschluss gefasst wurde, die Klage einzureichen beziehungsweise weiterzuführen oder dem Verfahren beizutreten. »
Diese Bestimmung leistet Artikel 26 des VoG-Gesetzes vom 27. Juni 1921, aufgrund dessen - vor seiner Abänderung durch das Gesetz vom 2. Mai 2002 - eine Vereinigung sich nicht gegenüber Dritten auf die Rechtspersönlichkeit berufen kann, wenn die durch die Artikel 9, 10 und 11 vorgeschriebenen Veröffentlichungen und Formalitäten unterblieben sind, keinen Abbruch.
Nicht jedes Versäumnis hinsichtlich der Veröffentlichungsvorschriften dieser Bestimmungen hat notwendigerweise zur Folge, dass die Vereinigung sich gegenüber Dritten nicht auf ihre Rechtspersönlichkeit berufen kann. Dritte können sich jedoch zu Recht weigern, die Vereinigung als getrennte juristische Person anzuerkennen, wenn die wesentlichen Vorschriften dieser Artikel nicht erfüllt sind.
B.2.4. Aufgrund von Artikel 9 Absatz 1 des VoG-Gesetzes - vor seiner Abänderung durch das Gesetz vom 2. Mai 2002 - muss jede Änderung der Satzung binnen einem Monat nach ihrer Verabschiedung in den Anlagen zum Belgischen Staatsblatt veröffentlicht werden.
Die VoG Bemefa hat ihrer Klageschrift eine koordinierte Fassung ihrer Satzung beigefügt, mit Angabe des Datums der Veröffentlichung der ursprünglichen Satzung und ihrer Abänderungen im Belgischen Staatsblatt .
B.2.5. Aufgrund von Artikel 10 des VoG-Gesetzes - vor seiner Abänderung durch das Gesetz vom 2. Mai 2002 - müssen die Mitgliederliste und deren Änderungen bei der Kanzlei des Zivilgerichts hinterlegt werden.
Die VoG Bemefa hat ihrem Erwiderungsschriftsatz den Beleg der Hinterlegung der Mitgliederliste beigefügt.
B.2.6. Die Einrede der Nichtentgegenhaltbarkeit der Rechtspersönlichkeit wird abgewiesen.
B.3.1. Die Wallonische Regierung führt ferner eine Einrede der Unzulässigkeit ratione temporis an, insoweit die Klageschrift der VoG Bemefa gegen den königlichen Erlass vom 15. Oktober 2000 « über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge » gerichtet ist.
B.3.2. Der königliche Erlass vom 15. Oktober 2000 wurde durch das Gesetz vom 9. Juli 2001 bestätigt. Durch die Bestätigung wird davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber sich die durch die ausführende Gewalt in diesem Erlass festgelegten Regeln zu eigen gemacht hat. Die durch Artikel 3 § 1 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Schiedshof vorgeschriebene Frist beginnt am Datum der Veröffentlichung des Bestätigungsgesetzes, sowohl in bezug auf dieses Gesetz als auch in bezug auf den bestätigten Erlass. Vor diesem Datum kann nämlich keine Nichtigkeitsklage gegen den königlichen Erlass beim Hof eingereicht werden.
B.3.3. Die Einrede der Unzulässigkeit ratione temporis wird abgewiesen.
B.4.1. Die VoG Bemefa führt an, die Flämische Regierung könne nicht als beklagte Partei in bezug auf föderale Normen auftreten.
B.4.2. Aufgrund von Artikel 76 § 4 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Schiedshof informiert der Kanzler des Hofes den Ministerrat sowie die Gemeinschafts- und Regionalregierungen und die Präsidenten der gesetzgebenden Versammlungen über die durch interessehabende Einzelpersonen eingereichten Nichtigkeitsklagen. Artikel 85 dieses Gesetzes verleiht ihnen das Recht, innerhalb von 45 Tagen nach dem Eingang dieser Notifikation beim Hof einen Schriftsatz einzureichen.
B.4.3. Die Einrede der Unzulässigkeit in bezug auf die Flämische Regierung wird abgewiesen.
In bezug auf den ersten Klagegrund in der Rechtssache Nr. 2374
B.5.1. Der Klagegrund ist abgleitet aus einem Verstoss gegen die Regeln der Zuständigkeitsverteilung, da die Pflichtbeiträge zu Lasten der nicht zur Landwirtschaft gehörenden Betriebe, die zur Finanzierung des Agrarsektors dienten, auf ein verdecktes Mittel der Wirtschaftspolitik hinausliefen, obwohl diese Politik aufgrund von Artikel 6 § 1 VI Nr. 1 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen zur Zuständigkeit der Regionen gehöre.
B.5.2. Nach Darlegung der Wallonischen Regierung sei der Klagegrund unzulässig, da er in Wirklichkeit gegen Artikel 12 des Ermächtigungsgesetzes vom 3. Dezember 1999 gerichtet sei, der nicht Gegenstand des Verfahrens sei.
B.5.3. Der Umstand, dass die angefochtenen Bestimmungen nur die Ermächtigung ausführen, hat nicht zur Folge, dass sie nicht gegen die Regeln der Zuständigkeitsverteilung verstossen können.
B.6.1. Der Pflichtbeiträge zu Lasten der Hersteller und Marktteilnehmer für Futtermittel wird durch den Föderalstaat aufgrund der ihm durch Artikel 170 § 1 der Verfassung erteilten Steuerbefugnis erhoben.
B.6.2. Artikel 170 §§ 1 und 2 der Verfassung bestimmt:
« § 1. Eine Steuer zugunsten des Staates darf nur durch ein Gesetz eingeführt werden.
§ 2. Eine Steuer zugunsten der Gemeinschaft oder der Region darf nur durch ein Dekret oder durch eine in Artikel 134 erwähnte Regel eingeführt werden.
Hinsichtlich der in Absatz 1 erwähnten Besteuerungen bestimmt das Gesetz die Ausnahmen, deren Notwendigkeit erwiesen ist. »
B.6.3. Zwar kann der Pflichtbeitrag zu Lasten der Hersteller und Markteilnehmer für Futtermittel indirekte Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik der Regionen haben, doch solche Auswirkungen sind ein Merkmal einer jeden Steuermassnahme. Es ist nirgends ersichtlich, dass die angefochtene Massnahmen die Ausübung der regionalen Zuständigkeiten unmöglich machen oder übertrieben erschweren würden.
B.7.1. Die klagende Partei leitet aus Artikel 170 der Verfassung ab, dass das Aufkommen der Steuer für die allgemeinen Ausgaben verwendet werden müsse, und nicht wie in diesem Fall für eine bestimmte Politik wirtschaftlicher Art.
B.7.2. Die Beiträge, die Gegenstand des Verfahrens sind, werden vom Staat und für ihn eingeführt, aber aufgrund von Artikel 10 des Gesetzes vom 3. Dezember 1999 über Massnahmen zur Unterstützung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe werden sie durch das Gesetz selbst dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zugewiesen. Artikel 170 der Verfassung schliesst eine solche Zweckbestimmung nicht aus.
B.8.1. Die klagende Partei führt an, durch die Einführung der beanstandeten Beiträge könnten die Regionen nicht mehr selbst solche Beiträge einführen, um die Kosten der Dioxinkrise zu decken.
B.8.2. Aufgrund von Artikel 170 § 2 Absatz 2 der Verfassung verfügen die Gemeinschaften und Regionen über eine eigene Steuerbefugnis. Diese Bestimmung erkennt dem föderalen Gesetzgeber jedoch die Befugnis an, hinsichtlich der Steuerbefugnis der Gemeinschaften und Regionen die Ausnahmen festzulegen, « deren Notwendigkeit erwiesen ist ». Der föderale Gesetzgeber kann deshalb bestimmen, welche Steuern nicht von den Gemeinschaften und Regionen erhoben werden dürfen.
B.8.3. In Anwendung von Artikel 1 § 2 des Sondergesetzes vom 16. Januar 1989 bezüglich der Finanzierung der Gemeinschaften und Regionen verfügen die Flämische Region, die Wallonische Region und die Region Brüssel-Hauptstadt über folgende Finanzmittel:
a) die Steuern, die aufgrund des durch Artikel 170 § 2 der Verfassung vorgesehenen eigenen Steuerwesens eingeführt worden sind;
b) die nichtsteuerlichen Einnahmen;
c) die steuerlichen Einnahmen im Sinne des vorgenannten Sondergesetzes vom 16. Januar 1989;
d) die zugewiesenen Teile des Aufkommens von Steuern und Abgaben;
e) einen nationalen Solidaritätsbeitrag;
f) die Anleihen.
B.8.4. Artikel 11 Absatz 3 des Sondergesetzes vom 16. Januar 1989 bezüglich der Finanzierung der Gemeinschaften und Regionen lautet:
« Unter Vorbehalt der in diesem Gesetz vorgesehenen Fälle sind die Gemeinschaften und die Regionen nicht befugt, Steuern in Angelegenheiten zu erheben, die Gegenstand einer in diesem Gesetz vorgesehenen Besteuerung sind. »
B.8.5. In Anwendung von Artikel 170 § 2 Absatz 2 der Verfassung bestimmt Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Januar 1989 bezüglich der in Artikel 110 (jetzt 170) §§ 1 und 2 der Verfassung genannten Steuerkompetenz folgendes:
« In den Fällen, die nicht in Artikel 11 des Sondergesetzes vom 16. Januar 1989 bezüglich der Finanzierung der Gemeinschaften und Regionen vorgesehen sind, sind die Räte weder dazu ermächtigt, Steuern in Angelegenheiten, die Gegenstand einer Besteuerung durch den Staat sind, zu erheben, noch Zuschläge auf Steuern und Abgaben zugunsten des Staates zu erheben, noch Ermässigungen derselben zu gewähren. »
B.8.6. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich folgendes:
a) Den Gemeinschaften und Regionen wird durch die Verfassung selbst eine eigene Steuerkompetenz eingeräumt, unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass das Gesetz « die Ausnahmen, deren Notwendigkeit erwiesen ist » nicht bestimmt hat bzw. nicht nachträglich bestimmt.
b) Den Gemeinschaften und Regionen wird ausserdem das Aufkommen bestimmter föderaler Steuern sowie eine zusätzliche und beschränkte Steuerkompetenz durch das Sondergesetz vom 16. Januar 1989 zugewiesen.
c) Die Gemeinschaften und Regionen dürfen allerdings keine Steuern in Angelegenheiten erheben, die den Gegenstand einer föderalen Steuer bilden. Sie « können in unberührten Angelegenheiten Steuern erheben » (Parl. Dok ., Senat, 1988-1989, Nr. 562-2, S. 160).
B.9. Der erste Klagegrund in der Rechtssache Nr. 2374 ist nicht annehmbar.
In bezug auf den ersten Klagegrund in der Rechtssache Nr. 2368
B.10.1. Der Klagegrund ist abgeleitet aus einem Verstoss gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit deren Artikeln 76, 170 und 172 sowie gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.
Im ersten Teil führt die klagende Partei an, Artikel 2 des Gesetzes vom 9. Juli 2001 bestätige eine Steuer, die durch die Artikel 1 und 3 des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 eingeführt worden sei, während Artikel 170 der Verfassung bestimme, dass Steuern nur durch den Gesetzgeber auferlegt werden könnten, und Artikel 76 der Verfassung bestimme, dass über jeden Gesetzesartikel getrennt abgestimmt werde und dass Parlamentsmitglieder das Recht hätten, die einzelnen Gesetzesartikel aufzuteilen und abzuändern. Nur im Falle der absoluten Notwendigkeit könne die Technik der Ermächtigung und Bestätigung in Anspruch genommen werden.
In einem zweiten Teil führt die klagende Partei an, Artikel 2 des Gesetzes vom 9. Juli 2001 bestätige die Artikel 1 und 3 des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 nicht innerhalb der in der Ermächtigungsbestimmung vorgesehenen Frist von sechs Monaten, und Artikel 3 des Gesetzes vom 9. Juli 2001 ändere die Ermächtigungsbestimmung in diesem Punkt rückwirkend ab, während gemäss der Rechtsprechung des Hofes ein königlicher Erlass, der eine Steuer einführe, innerhalb der vorgesehenen Frist durch Gesetz bestätigt werden müsse. Diese Frist dürfe in keinem Fall verlängert werden.
B.10.2. Der Hof ist nicht befugt, die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar anhand eines Grundsatzes der Rechtssicherheit zu prüfen.
B.10.3. Nach Darlegung des Ministerrates, der Flämischen Regierung und der Wallonischen Regierung sei der Klagegrund unzulässig, da er in Wirklichkeit gegen Artikel 12 des Ermächtigungsgesetzes vom 3. Dezember 1999 gerichtet sei, der nicht Gegenstand des Verfahrens sei.
B.10.4. Der Umstand, dass die angefochtenen Bestimmungen nur die Ermächtigung ausführen, hat nicht zur Folge, dass sie nicht gegen die Verfassungsvorschriften der Gleichheit und Nichtdiskriminierung verstossen können.
B.11.1. Aus dem obengenannten Artikel 170 § 1 der Verfassung ist abzuleiten, dass keinerlei Steuer erhoben werden kann ohne die Zustimmung der Steuerpflichtigen, die durch ihre Vertreter zum Ausdruck gelangt. Wird diese Bestimmung nicht beachtet, so beinhaltet dies einen Verstoss gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung. Sie beinhaltet nämlich einen nicht zu rechtfertigenden Behandlungsunterschied zwischen zwei Kategorien von Steuerpflichtigen, und zwar zwischen denjenigen, die die Garantie geniessen, dass niemand einer Steuer unterworfen werden kann, wenn dies nicht durch eine demokratisch gewählte beratende Versammlung beschlossen wurde, und denjenigen, denen diese Verfassungsgarantie vorenthalten bleibt. Daraus ergibt sich, dass der Sachbereich der Steuern eine Zuständigkeit ist, die durch die Verfassung dem Gesetz vorbehalten wird und dass jede Ermächtigung, die sich auf die Festlegung eines der wesentlichen Elemente der Steuer bezieht, grundsätzlich verfassungswidrig ist.
B.11.2. Wenn es dem Gesetzgeber jedoch unmöglich ist, selbst alle wesentlichen Elemente einer Steuer festzulegen, weil die Beachtung des parlamentarischen Verfahrens ihn nicht in die Lage versetzen würde, mit der erforderlichen Schnelligkeit zu handeln, damit eine Zielsetzung des Gemeinwohls verwirklich werden kann, ist es annehmbar, dass er den König ermächtigt, dies zu tun, unter der Bedingung, dass diese Ermächtigung ausdrücklich und unzweideutig ist und dass die vom König ergriffenen Massnahmen durch die gesetzgebende Gewalt innerhalb einer im Ermächtigungsgesetz festgelegten, relativ kurzen Frist geprüft werden.
B.11.3. Im vorliegenden Fall kann die sogenannte Dioxinkrise als ein Umstand angesehen werden, der es rechtfertigt, dass der Gesetzgeber den König ermächtigt hat, eine Steuermassnahme zu ergreifen, die es ermöglichte, die erforderlichen Mittel zusammenzubringen, damit die von der Krise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe unterstützt werden konnten. Diese Ermächtigung ist Gegenstand des Gesetzes vom 3. Dezember 1999, das vor dem Hof nicht angefochten wird.
B.11.4. Artikel 12 Absatz 3 des Ermächtigungsgesetzes vom 3. Dezember 1999 hat vorgesehen, dass davon ausgegangen wird, dass die aufgrund von Artikel 12 Absatz 1 ergangenen königlichen Erlasse niemals wirksam geworden sind, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Datum ihres Inkrafttretens durch den Gesetzgeber bestätigt wurden.
Der königliche Erlass vom 15. Oktober 2000, der aufgrund dieser Ermächtigung ergangen ist, ist am 20. Oktober 2000 in Kraft getreten, und die klagende Partei hat dagegen beim Staatsrat eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Da der Erlass am 21. April 2001 nicht bestätigt worden war, ist aufgrund von Artikel 12 Absatz 3 des Gesetzes vom 3. Dezember 1999 davon auszugehen, dass er niemals wirksam geworden ist.
B.11.5. Obwohl die Bestätigungsfrist seit dem 21. April 2001 abgelaufen war, hat der Gesetzgeber mit dem angefochtenen Gesetz vom 9. Juli 2001 den verfallenen königlichen Erlass bestätigt. Um die nicht rechtzeitige Bestätigung zu decken, hat er die ursprünglich vorgeschriebene Bestätigungsfrist von sechs Monaten durch eine Frist von zwölf Monaten ersetzt (Artikel 3). Indem er im Bestätigungsgesetz die Rückwirkung vorgesehen hat (Artikel 4), hat er es ermöglicht, die ursprüngliche Frist rückwirkend durch diese neue Frist zu ersetzen, damit der königliche Erlass vom 15. Oktober 2000 erneut im Hinblick auf die Bestätigung in Kraft treten konnte (Artikel 2).
B.11.6. Mit dieser Bestätigung verstösst der Gesetzgeber jedoch gegen den allgemeinen Grundsatz der Nichtrückwirkung der Gesetze. Auch wenn die Dioxinkrise es rechtfertigen konnte, dass der König durch das Gesetz vom 3. Dezember 1999 ermächtigt wurde, eine Steuermassnahme zu ergreifen, kann derselbe Umstand es nicht rechtfertigen, dass diese Massnahme unter Verletzung der Frist, die der Gesetzgeber bei Strafe des Verfalls selbst festgelegt hatte, und ohne Beachtung des Grundsatzes der Nichtrückwirkung der Gesetze bestätigt wurde.
B.11.7. So ist eine Kategorie von Personen, die durch die angefochtene steuerliche Massnahmen einen Schaden erleidet, von einem neuen Behandlungsunterschied betroffen, da ihr die Garantie entzogen wird, wonach das Gesetz nur für die Zukunft gilt, was, abgesehen von aussergewöhnlichen Umständen, ausschliesst, dass der Gesetzgeber eine abgelaufene Frist rückwirkend verlängern könnte.
B.11.8. Die angefochtene Bestimmung wird durch folgende Erwägungen begründet:
« Der Minister beschreibt anschliessend das Verfahren, das zu durchlaufen ist, bevor im Parlament ein Gesetzentwurf eingereicht werden kann, unter anderem das Gutachten der Finanzinspektion, das Einverständnis des Haushaltsministers, die Beratung des Ministerrates und das Gutachten des Staatsrates. Ausserdem verfügt der Senat in dieser Angelegenheit über ein Evokationsrecht, so dass die Frist von sechs Monaten für das gesamte Verfahren - einschliesslich der Erörterung im Parlament - sich in bezug auf den vorliegenden Entwurf des Ermächtigungsgesetzes als zu optimistisch erwiesen hat. » (Parl. Dok. , Kammer, 2000-2001, DOC 50 1159/3, S. 7)
B.11.9. Diese Erklärung kann die angefochtene Massnahme nicht rechtfertigen. Statt aussergewöhnliche Umstände anzuführen, beschränkt sie sich darauf, das übliche Verfahren für die Entstehung des Gesetzes zu beschreiben. Aus der Erklärung geht hervor, dass nicht das Notwendige veranlasst wurde, um die Frist von sechs Monaten einzuhalten, da der Entwurf des Bestätigungsgesetzes erst am 2. Februar 2001 der Abgeordnetenkammer vorgelegt wurde, also mehr als dreieinhalb Monate, nachdem der König den königlichen Erlass gefasst hatte, der zu bestätigen war.
B.11.10. Indem das angefochtene Gesetz den königlichen Erlass vom 15. Oktober 2000 nicht innerhalb der durch das Gesetz vom 3. Dezember 1999 festgelegten Frist bestätigt hat, und indem es im Gegenteil diese Frist rückwirkend abgeändert hat, um eine nicht rechtzeitige Bestätigung zu decken, verstösst es gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit deren Artikel 170 und mit dem allgemeinen Grundsatz der Nichtrückwirkung der Gesetze.
B.11.11. Der zweite Teil des Klagegrunds ist begründet.
B.11.12. Es obliegt dem Gesetzgeber, falls er dies für angebracht hält, eine neue Massnahme unter Beachtung der Verfassungsvorschriften zu ergreifen.
Aus diesen Gründen:
Der Hof
erklärt das Gesetz vom 9. Juli 2001 « zur Bestätigung der Bestimmungen bezüglich der Pflichtbeiträge des königlichen Erlasses vom 15. Oktober 2000 über die vom Futtermittelsektor dem Fonds für die Entschädigung der von der Dioxinkrise betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zu leistenden Pflichtbeiträge und freiwilligen Beiträge » für nichtig.
Verkündet in niederländischer, französischer und deutscher Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Schiedshof, in der öffentlichen Sitzung vom 17. Juli 2003.
Der Kanzler,
L. Potoms.
Der Vorsitzende,
A. Arts.