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Date :
11-09-2014
Language :
German French Dutch
Size :
5 pages
Section :
Legislation
Source :
Numac 2014204444
Author :
Verfassungsgerichtshof

Original text :

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Auszug aus dem Entscheid Nr. 79/2014 vom 8. Mai 2014
Geschäftsverzeichnisnummer 5681
In Sachen: Vorabentscheidungsfrage in Bezug auf Artikel 265 § 2 des Gesellschaftsgesetzbuches, gestellt vom Handelsgericht Antwerpen.
Der Verfassungsgerichtshof,
zusammengesetzt aus den Präsidenten A. Alen und J. Spreutels, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten A. Alen,
erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:
I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren
In seinem Urteil vom 19. Juni 2013 in Sachen des Landesamtes für soziale Sicherheit gegen Stefan Poppe beziehungsweise gegen Isabel Van Osselaer, handelnd in ihrer Eigenschaft als Konkursverwalterin, und andere, dessen Ausfertigung am 27. Juni 2013 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das Handelsgericht Antwerpen folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:
« Aufgrund von Artikel 265 § 2 des Gesellschaftsgesetzbuches in der zurzeit geltenden Fassung können Geschäftsführer, ehemalige Geschäftsführer und alle anderen Personen, die effektiv befugt gewesen sind, die Gesellschaft zu verwalten, vom Landesamt für soziale Sicherheit und vom Konkursverwalter persönlich und gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden für die Gesamtheit oder einen Teil der zum Zeitpunkt der Verkündung des Konkurses geschuldeten Sozialbeiträge, Beitragszuschläge, Verzugszinsen und der Pauschalentschädigung erwähnt in Artikel 54ter des königlichen Erlasses vom 28. November 1969 (...), unter anderem wenn sie sich im Laufe eines Zeitraums von fünf Jahren vor Verkündung des Konkurses in der in Artikel 38 § 3octies Nr. 8 des Gesetzes vom 29. Juni 1981 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze der sozialen Sicherheit für Lohnempfänger beschriebenen Situation befunden haben.
Verstößt dieser Artikel gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, indem
- erster Teil -
er dazu führt, dass eine automatische, persönliche und gesamtschuldnerische Haftung für die Geschäftsführer, die ehemaligen Geschäftsführer und alle anderen Personen, die effektiv befugt gewesen sind, die Gesellschaft zu verwalten, eingeführt wird, ohne dass dem Gericht die Befugnis überlassen wird, zu beurteilen, ob wirklich ein schwerwiegender Fehler vorliegt und ob sich die Konkurse unabhängig von ihrem Willen ereignet haben, und dies somit (unter anderem und nicht ausschließlich) nicht im Verhältnis zu dem steht, was zum Erreichen des angestrebten Ziels erforderlich ist, und demzufolge zu unverhältnismäßigen Folgen führt, indem dieser Gesetzesartikel den gutgläubigen und den bösgläubigen Geschäftsführer auf dieselbe Weise persönlich und gesamtschuldnerisch haftbar macht;
- zweiter Teil -
er dazu führt, dass eine automatische, persönliche und gesamtschuldnerische Haftung für die Geschäftsführer, die ehemaligen Geschäftsführer und alle anderen Personen, die effektiv befugt gewesen sind, die Gesellschaft zu verwalten, eingeführt wird, ohne jede Unterscheidung zwischen einerseits der Situation, in der wiederholt Gesellschaften nacheinander gegründet werden, die man mit Sozialschulden in Konkurs gehen lässt, woraufhin wieder eine Gesellschaft gegründet wird, die man wieder mit Sozialschulden in Konkurs gehen lässt, wobei dieses Vorgehen im Laufe der Zeit systematisch wiederholt wird, und andererseits der Situation, in der mehrere Gesellschaften zu (nahezu) demselben Zeitpunkt gegründet werden, sie gleichzeitig wirtschaftlich tätig sind, und nachher in einer sehr kurzen Zeitspanne alle in Konkurs gehen, und somit (unter anderem und nicht ausschließlich) das objektive Kriterium des fraglichen Gesetzesartikels, angewandt in der letztgenannten Situation, nicht im Verhältnis steht oder beiträgt zu dem vom Gesetzgeber angestrebten Ziel;
- dritter Teil -
er dazu führt, dass eine automatische, persönliche und gesamtschuldnerische Haftung für die Geschäftsführer, die ehemaligen Geschäftsführer und alle anderen Personen, die effektiv befugt gewesen sind, die Gesellschaft zu verwalten, eingeführt wird, ohne dass unterschieden wird zwischen den Gesellschaften, die vor oder nach dem Inkrafttreten des zurzeit geltenden Artikels 265 § 2 des Gesellschaftsgesetzbuches gegründet wurden, wodurch die Geschäftsführer der Gesellschaften, die vor dem Inkrafttreten gegründet wurden, nicht mit einem Mindestmaß an Vorhersehbarkeit ihr Risiko der automatischen, persönlichen und gesamtschuldnerischen Haftung hätten einschätzen konnten, und somit (unter anderem und nicht ausschließlich) unverhältnismäßig gegen das Prinzip des Mindestmaßes an Vorhersehbarkeit der persönlichen Haftung verstoßen wird? ».
(...)
III. Rechtliche Würdigung
(...)
B.1.1. Artikel 265 § 2 des Gesellschaftsgesetzbuches bestimmt:
« Unbeschadet von § 1 können Geschäftsführer, ehemalige Geschäftsführer und alle anderen Personen, die effektiv befugt gewesen sind, die Gesellschaft zu verwalten, vom Landesamt für soziale Sicherheit und vom Konkursverwalter persönlich und gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden für die Gesamtheit oder einen Teil der zum Zeitpunkt der Verkündung des Konkurses geschuldeten Sozialbeiträge, Beitragszuschläge, Verzugszinsen und der Pauschalentschädigung erwähnt in Artikel 54ter des Königlichen Erlasses vom 28. November 1969 zur Ausführung des Gesetzes vom 27. Juni 1969 zur Revision des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer, wenn erwiesen ist, dass ein von ihnen begangener als schwerwiegend anzusehender Fehler dem Konkurs zugrunde lag, oder wenn sich die Geschäftsführer, ehemaligen Geschäftsführer und Verantwortlichen im Laufe eines Zeitraums von fünf Jahren vor Verkündung des Konkurses in der in Artikel 38 § 3octies Nr. 8 des Gesetzes vom 29. Juni 1981 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze der sozialen Sicherheit für Lohnempfänger beschriebenen Situation befunden haben.
Das Landesamt für soziale Sicherheit oder der Konkursverwalter erheben vor dem Handelsgericht, das über den Konkurs der Gesellschaft erkennt, Klage in Sachen persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der in Absatz 1 erwähnten Leiter.
Paragraph 1 Absatz 2 ist in Bezug auf vorerwähnte Schulden nicht auf das vorerwähnte Landesamt und den vorerwähnten Konkursverwalter anwendbar.
Als schwerwiegend anzusehender Fehler gilt jede schwere und organisierte Steuerhinterziehung im Sinne von Artikel 3 § 2 des Gesetzes vom 11. Januar 1993 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und die Tatsache, dass die Gesellschaft von einem Geschäftsführer oder Verantwortlichen geleitet wird, der in mindestens zwei Konkursen, Liquidationen oder gleichartigen Verrichtungen verwickelt war, die zu Schulden bei einer Einrichtung zur Einziehung von Sozialbeiträgen geführt haben. Der König kann nach Stellungnahme des geschäftsführenden Ausschusses des Landesamts für soziale Sicherheit Sachverhalte, Angaben oder Umstände bestimmen, die im Hinblick auf die Anwendung des vorliegenden Paragraphen ebenfalls als schwerwiegend anzusehender Fehler betrachtet werden können ».
B.1.2. Artikel 38 § 3octies des Gesetzes vom 29. Juni 1981 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze der sozialen Sicherheit für Lohnempfänger, auf den im fraglichen Artikel Bezug genommen wird, bestimmt:
« Um Anspruch auf den Vorteil der vollständigen oder teilweisen Befreiung von Sozialversicherungsbeiträgen, die in den Paragraphen 3 und 3bis erwähnt sind, der vollständigen oder teilweisen Befreiung der Zahlung der einbehaltenen Beiträge, einer Ermäßigung von Sozialversicherungsbeiträgen, die in den Paragraphen 2, 3 und 3bis erwähnt sind, und einer durch oder aufgrund des vorliegenden Gesetzes vorgesehenen Pauschalbeitragsregelung erheben zu können, darf der Arbeitgeber sich nicht in einer der nachfolgenden Situationen befinden:
[...]
8. Wenn es sich um eine juristische Person handelt: Unter den Verwaltern, Geschäftsführern oder Personen, die befugt sind, die Gesellschaft zu verpflichten, gibt es Personen, die in mindestens zwei Konkursen, Liquidationen oder gleichartigen Verrichtungen verwickelt waren, die zu Schulden bei einer Einrichtung zur Beitreibung von Sozialversicherungsbeiträgen geführt haben.
[...] ».
B.2. Artikel 265 § 2 des Gesellschaftsgesetzbuches führt eine besondere Haftung von Geschäftsführern, ehemaligen Geschäftsführern und allen anderen Personen, die effektiv befugt gewesen sind, die Gesellschaft zu verwalten, für nicht gezahlte Beiträge zur sozialen Sicherheit ein. Sie können nämlich unter bestimmten Bedingungen persönlich und gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden für die Gesamtheit oder einen Teil aller zum Zeitpunkt der Verkündung des Konkurses geschuldeten Sozialbeiträge, Beitragszuschläge, Verzugszinsen und der Pauschalentschädigung im Sinne von Artikel 54ter des königlichen Erlasses vom 28. November 1969 zur Ausführung des Gesetzes vom 27. Juni 1969 zur Revision des Erlassgesetzes vom 28. Dezember 1944 über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer.
Damit dies beschlossen werden kann, muss jedoch feststehen, dass sie entweder einen schwerwiegenden Fehler begangen haben, der dem Konkurs zugrunde lag (erste Hypothese), oder dass sie innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor Verkündung des Konkurses bereits in mindestens zwei Konkursen, Liquidationen oder gleichartigen Verrichtungen verwickelt waren, die zu Schulden bei einer Einrichtung zur Einziehung von Sozialbeiträgen geführt haben (zweite Hypothese). Die Vorabentscheidungsfrage betrifft nur die letztgenannte Hypothese, weshalb der Gerichtshof seine Prüfung darauf beschränkt. Der Gerichtshof äußert sich also weder zu der Haftung infolge eines schwerwiegenden Fehlers, der dem Konkurs zugrunde lag, noch zu dem, was in Absatz 4 der fraglichen Bestimmung als schwerwiegender Fehler angesehen wird.
B.3.1. Der erste Teil der Vorabentscheidungsfrage betrifft die Vereinbarkeit der fraglichen Bestimmung mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung, insofern sie für eine bestimmte Kategorie von Geschäftsführern und Verwaltern von Gesellschaften eine automatische, persönliche und gesamtschuldnerische Haftung einführe, ohne dass dem Gericht irgendeine Ermessensbefugnis über die Frage, ob die Konkurse unabhängig von ihrem Willen eingetreten seien, überlassen werde, und indem nicht danach unterschieden werde, ob die Betreffenden gutgläubig oder bösgläubig gehandelt hätten.
B.3.2. Der zweite Teil der Vorabentscheidungsfrage betrifft die Vereinbarkeit der fraglichen Bestimmung mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung, insofern die betreffende Haftungsregelung gelte, ohne dass ein Unterschied gemacht werde zwischen einerseits der Situation, in der wiederholt Gesellschaften nacheinander gegründet würden, die man wieder mit Sozialversicherungsschulden in Konkurs gehen lasse, wobei dieses Verfahren systematisch wiederholt werde, und andererseits der Situation, in der mehrere, miteinander verbundene Gesellschaften gleichzeitig gegründet würden und wirtschaftlich tätig seien und anschließend praktisch gleichzeitig in Konkurs gingen.
B.4. Die Einführung einer besonderen Haftungsregelung für Schulden der sozialen Sicherheit wurde gerechtfertigt als ein Instrument zur besseren Eintreibung der Sozialversicherungsbeiträge (Parl. Dok., Kammer, 2005-2006, DOC 51-2517/003, S. 7; DOC 51-2517/011, S. 8).
Bei der Erörterung des Abänderungsantrags, der zur Änderung der fraglichen Bestimmung durch das Gesetz vom 27. Dezember 2006 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen (I) geführt hat, wurde hervorgehoben, dass diese Bestimmung vor allem gegen böswillige Unternehmer gerichtet sei:
« Es geht nicht an, dass gewisse böswillige Arbeitgeber Unternehmen gründen und zu dem Zeitpunkt, wo die ersten Zahlungen erfolgen müssen, den Betrieb schließen, um anschließend eine neue Gesellschaft zu gründen, usw. Es kommt darauf an, dass die geschuldeten Beiträge korrekt gezahlt werden » (Parl. Dok., Kammer, 2006-2007, DOC 51-2760/030, S. 6).
B.5. Die durch die fragliche Bestimmung eingeführte persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der in der Vorabentscheidungsfrage erwähnten Kategorie von Personen wird umschrieben als eine « objektive Haftung » (Gutachten der Gesetzgebungsabteilung des Staatsrates, Parl. Dok., Kammer, 2005-2006, DOC 51-2517/003, Nr. 1, S. 10). Die Tatsache, dass die Geschäftsführer oder Verwalter im Laufe des Zeitraums von fünf Jahren vor Verkündung des Konkurses bereits in mindestens zwei Konkursen, Liquidationen oder gleichartigen Verrichtungen verwickelt waren, die zu Schulden bei einer Einrichtung zur Einziehung von Sozialbeiträgen geführt haben, kann nämlich genauso wie « ein als schwerwiegend anzusehender Fehler [, der] dem Konkurs zugrunde lag » zu ihrer persönlichen und gesamtschuldnerischen Haftung führen.
B.6. Die fragliche Maßnahme, die für die Kategorie von Geschäftsführern und Verwaltern gilt, die sich in der in B.5 beschriebenen Situation befinden, beruht auf einem Kriterium, das mit dem in B.4 erwähnten Ziel zusammenhängt, da sie die Geschäftsführer und Verwalter jener Gesellschaften betrifft, die wiederholt die Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt haben.
B.7. Auf Streitsachen in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge kann Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention der Anwendung finden auf der Grundlage einer Abwägung der öffentlich- und privatrechtlichen Aspekte der zu beurteilenden Regelung (EuGHMR, 9. Dezember 1994, Schouten und Meldrum gegen Niederlande, §§ 52-60). Wenn, wie in diesem Fall, aufgrund der fraglichen Bestimmung nicht die beitragspflichtige Gesellschaft selbst, sondern die Geschäftsführer und Verwalter dieser Gesellschaft, in Abweichung von der gewöhnlichen Haftungsregelung mit ihrem persönlichen Vermögen zur Zahlung der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge und Zusatzbeträge verurteilt werden können, geht es um eine Streitsache über « zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen » im Sinne der vorerwähnten Vertragsbestimmung.
Daraus ergibt sich, dass den in der fraglichen Bestimmung erwähnten Geschäftsführern und Verwaltern bezüglich der Klage des Landesamtes für soziale Sicherheit oder des Konkursverwalters das Recht auf Zugang zu einem Gericht mit voller Rechtsprechungsbefugnis garantiert werden muss.
B.8. Die fragliche Bestimmung führt eine objektive Haftung ein und verleiht dem Landesamt für soziale Sicherheit und dem Konkursverwalter eine Ermessensbefugnis, um die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge und Zusatzbeträge insgesamt oder teilweise zurückzufordern.
Die Klage in Bezug auf die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung muss jedoch bei einem Rechtsprechungsorgan eingereicht werden, nämlich dem Handelsgericht, das über den Konkurs der Gesellschaft befindet. Dieses Gericht muss beurteilen, ob die gesetzlichen Bedingungen für die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung erfüllt sind, und es prüft insbesondere, ob die betreffenden Geschäftsführer und Verwalter im Laufe des Zeitraums von fünf Jahren vor einem neuen Konkurs in mindestens zwei weiteren Konkursen verwickelt waren, die zu Schulden bei einer Einrichtung zur Einziehung von Sozialbeiträgen geführt haben.
Da die fragliche Bestimmung vorsieht, dass die darin erwähnten Personen persönlich und gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden könen « für die Gesamtheit oder einen Teil der [...] Sozialbeiträge, Beitragszuschläge, Verzugszinsen und der Pauschalentschädigung », ermöglicht sie es außerdem dem Landesamt für soziale Sicherheit und dem Konkursverwalter, das Maß dieser gesamtschuldnerischen Haftung zu bestimmen, und muss das Gericht rechtlich und faktisch die Höhe der geschuldeten Sozialbeiträge, Beitragszuschläge, Verzugszinsen und der Pauschalentschädigung auf der Grundlage der bei ihm eingereichten Klage beurteilen können. In Bezug auf die Höhe der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge und Zusatzbeträge besitzt das zuständige Gericht bei der Behandlung der eingereichten Klage also die gleiche Ermessensbefugnis wie das Landesamt für soziale Sicherheit und der Konkursverwalter. In dieser Auslegung wird den betreffenden Geschäftsführern und Verwaltern der Zugang zu einem Richter mit voller Rechtsprechungsbefugnis gewährleistet.
B.9.1. In der fraglichen Bestimmung heißt es, dass die betreffenden Personen haftbar gemacht werden « können », so dass der Richter feststellen muss, ob im konkreten Fall die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer und Verwalter vorliegt (Parl. Dok., Kammer, 2005-2006, DOC 51-2517/011, S. 14).
B.9.2. Wie in B.4 dargelegt wurde, geht aus dem Zustandekommen der fraglichen Bestimmung hervor, dass der Gesetzgeber vor allem die bösgläubig handelnden Geschäftsführer und Verwalter haftbar machen wollte, die sich des Sozialbetrugs schuldig machen, indem sie ein Unternehmen gründen und anschließend einen Konkurs herbeiführen, ohne dass sie ihre Sozialversicherungsschulden bezahlt haben, und diese Vorgehensweise mehrere Male wiederholen.
Ein Richter, der darüber urteilen muss, ob die gesetzlichen Bedingungen für die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung erfüllt sind, kann prüfen, ob im Falle der wiederholten Beteiligung an Konkursen mit Sozialversicherungsschulden ein solches Verfahren der betrügerischen Wiederholung vorliegt und kann bei der Bestimmung der Höhe der Beträge, für die der Geschäftsführer oder Verwalter aufkommen muss, daher dem Umstand Rechnung tragen, ob dieser gutgläubig gehandelt hat oder nicht.
B.9.3. Vorbehaltlich dieser Auslegung ist die fragliche Maßnahme vernünftig gerechtfertigt im Lichte des angestrebten Ziels und sind der erste und der zweite Teil der Vorabentscheidungsfrage verneinend zu beantworten.
B.10.1. Im dritten Teil der Vorabentscheidungsfrage möchte der vorlegende Richter vom Gerichtshof erfahren, ob die fragliche Bestimmung gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstoße, indem nicht unterschieden werde zwischen Gesellschaften je nachdem, ob sie vor oder nach dem Inkrafttreten der fraglichen Bestimmung gegründet worden seien, was bedeute, dass Geschäftsführer und Verwalter von Gesellschaften, die vor dem Inkrafttreten der fraglichen Bestimmung gegründet worden seien, nicht mit einem Mindestmaß an Vorhersehbarkeit das Risiko ihrer Haftung hätten einschätzen können.
B.10.2. Die fragliche Bestimmung führt in Anbetracht des Zeitpunktes, zu dem sie wirksam wird - in diesem Fall seit dem 1. September 2006 ausgesprochene Konkurse -, einen Unterschied ein zwischen Personen, die von der Rechtslage unter Anwendung der früheren Regelung betroffen sind, und Personen, die von der Rechtslage unter Anwendung der neuen Regelung betroffen sind. Ein solcher Unterschied ist nicht unvereinbar mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung. Jede Gesetzesänderung würde unmöglich, wenn man davon ausgehen würde, dass eine neue Bestimmung aus dem bloßen Grund, dass sie die Anwendungsbedingungen der früheren Rechtsvorschriften ändert, gegen diese Verfassungsartikel verstoßen würde, nur weil sie die Berechnungen derjenigen stören würde, die von der früheren Situation ausgegangen sind, oder nur weil sie die Erwartungen einer Partei in einem Gerichtsverfahren durchkreuzen würde.
Gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung wird nur verstoßen, wenn das Fehlen einer Übergangsbestimmung zu einem Behandlungsunterschied führt, für den keine vernünftige Rechtfertigung besteht, oder wenn der Vertrauensgrundsatz auf unverhältnismäßige Weise verletzt wird.
B.11.1. Der Gesetzgeber konnte Maßnahmen annehmen, um die Vorgehensweise von Geschäftsführern oder Verwaltern von Gesellschaften zu vereiteln, die systematisch versuchen, die Zahlung von Sozialbeiträgen zu umgehen. Der Umstand, dass eine solche Vorgehensweise bei der Gründung einer Gesellschaft vor dem Zustandekommen der fraglichen Bestimmung nicht die persönliche Haftung der Betroffenen zur Folge haben konnte, konnte bei ihnen nicht die rechtmäßige Erwartung entstehen lassen, dass dies auch in Zukunft so bleiben würde.
B.11.2. Der dritte Teil der Vorabentscheidungsfrage ist verneinend zu beantworten.
Aus diesen Gründen:
Der Gerichtshof
erkennt für Recht:
Vorbehaltlich der in B.8 und B.9 erwähnten Auslegung verstößt Artikel 265 § 2 des Gesellschaftsgesetzbuches nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.
Erlassen in niederländischer und französischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 8. Mai 2014.
Der Kanzler,
(gez.) P.-Y. Dutilleux
Der Präsident,
(gez.) A. Alen