Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 11 Mai 2016 (België). RG 63/2016

Date :
11-05-2016
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
4 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20160511-1
Numéro de rôle :
63/2016

Résumé :

Der Gerichtshof erklärt Artikel 95 des Gesetzes vom 12. Mai 2014 über die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften für nichtig.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten E. De Groot und J. Spreutels, und den Richtern L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten E. De Groot,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Klage und Verfahren

Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 30. Dezember 2014 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 31. Dezember 2014 in der Kanzlei eingegangen sind, erhoben Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 95 des Gesetzes vom 12. Mai 2014 über die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften (Ergänzung von Artikel 266 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 um eine Nr. 4), veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 30. Juni 2014: die « Leasinvest Real Estate » KGaA, die « Retail Estates » AG, die « Warehouses De Pauw » KGaA, die « Home Invest Belgium » AG, die « Cofinimmo » AG, die « Befimmo » AG, die « Montea » KGaA, die « Intervest Offices & Warehouses » AG und die « Vastned Retail Belgium » AG, unterstützt und vertreten durch RA W. Claes und RA B. Martel, in Brüssel zugelassen.

(...)

II. Rechtliche Würdigung

(...)

In Bezug auf die angefochtene Bestimmung

B.1.1. Artikel 266 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 (nachstehend: EStGB 1992) bestimmte vor seiner Abänderung durch Artikel 95 des Gesetzes vom 12. Mai 2014 über die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften:

« Der König kann unter Bedingungen und in Grenzen, die Er bestimmt, ganz oder teilweise von der Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs auf Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern und auf verschiedene Einkünfte absehen, sofern es sich um Einkünfte handelt, die von Empfängern bezogen werden, deren Identität festgestellt werden kann, oder von Instituten für gemeinsame Anlagen ausländischen Rechts, die ein ungeteiltes Vermögen darstellen, das von einer Verwaltungsgesellschaft für Rechnung der Teilnehmer verwaltet wird, wenn ihre Anteile in Belgien nicht öffentlich ausgegeben werden und in Belgien nicht gehandelt werden, oder um Einkünfte aus Inhaberpapieren und entmaterialisierten Wertpapieren einer der nachstehenden Kategorien:

1. Einkünfte aus Wertpapieren, die vor dem 1. Dezember 1962 ausgegeben wurden, die laut Gesetz von der Mobiliensteuer oder von Realsteuern befreit sind oder die einem Steuersatz von weniger als 21 Prozent unterliegen,

2. Einkünfte aus Zertifikaten von belgischen Instituten für gemeinsame Anlagen,

3. Emissionsagien in Bezug auf Schuldverschreibungen, Kassenbons oder andere Wertpapiere, die Anleihen darstellen, die ab dem 1. Dezember 1962 ausgegeben wurden.

Er kann keinesfalls absehen von der Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs auf Einkünfte:

1. aus Wertpapieren, die Anleihen darstellen, deren Zinsen kapitalisiert werden, außer wenn Schuldner und Empfänger verbundene Unternehmen sind, die Er definiert,

2. aus Wertpapieren, die nicht zu einer periodischen Zahlung von Zinsen führen und für eine Dauer von mindestens einem Jahr mit einem Diskont ausgegeben wurden, der den bis zum Fälligkeitstermin des Wertpapiers kapitalisierten Zinsen entspricht, außer wenn Schuldner und Empfänger verbundene Unternehmen sind, die Er definiert,

3. aus Immobilienzertifikaten, was Zuerkennungen oder Ausschüttungen von Einkünften betrifft, die sich ganz oder teilweise auf die Realisierung des zugrunde liegenden unbeweglichen Gutes beziehen.

Absatz 2 ist nicht anwendbar auf Wertpapiere, die aus der Zerlegung von linearen Schuldverschreibungen, die vom Belgischen Staat ausgegeben wurden, hervorgehen ».

B.1.2. Artikel 95 des Gesetzes über die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften bestimmt:

« Artikel 266 Absatz 2 desselben Gesetzbuches, ersetzt durch das Gesetz vom 4. Juli 2004, wird durch eine Nr. 4 mit folgendem Wortlaut ergänzt:

' 4. aus Aktien oder Anteilen einer beaufsichtigten Immobiliengesellschaft, mit Ausnahme der Einkünfte, die von einer in Artikel 2 Nr. 3 des Gesetzes vom 12. Mai 2014 über die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften erwähnten institutionellen beaufsichtigten Immobiliengesellschaft ausgeschüttet werden, wenn sie

- entweder in den Anwendungsbereich der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 (90/435/EWG) über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, abgeändert durch die Richtlinie des Rates vom 22. Dezember 2003 (2003/123/EG), fallen

- oder von einer in Artikel 2 Nr. 2 desselben Gesetzes erwähnten öffentlichen beaufsichtigten Immobiliengesellschaft bezogen werden und sich auf eine Beteiligung von mindestens 10 Prozent am Kapital der Gesellschaft, die sie ausschüttet, beziehen, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens einem Jahr gehalten wird. ' ».

B.2. Die Vorarbeiten zum vorerwähnten Artikel 95 enthalten folgende Erläuterungen:

« Um die Neutralität der Regelung der beaufsichtigten Immobiliengesellschaften als Investmentgesellschaften mit fixem Kapital zu gewährleisten, während es aufgrund dieses Entwurfs dem König nicht erlaubt ist, auf den Mobiliensteuervorabzug auf Aktien bzw. Anteile einer beaufsichtigten Immobiliengesellschaft zu verzichten, ist es trotz alledem notwendig, diese Möglichkeit zu gewähren in Bezug auf die Dividenden auf Aktien bzw. Anteile, die durch beaufsichtigte institutionelle Immobiliengesellschaften einer öffentlichen beaufsichtigten Immobiliengesellschaft ausgeschüttet werden im Rahmen der Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie oder im Rahmen der gleichgestellten Beteiligung zwischen inländischen Gesellschaften » (Parl. Dok., Kammer, 2013-2014, DOC 53-3497/002, S. 6).

B.3. Artikel 266 Absatz 2 Nr. 4 des EStGB 1992, eingefügt durch die angefochtene Bestimmung, wurde durch Artikel 53 des Gesetzes vom 18. Dezember 2015 zur Festlegung steuerrechtlicher und sonstiger Bestimmungen aufgehoben.

Diese Aufhebung wurde in den Vorarbeiten wie folgt begründet:

« Um die steuerliche Neutralität zwischen einer beaufsichtigten Immobiliengesellschaft und einer Investmentgesellschaft mit fixem Kapital zu gewährleisten, werden die Bestimmungen von Artikel 266 Absatz 2 Nr. 4 des EStGB 1992, wonach auf keinen Fall auf die Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs verzichtet werden kann, aufgehoben. Hierdurch wird der Verzicht auf den Mobiliensteuervorabzug, der die auf Einkünfte aus Aktien bzw. Anteilen einer Investmentgesellschaft mit fixem Kapital Anwendung findet, auch auf die Einkünfte aus Aktien bzw. Anteilen von beaufsichtigten Immobiliengesellschaften anwendbar » (Parl. Dok., Kammer, 2015-2016, DOC 54-1505/001, S. 32).

In Bezug auf das Interesse der klagenden Parteien

B.4. Der Ministerrat stellt das Interesse der klagenden Parteien in Abrede.

B.5. Die Verfassung und das Sondergesetz vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof erfordern, dass jede natürliche oder juristische Person, die eine Nichtigkeitsklage erhebt, ein Interesse nachweist. Das erforderliche Interesse liegt nur bei jenen Personen vor, deren Situation durch die angefochtene Rechtsnorm unmittelbar und ungünstig beeinflusst werden könnte.

B.6. Aus der Klageschrift und dem Schriftsatz der klagenden Parteien geht hervor, dass die erste klagende Partei, die « Leasinvest Real Estate » KGaA, die eine beaufsichtigte Immobiliengesellschaft ist, Aktionär einer anderen beaufsichtigten Immobiliengesellschaft, der « Retail Estates » AG ist, die ebenfalls eine klagende Partei ist.

Die erste klagende Partei ist in ihrer Eigenschaft als beaufsichtigte Immobiliengesellschaft von der angefochtenen Bestimmung betroffen, die verhindert, dass der König auf die Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs auf die von ihr eingenommenen Dividenden verzichtet, was für sie zu einer zusätzlichen Steuerbelastung führen kann. Da die angefochtene Bestimmung zur Folge hat, dass die erste klagende Partei als ausschüttende Gesellschaft den Mobiliensteuervorabzug einbehalten muss, weist sie das erforderliche Interesse an deren Nichtigerklärung auf.

B.7. Da eine der klagenden Partei ein ausreichendes Interesse an der Klage aufweist, braucht nicht geprüft zu werden, ob die anderen klagenden Parteien ebenfalls ein Interesse an der Beantragung der Nichtigerklärung der angefochtenen Bestimmung aufweisen.

Die Einrede wird abgewiesen.

Zur Hauptsache

B.8.1. Die klagenden Parteien führen im ersten Klagegrund an, dass die angefochtene Bestimmung nicht vereinbar sei mit den Artikeln 10, 11 und 172 der Verfassung, indem durch sie hinsichtlich der Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs auf Dividenden, die durch ansässige Gesellschaften ausgeschüttet würden, ein Behandlungsunterschied eingeführt werde zwischen einerseits öffentlichen beaufsichtigten Immobiliengesellschaften und andererseits öffentlichen Immobilien-Investmentgesellschaften mit fixem Kapital, sowohl in ihrer Eigenschaft als Investor als auch in ihrer Eigenschaft als Auszahler von Dividenden.

B.8.2. Im Wesentlichen führen die klagenden Parteien somit an, dass der Gesetzgeber den König daran hindere, zwei Befreiungen, die derzeit noch für Immobilien-Investmentgesellschaften mit fixem Kapital bestünden, vorzusehen: zunächst bei der Ausschüttung von Dividenden zwischen zwei öffentlichen beaufsichtigten Immobiliengesellschaften (Ausschluss von Artikel 106 § 6 des königlichen Erlasses zur Ausführung des Einkommensteuergesetzbuches 1992; nachstehend: KE/EStGB 1992) und anschließend bei der Ausschüttung von Dividenden an « nichtansässige » Pensionsfonds (Ausschluss von Artikel 106 §§ 2 und 7 des KE/EStGB 1992).

B.9.1. Der Ministerrat führt an, dass die « öffentlichen beaufsichtigten Immobiliengesellschaften » nicht mit den « öffentlichen Immobilien-Investmentgesellschaften mit fixem Kapital » vergleichbar seien, weil es wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Kategorien von Gesellschaften gebe.

B.9.2. Die beiden Kategorien befinden sich hinsichtlich des Mobiliensteuervorabzugs auf ausgeschüttete Dividenden jedoch nicht in einer derart unterschiedlichen Situation, dass sie in Bezug auf den Steuerdruck auf ausgeschüttete und eingenommene Dividenden nicht miteinander vergleichbar wären. Sie können nämlich einerseits Dividenden von den Gesellschaften, an deren Kapital sie beteiligt sind, erhalten und andererseits auch gegebenenfalls « nichtansässige » Investoren, die dem Mobiliensteuervorabzug unterliegen, anlocken.

B.10.1. In der Begründung zu dem Entwurf des Gesetzes über die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften wird hinsichtlich der Steuerregelung ausdrücklich Folgendes dargelegt:

« Die öffentlichen oder institutionellen Immobiliengesellschaften werden der gleichen Steuerregelung unterliegen wie die Investmentgesellschaften mit fixem Kapital » (Parl. Dok., Kammer, 2013-2014, DOC 53-3497/001, S. 14).

« Im Übrigen wird ein königlicher Erlass angenommen werden müssen, um die Immobilieninvestmentgesellschaft mit fixem Kapital von dem Verzicht auf die Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs, im Sinne von Artikel 106 § 7 des KE/EStGB 1992 auszuschließen, wie es bereits im gleichen Artikel vorgesehen war vor der Annahme des königlichen Erlasses vom 27. Dezember 2012 zur Anpassung des KE/EStGB 1992 in Bezug auf den Verzicht auf die Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs in Bezug auf Dividenden, die durch Immobilieninvestmentgesellschaft mit fixem Kapital ausgeschüttet werden, um die steuerliche Neutralität zwischen beaufsichtigten Immobiliengesellschaften und Investmentgesellschaften mit fixem Kapital zu erreichen » (Parl. Dok., Kammer, 2013-2014, DOC 53-3497/001, S. 58).

B.10.2. Aus den Vorarbeiten geht hervor, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die Neutralität zwischen den Steuerregelungen, die einerseits für die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften und andererseits für die Immobilien-Investmentgesellschaften mit fixem Kapital gelten, zu gewährleisten, was bedeutet, dass der Gesetzgeber einen neutralen Steuerstandpunkt in Bezug auf den Mobiliensteuervorabzug hinsichtlich der ausgeschütteten Dividenden einzunehmen scheint, ungeachtet der Satzungsziele, der erlaubten Tätigkeiten oder mehr allgemein des kommerziellen Statuts der betreffenden Immobiliengesellschaften. Dies hat zur Folge, dass Dividenden, die durch eine öffentliche beaufsichtigte Immobiliengesellschaft ausgeschüttet werden, steuerlich nicht anders behandelt werden dürfen als die Dividenden, die durch Immobilien-Investmentgesellschaften mit fixem Kapital ausgeschüttet werden.

B.10.3. Durch die Annahme des Abänderungsantrags Nr. 6, der schließlich zu der angefochtenen Bestimmung geführt hat, hat der Gesetzgeber die angestrebte Gleichbehandlung oder steuerliche Neutralität zwischen einerseits beaufsichtigten Immobiliengesellschaften und andererseits Immobilien-Investmentgesellschaften mit fixem Kapital bestätigt. Somit stellt sich heraus, dass die steuerliche Neutralität sich auch auf den etwaigen Verzicht auf den Mobiliensteuervorabzug auf die Dividenden aus Aktien bzw. Anteilen von beaufsichtigten Immobiliengesellschaften bezieht.

B.11. Die angefochtene Bestimmung entbehrt einer vernünftigen Rechtfertigung im Lichte der abgestrebten steuerlichen Neutralität. Dadurch wird es dem König nämlich verboten, von der Erhebung des Mobiliensteuervorabzugs auf auszuschüttende Dividenden abzusehen, und somit verhindert, die Steuerregelung von Artikel 106 §§ 2, 6 und 7 des KE/EStGB 1992 integral auf die Dividenden aus Aktien bzw. Anteilen aller beaufsichtigten Immobiliengesellschaften, die die Bedingungen erfüllen, anzuwenden.

B.12. Der angefochtene Artikel 95 verstößt daher gegen die Artikel 10, 11 und 172 der Verfassung. Folglich ist diese Bestimmung für nichtig zu erklären.

Der erste Klagegrund ist begründet.

Da die übrigen Klagegründe nicht zu einer umfassenderen Nichtigerklärung führen könnten, brauchen sie nicht geprüft zu werden.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erklärt Artikel 95 des Gesetzes vom 12. Mai 2014 über die beaufsichtigten Immobiliengesellschaften für nichtig.

Erlassen in niederländischer, französischer und deutscher Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 11. Mai 2016.

Der Kanzler,

P.-Y. Dutilleux

Der Präsident,

E. De Groot