Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 14 Januar 2016 (België). RG 3/2016

Date :
14-01-2016
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
9 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20160114-5
Numéro de rôle :
3/2016

Résumé :

Der Gerichtshof - erklärt Artikel 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen im Bereich der Justiz für nichtig; - weist die Klage vorbehaltlich der in B.11.2, B.11.3 und B.30.3 erwähnten Auslegungen im Übrigen zurück.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten A. Alen und J. Spreutels, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, P. Nihoul, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten A. Alen,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Klage und Verfahren

Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 13. November 2014 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 14. November 2014 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf teilweise Nichtigerklärung des Gesetzes vom 25. April 2014 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen im Bereich der Justiz und des Gesetzes vom 8. Mai 2014 zur Abänderung und Koordinierung verschiedener Gesetze im Bereich der Justiz (I) (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 14. Mai 2014, zweite Ausgabe): die Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften und Dominique Matthys, unterstützt und vertreten durch RÄin E. Cloots und RA S. Sottiaux, in Antwerpen zugelassen.

(...)

II. Rechtliche Würdigung

(...)

In Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen

B.1.1. Die klagenden Parteien beantragen die Nichtigerklärung der Artikel 159, 160 und 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen im Bereich der Justiz (nachstehend: Gesetz vom 25. April 2014) sowie der Artikel 49 Nr. 6 und Nr. 7 und 52 Nr. 3 des Gesetzes vom 8. Mai 2014 zur Abänderung und Koordinierung verschiedener Gesetze im Bereich der Justiz (I) (nachstehend: Gesetz vom 8. Mai 2014).

B.1.2. Die angefochtenen Bestimmungen des Gesetzes vom 25. April 2014 bestimmen:

« Art. 159. Artikel 76 des Gerichtsgesetzbuches, zuletzt abgeändert durch das Gesetz vom 21. April 2007, wird durch einen Absatz mit folgendem Wortlaut ergänzt:

' Die Ratskammer kann im Gefängnis tagen, um Sachen in Anwendung der Artikel 21, 22 und 22bis des Gesetzes vom 20. Juli 1990 über die Untersuchungshaft [...] zu behandeln. ' ».

« Art. 160. Artikel 101 desselben Gesetzbuches, zuletzt abgeändert durch das Gesetz vom 3. Dezember 2006, wird durch einen Absatz mit folgendem Wortlaut ergänzt:

' Die Anklagekammer kann im Gefängnis tagen, um Sachen in Anwendung von Artikel 30 des Gesetzes vom 20. Juli 1990 über die Untersuchungshaft [...] zu behandeln. ' ».

« Art. 161. Die Artikel 159 und 160 werden wirksam mit 1. Januar 2014 ».

B.1.3. Die angefochtenen Artikel des Gesetzes vom 8. Mai 2014 bestimmen:

« Art. 49. In Artikel 102 desselben Gesetzes, der Artikel 76 des Gerichtsgesetzbuches ersetzt, werden folgende Änderungen vorgenommen:

[...]

6. Artikel 76 § 4 des Gerichtsgesetzbuches wird durch folgenden Wortlaut ersetzt:

' § 4. Außer für die Verkündung von Urteilen, für die die Strafvollstreckungskammern in jedem Gericht erster Instanz, das im Appellationshofbereich liegt, tagen, tagen sie im Gefängnis hinsichtlich der Verurteilten, die sich im Gefängnis aufhalten. Sie können im Gefängnis oder in jedem Gericht erster Instanz, das im Appellationshofbereich liegt, tagen hinsichtlich der Verurteilten, die sich nicht im Gefängnis aufhalten. Bei Anwendung von Artikel 36 des Gesetzes vom 17. Mai 2006 über die externe Rechtsstellung der zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Personen und die dem Opfer im Rahmen der Strafvollstreckungsmodalitäten zuerkannten Rechte tagen sie in jedem Gericht erster Instanz, das im Appellationshofbereich liegt. ';

7. Artikel 76 des Gerichtsgesetzbuches wird um einen § 5 mit folgendem Wortlaut ergänzt:

' § 5. Die Ratskammer kann im Gefängnis tagen, um Sachen in Anwendung der Artikel 21, 22 und 22bis des Gesetzes vom 20. Juli 1990 über die Untersuchungshaft zu behandeln. ' ».

« Art. 52. In Artikel 110 desselben Gesetzes, der Artikel 101 des Gerichtsgesetzbuches ersetzt, werden folgende Änderungen vorgenommen:

[...]

3. Artikel 101 des Gerichtsgesetzbuches wird um einen § 3 mit folgendem Wortlaut ergänzt:

' § 3. Die Anklagekammer kann im Gefängnis tagen, um Sachen in Anwendung von Artikel 30 des Gesetzes vom 20. Juli 1990 über die Untersuchungshaft zu behandeln. ' ».

In Bezug auf das Interesse

B.2. Der Ministerrat führt an, dass die klagenden Parteien und die intervenierenden Parteien nicht das rechtlich erforderliche Interesse nachwiesen, da sie durch die angefochtenen Bestimmungen nicht nachteilig betroffen sein könnten.

B.3. Die Verfassung und das Sondergesetz vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof erfordern, dass jede natürliche oder juristische Person, die eine Nichtigkeitsklage erhebt, ein Interesse nachweist. Das erforderliche Interesse liegt nur bei jenen Personen vor, deren Situation durch die angefochtene Rechtsnorm unmittelbar und ungünstig beeinflusst werden könnte.

B.4.1. Die Kammer der flämischen Rechtsanwaltschaften und ihr Präsident, klagende Parteien, und die Kammer der französischsprachigen und deutschsprachigen Rechtsanwaltschaften, intervenierende Partei, haben insbesondere als Auftrag, auf die gemeinsamen beruflichen Interessen ihrer Mitglieder zu achten (Artikel 495 Absatz 1 des Gerichtsgesetzbuches), und sie können die Initiativen ergreifen und die Maßnahmen treffen, die für die Verteidigung der Interessen des Rechtsanwalts und des Rechtsuchenden nützlich sind (Artikel 495 Absatz 2 des Gerichtsgesetzbuches). Artikel 495 des Gerichtsgesetzbuches ermächtigt diese Kammern, eine Nichtigkeitsklage gegen Bestimmungen, die die Interessen der Rechtsanwälte oder der Rechtsuchenden beeinträchtigen können, einzureichen oder zu unterstützen. Die angefochtenen Bestimmungen, die sich auf das Tagen im Gefängnis beziehen, können sich unmittelbar und ungünstig auf die Interessen der Rechtsanwälte und der Rechtsuchenden auswirken. Die klagenden Parteien und die intervenierende Partei besitzen also das erforderliche Interesse an der Klage.

B.4.2. Da diese Parteien ein Interesse nachweisen, um vor Gericht aufzutreten, braucht der Gerichtshof das Interesse der anderen Parteien nicht zu prüfen.

Die Einrede wird abgewiesen.

In Bezug auf die Zulässigkeit ratione temporis

B.5. Der Ministerrat führt an, dass die gegen Artikel 49 Nr. 6 des Gesetzes vom 8. Mai 2014 angeführten Klagegründe wegen verspäteten Einreichens unzulässig seien, weil die grundsätzliche Verpflichtung für die Strafvollstreckungskammern, im Gefängnis zu tagen, sich aus einer früheren Gesetzgebung ergebe.

B.6.1. Durch Artikel 49 Nr. 6 des Gesetzes vom 8. Mai 2014 hat der Gesetzgeber den vollständigen Artikel 76 § 4 des Gerichtsgesetzbuches ersetzt.

B.6.2. Wenn der Gesetzgeber in einer neuen Gesetzgebung eine alte Bestimmung übernimmt und sich auf diese Weise deren Inhalt aneignet, kann gegen die übernommene Bestimmung innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Veröffentlichung Klage eingereicht werden.

Die Einrede wird abgewiesen.

Zur Hauptsache

In Bezug auf die Möglichkeit für die Ratskammer und für die Anklagekammer, im Gefängnis zu tagen (die Artikel 159, 160 und 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 und die Artikel 49 Nr. 7 und 52 Nr. 3 des Gesetzes vom 8. Mai 2014)

B.7. Die klagenden Parteien führen im ersten und im zweiten Klagegrund an, dass die Artikel 159 und 160 des Gesetzes vom 25. April 2014 und die Artikel 49 Nr. 7 und 52 Nr. 3 des Gesetzes vom 8. Mai 2014 im Widerspruch zu dem Grundsatz der Unparteilichkeit des Richters, dem Recht auf eine öffentliche Anhörung und der Unschuldsvermutung stünden, so wie sie durch die Artikel 10, 11 und 13 der Verfassung in Verbindung mit deren Artikel 148, mit den Artikeln 5 Absatz 4 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, mit den Artikeln 9 Absatz 4 und 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Rechts auf gerichtliches Gehör gewährleistet würden, da darin die Möglichkeit für die Ratskammer und die Anklagekammer vorgesehen sei, bei Sitzungen über die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft im Gefängnis zu tagen.

B.8.1. Artikel 13 der Verfassung bestimmt:

« Niemand darf gegen seinen Willen seinem gesetzlichen Richter entzogen werden ».

B.8.2. Artikel 148 der Verfassung bestimmt:

« Die Sitzungen der Gerichte sind öffentlich, es sei denn, dass diese Öffentlichkeit die Ordnung oder die Sittlichkeit gefährdet; dies wird vom Gericht durch ein Urteil festgestellt.

Bei politischen Delikten und Pressedelikten kann der Ausschluss der Öffentlichkeit nur bei Einstimmigkeit verkündet werden ».

B.8.3. Artikel 5 Absatz 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt:

« Jeder, der seiner Freiheit durch Festnahme oder Haft beraubt ist, hat das Recht, ein Verfahren zu beantragen. In dem von einem Gericht unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird ».

B.8.4. Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt:

« (1) Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teils derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Gerechtigkeit beeinträchtigen würde, in diesem Falle jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.

(2) Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Unschuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.

[...] ».

B.8.5. Artikel 9 Absatz 4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte bestimmt:

« Jeder, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen ist, hat das Recht, ein Verfahren vor einem Gericht zu beantragen, damit dieses unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheiden und seine Entlassung anordnen kann, falls die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist ».

B.8.6. Artikel 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte bestimmt:

« (1) Alle Menschen sind vor Gericht gleich. Jedermann hat Anspruch darauf, dass über eine gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage oder seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in billiger Weise und öffentlich verhandelt wird. Aus Gründen der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung (ordre public) oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft oder wenn es im Interesse des Privatlebens der Parteien erforderlich ist oder - soweit dies nach Auffassung des Gerichts unbedingt erforderlich ist - unter besonderen Umständen, in denen die Öffentlichkeit des Verfahrens die Interessen der Gerechtigkeit beeinträchtigen würde, können Presse und Öffentlichkeit während der ganzen oder eines Teils der Verhandlung ausgeschlossen werden; jedes Urteil in einer Straf- oder Zivilsache ist jedoch öffentlich zu verkünden, sofern nicht die Interessen Jugendlicher dem entgegenstehen oder das Verfahren Ehestreitigkeiten oder die Vormundschaft über Kinder betrifft.

(2) Jeder wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte hat Anspruch darauf, bis zu dem im gesetzlichen Verfahren erbrachten Nachweis seiner Schuld als unschuldig zu gelten.

[...] ».

B.9.1. Artikel 13 der Verfassung beinhaltet Recht auf gerichtliches Gehör beim zuständigen Richter. Eine Person, die ihrer Freiheit durch Festnahme oder Haft beraubt ist, hat aufgrund von Artikel 5 Absatz 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention und von Artikel 9 Absatz 4 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte ein Recht auf gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Haft. In Artikel 5 Absatz 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention sind bestimmte Verfahrensgarantien für Inhaftierte vorgesehen, die sich großenteils mit denjenigen decken, die in Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen sind (EuGHMR, 25. Oktober 2007, Lebedev gegen Russland, § 71). Daraus ergibt sich unter anderem, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der betreffenden Gerichte (EuGHMR, Große Kammer, 29. März 2001, D.N. gegen Schweiz, § 42), die Unschuldsvermutung (EuGHMR, 16. März 2010, Jiga gegen Rumänien, § 100) und das Recht, angehört zu werden (EuGHMR, Große Kammer, 25. März 1999, Nikolova gegen Bulgarien, § 58) gewährleistet sein müssen.

B.9.2. Außerdem können auch bestimmte strafrechtliche Garantien in Bezug auf das Recht auf ein faires Verfahren Anwendung finden, bevor die Rechtssache bei dem Tatsachenrichter anhängig gemacht wird, wenn und insofern die ursprüngliche Missachtung ihrer Erfordernisse die faire Beschaffenheit des Verfahrens ernsthaft zu gefährden droht (EuGHMR, 24. November 1993, Imbrioscia gegen Schweiz, § 36; 16. Oktober 2001, Brennan gegen Vereinigtes Königreich, § 45; Große Kammer, 27. November 2008, Salduz gegen Türkei, § 50). Da das Recht auf persönliche Freiheit ein bürgerliches Recht im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, findet diese Bestimmung ebenfalls Anwendung auf Untersuchungshäftlinge (vgl. EuGHMR, 30. Juli 1998, Aerts gegen Belgien, § 59; 7. Januar 2003, Laidin gegen Frankreich (Nr. 2), § 76). Daraus ergibt sich, dass das Recht von Untersuchungshäftlingen auf ein faires Verfahren durch Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie durch Artikel 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte gewährleistet wird.

B.10.1. Es ist in einem demokratischen Rechtsstaat von grundlegender Bedeutung, dass die Gerichtshöfe und Gerichte das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Verfahrensparteien genießen (EuGHMR, 26. Februar 1993, Padovani gegen Italien, § 27). Hierzu verlangen die Artikel 5 Absatz 4 und 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dass die Rechtsprechungsorgane, auf die diese Bestimmung Anwendung findet, unparteiisch sind (EuGHMR, Große Kammer, 29. März 2001, D.N. gegen Schweiz, § 42).

Diese Unparteilichkeit ist auf zweierlei Weise zu prüfen. Die subjektive Unparteilichkeit, die bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, verlangt, dass der Richter in einer Rechtssache, über die er urteilen muss, nicht voreingenommen ist und keine Vorurteile hat und dass er keine Interessen an ihrem Ausgang hat. Die objektive Unparteilichkeit verlangt, dass es ausreichende Garantien gibt, um auch gerechtfertigte Befürchtungen zu diesen Punkten auszuschließen (EuGHMR, 1. Oktober 1982, Piersack gegen Belgien, § 30; 16. Dezember 2003, Grieves gegen Vereinigtes Königreich, § 69).

B.10.2. Hinsichtlich der objektiven Unparteilichkeit ist zu prüfen, ob unabhängig vom Verhalten der Richter nachweisbare Fakten bestehen, die Zweifel an dieser Unparteilichkeit entstehen lassen. Diesbezüglich kann sogar ein Anschein der Parteilichkeit wichtig sein (EuGHMR, 6. Juni 2000, Morel gegen Frankreich, § 42).

Wenn geprüft werden muss, ob ein Richter in einem konkreten Fall Anlass zu einer solchen Befürchtung gegeben hat, wird der Standpunkt des Rechtsuchenden berücksichtigt, doch er spielt keine ausschlaggebende Rolle. Ausschlaggebend ist hingegen, ob die Befürchtung des Betreffenden als objektiv gerechtfertigt angesehen werden kann (EuGHMR, 21. Dezember 2000, Wettstein gegen Schweiz, § 44).

B.11.1. Die Möglichkeit, im Gefängnis zu tagen, ist auf Sitzungen über die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft begrenzt. Die Möglichkeit, in den Fällen der Regelung des Verfahrens zu tagen, wenn der Betreffende sich in Haft befindet, wurde während der Vorarbeiten gestrichen, um den Sorgen um die Interessen der Zivilparteien entgegenzukommen. Bei der Regelung des Verfahrens ist die Zivilpartei oft anwesend, sodass eine Sitzung im Gefängnis eine belastende Erfahrung sein kann (Parl. Dok., Senat, 2013-2014, Nr. 5-2443/2, S. 15; Parl. Dok., Senat, 2013-2014, Nr. 5-2443/3, S. 48).

B.11.2. Bezüglich des räumlichen Rahmens, in dem die Untersuchungsgerichte tagen, wurde in den Vorarbeiten hervorgehoben, dass in « den neuen Gefängnissen Verhandlungsräume vorgesehen sind am Rande des Sicherheitsbereichs und am Ort der Unterbringung der Verwaltung mit dem Ziel, die geografische Nähe zwischen der Haftanstalt und der Ratskammer zu gewährleisten » (Parl. Dok., Senat, 2013-2014, Nr. 5-2443/3, S. 48), und dass « das Erscheinen nicht im eigentlichen Gefängnis erfolgen wird, sondern in den Räumen, in denen die Verwaltung untergebracht ist » (ebenda, S. 49). Die angefochtene Bestimmung ist in diesem Sinne auszulegen.

B.11.3. Es wurde ebenfalls hervorgehoben, dass « keineswegs beabsichtigt wird, alle Verhandlungen der Ratskammer und der Anklagekammer im Gefängnis stattfinden zu lassen. [...] Sitzungen im Gefängnis werden aus Sicherheitsgründen stattfinden und unter der Bedingung, dass sich der Betreffende in Untersuchungshaft befindet und sich bereits im ' Gefängnisbereich ' aufhält » (Parl. Dok., Senat, 2013-2014, Nr. 5-2443/3, S. 48). Hierbei wird das Beispiel von « schwerem Banditenwesen oder Terrorismus, wobei bedeutende Sicherheitsrisiken vorliegen können » erwähnt (ebenda). Hieraus ist abzuleiten, dass der Richter sich bei der Entscheidung darüber, ob im Gefängnis getagt wird oder nicht, auf die Sicherheitsrisiken stützt, die der Transport des Untersuchungshäftlings mit sich bringen. Die angefochtene Bestimmung ist in dem Sinne auszulegen.

B.11.4. Diese Vorentscheidung des Richters gefährdet jedoch weder seine Unparteilichkeit, noch die Unschuldsvermutung des Untersuchungshäftlings (siehe im gleichen Sinne bezüglich der Unschuldsvermutung, Kass., 20. Juni 1990, Arr. Cass., 1990, Nr. 613, und Kass., 4. April 2000, Arr. Cass., 2000, Nr. 224).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der bloße Umstand, dass ein Richter bereits bestimmte Vorentscheidungen getroffen hat, an sich eine Befürchtung in Bezug auf seine Unparteilichkeit rechtfertigt (EuGHMR, 22. April 1994, Saraiva De Carvalho gegen Portugal, §§ 35-39). Eine Entscheidung darüber, gegebenenfalls im Gefängnis zu tagen, ist nicht so beschaffen, dass sie einen entscheidenden Einfluss auf die Meinung des Richters bezüglich der Sache selbst hätte.

B.11.5. Die angefochtenen Bestimmungen beeinträchtigen nicht das durch Artikel 5 Absatz 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistete Recht des Untersuchungshäftlings, durch einen Richter angehört zu werden.

Außerdem ergibt sich die nichtöffentliche Beschaffenheit des Verfahrens vor der Ratskammer und vor der Anklagekammer nicht aus den angefochtenen Bestimmungen, sondern aus den Artikeln 23 Nr. 1 und 30 § 3 letzter Absatz des Gesetzes vom 20. Juli 1990 über die Untersuchungshaft.

B.11.6. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die angefochtenen Bestimmungen insofern, als sie es der Ratskammer und der Anklagekammer erlauben, im Gefängnis zu tagen, nicht gegen die in B.3 angeführten Verfassungs- und Vertragsbestimmungen und allgemeinen Rechtsgrundsätze verstoßen.

B.12. Vorbehaltlich der in B.11.2 und B.11.3 erwähnten Auslegungen sind der erste und der zweite Klagegrund unbegründet.

B.13. Die klagenden Parteien führen im dritten Klagegrund an, dass die angefochtenen Bestimmungen einen nicht vernünftig gerechtfertigten Behandlungsunterschied einführten zwischen einerseits Beschuldigten, die vor einem Untersuchungsgericht erscheinen müssten und die das Recht auf eine öffentliche Behandlung ihrer Sache aufgrund von Artikel 24 des Gesetzes vom 20. Juli 1990 hätten, und andererseits Verurteilten, die sich im Gefängnis aufhielten und vor einer Strafvollstreckungskammer erscheinen müssten und die das Recht auf eine öffentliche Behandlung ihrer Sache aufgrund von Artikel 36 des Gesetzes vom 17. Mai 2006 über die externe Rechtsstellung der zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Personen und die dem Opfer im Rahmen der Strafvollstreckungsmodalitäten zuerkannten Rechte (nachstehend: Gesetz vom 17. Mai 2006) hätten. Während der Gesetzgeber für die vorerwähnte Kategorie von Verurteilten ausdrücklich vorgesehen habe, dass die Sitzung notwendigerweise im Gericht stattfinden müsse, um ihre Öffentlichkeit zu gewährleisten, sei diese Verpflichtung für die Kategorie von Beschuldigten im Sinne von Artikel 24 des Gesetzes vom 20. Juli 1990 nicht vorgesehen.

B.14.1. Artikel 76 § 4 des Gerichtsgesetzbuches, ersetzt durch den angefochtenen Artikel 49 Nr. 6 des Gesetzes vom 8. Mai 2014, bestimmt, dass bei Anwendung von Artikel 36 des Gesetzes vom 17. Mai 2006 die Strafvollstreckungskammern in jedem Gericht erster Instanz, das im Appellationshofbereich liege, tagten.

B.14.2. Artikel 36 des Gesetzes vom 17. Mai 2006 bestimmt:

« Die Sitzung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Wenn der Strafvollstreckungsrichter sich drei Mal geweigert hat, eine Strafvollstreckungsmodalität zu gewähren, kann der Verurteilte darum ersuchen, in öffentlicher Sitzung zu erscheinen.

Dieses Ersuchen kann nur durch eine mit Gründen versehene Entscheidung abgelehnt werden, wenn die öffentliche Ordnung, die Sittlichkeit oder die nationale Sicherheit durch die Öffentlichkeit der Sitzung gefährdet sind ».

B.15.1. In Artikel 24 des Gesetzes vom 20. Juli 1990 sieht der Gesetzgeber ausdrücklich das Recht für die Untersuchungshäftlinge vor, in öffentlicher Sitzung der Ratskammer oder der Anklagekammer zu erscheinen. Dieser Artikel bestimmt:

« Nach sechs Monaten der Freiheitsentziehung, wenn das Höchstmaß der anwendbaren Strafe fünfzehn Jahre Zuchthaus nicht übersteigt, oder, im anderen Fall, nach einem Jahr kann der Beschuldigte bei seinem Erscheinen vor der Ratskammer oder der Anklagekammer in Anwendung der Artikel 22 oder 30 beantragen, in öffentlicher Sitzung zu erscheinen.

Dieser Antrag kann durch eine mit Gründen versehene Entscheidung nur abgelehnt werden:

- wenn diese Öffentlichkeit die Ordnung, die Sittlichkeit oder die nationale Sicherheit gefährdet,

- wenn die Interessen von Minderjährigen oder der Schutz des Privatlebens der Opfer oder der anderen Beschuldigten dies erfordern,

- wenn die Öffentlichkeit den Belangen der Justiz schadet wegen der Gefahren, die sie für die Sicherheit der Opfer oder der Zeugen mit sich bringt ».

B.15.2. Gemäß den angefochtenen Bestimmungen können die Ratskammer und die Anklagekammer im Gefängnis tagen, um Sachen in Anwendung der Artikel 21, 22 und 22bis des Gesetzes vom 20. Juli 1990 über die Untersuchungshaft zu behandeln. Die Möglichkeit, im Gefängnis zu tagen, ist also nicht vorgesehen für die Behandlung der Sachen in Anwendung von Artikel 24 dieses Gesetzes.

Bezüglich dieser Bestimmung heißt es in den Vorarbeiten:

« Die durch Artikel 24 des Gesetzes über die Untersuchungshaft vorgesehene Möglichkeit, in öffentlicher Sitzung zu erscheinen, gilt weiterhin uneingeschränkt » (Parl. Dok., Kammer, 2013-2014, DOC 53-3149/004, S. 17).

B.15.3. Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass die Ratskammer und die Anklagekammer nicht im Gefängnis tagen können, wenn der Beschuldigte aufgrund von Artikel 24 des Gesetzes vom 20. Juli 1990 Anrecht auf eine öffentliche Behandlung seiner Sache hat, so dass der bemängelte Behandlungsunterschied nicht besteht.

B.16. Der dritte Klagegrund ist unbegründet.

B.17. Laut dem ersten Teil des vierten Klagegrunds seien die angefochtenen Bestimmungen nicht vereinbar mit dem Legalitätsprinzip in Strafsachen, so wie es durch die Artikel 10, 11 und 12 Absatz 2 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet werde, insofern durch diese Bestimmungen der Ratskammer und der Anklagekammer eine unbegrenzte Beurteilungsfreiheit bei der Bestimmung des Ortes, an dem die Sitzung stattfinden werde, überlassen werde.

B.18.1. Artikel 12 Absatz 2 der Verfassung bestimmt:

« Niemand darf verfolgt werden, es sei denn in den durch Gesetz bestimmten Fällen und in der dort vorgeschriebenen Form ».

Artikel 5 Absatz 1 zweiter Satz der Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt:

« Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege entzogen werden ».

B.18.2. Die Möglichkeit, im Gefängnis zu tagen, ist im Gesetz festgelegt. Unter Berücksichtigung des in B.11.3 Erwähnten wird den Untersuchungsgerichten durch die angefochtenen Bestimmungen keine unbegrenzte Beurteilungsfreiheit bei der Festlegung des Ortes, an dem die Sitzung stattfindet, überlassen.

B.19. Der erste Teil des vierten Klagegrunds ist unbegründet.

B.20. Gemäß dem zweiten Teil des vierten Klagegrunds verstoße Artikel 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 gegen das Legalitätsprinzip in Strafsachen, so wie es durch die Artikel 10, 11 und 12 Absatz 2 der Verfassung in Verbindung mit den Artikeln 5 Absatz 1 und 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Nichtrückwirkung der Gesetzte gewährleistet werde, indem dadurch die angefochtenen Bestimmungen mit 1. Januar 2014 wirksam gemacht würden, sodass sie rückwirkend in Kraft getreten seien.

B.21. Im Gegensatz zu dem, was der Ministerrat anführt, kann der Umstand, dass in den angefochtenen Bestimmungen nur präzisiert werde, was sich bereits aus der Rechtsprechung des Kassationshofes ergebe, den klagenden Parteien ihr Interesse an der Nichtigerklärung von Artikel 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 nicht entziehen.

B.22. Die Nichtrückwirkung der Gesetze ist eine Garantie zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit. Diese Garantie erfordert es, dass der Rechtsinhalt vorhersehbar und zugänglich ist, damit der Rechtsunterworfene in einem vernünftigen Maße die Folgen eines bestimmten Handelns zum Zeitpunkt der Ausführung dieser Handlung vorhersehen kann. Die Rückwirkung ist nur zu rechtfertigen, wenn sie zur Verwirklichung einer Zielsetzung allgemeinen Interesses unerlässlich ist.

B.23. Die Rückwirkung, die durch Artikel 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 verliehen wurde, ist dadurch gerechtfertigt, dass « die Bestimmungen des Entwurfs in Wirklichkeit nichts Neues einführen, sondern lediglich eine Folge der Rechtsprechung des Kassationshofes sind [...]. Was gesetzlich verankert wird, ist bereits jetzt möglich » (Parl. Dok., Kammer, 2013-2014, DOC 53-3149/010, SS. 5-6).

B.24. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Kassationshofes, auf die in B.11.4 verwiesen wurde, und des Umstandes, dass in den Vorarbeiten zu den angefochtenen Bestimmungen selbst bereits angegeben wurde, dass damit nichts Neues eingeführt würde, kann aufgrund der Rechtslage vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen davon ausgegangen werden, dass deren Rückwirkung nutzlos ist. Da diese Rückwirkung nicht unentbehrlich ist zur Verwirklichung einer Zielsetzung allgemeinen Interesses, ist sie nicht zu rechtfertigen.

B.25. Der zweite Teil des vierten Klagegrunds ist begründet. Folglich ist Artikel 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 für nichtig zu erklären.

In Bezug auf die grundsätzliche Verpflichtung für die Strafvollstreckungskammern, im Gefängnis zu tagen (Artikel 49 Nr. 6 des Gesetzes vom 8. Mai 2014)

B.26. Im angefochtenen Artikel 49 Nr. 6 des Gesetzes vom 8. Mai 2014 ist die grundsätzliche Verpflichtung für die Strafvollstreckungskammern, im Gefängnis zu tagen, vorgesehen. Zu dieser Verpflichtung gibt es drei Ausnahmen. Zunächst erfolgt die Verkündung des Urteils der Strafvollstreckungskammern immer im Gericht. Zweitens können die Strafvollstreckungskammern im Gefängnis oder im Gericht tagen in Bezug auf Verurteilte, die sich nicht im Gefängnis aufhalten. Drittens tagen die Strafvollstreckungskammern im Gericht, wenn Artikel 36 des Gesetzes vom 17. Mai 2006 angewandt wird und der Verurteilte beantragt, in öffentlicher Sitzung zu erscheinen.

B.27. Die klagenden Parteien führen im fünften und sechsten Klagegrund an, Artikel 49 Nr. 6 des Gesetzes vom 8. Mai 2014 stehe im Widerspruch zum Grundsatz der Unparteilichkeit des Richters, zur Unschuldsvermutung und dem Erfordernis der Öffentlichkeit, so wie sie durch die Artikel 10, 11 und 13 der Verfassung in Verbindung mit deren Artikel 148, mit den Artikeln 5 Absatz 4 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, mit den Artikeln 9 Absatz 4 und 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Rechts auf gerichtliches Gehör gewährleistet würden, indem sie die Strafvollstreckungskammern in der Regel verpflichteten, im Gefängnis zu tagen.

B.28. Artikel 13 der Verfassung beinhaltet ein Recht auf gerichtliches Gehör beim zuständigen Richter. Dieses Recht wird ebenfalls durch Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und durch Artikel 14 Absatz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte gewährleistet.

B.29. Das Recht auf gerichtliches Gehör wäre gegenstandlos, wenn nicht das Recht auf ein faires Verfahren eingehalten würde, so wie es durch Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention und durch Artikel 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte gewährleistet wird. Folglich müssen bei einer Prüfung anhand von Artikel 13 der Verfassung diese Garantien einbezogen werden.

B.30.1. Bei der Beurteilung der angefochtenen Bestimmung ist zu unterscheiden, je nachdem, ob die Strafvollstreckungskammer verpflichtet ist, im Gefängnis zu tagen, oder nicht.

B.30.2. In Bezug auf Verurteilte, die sich nicht im Gefängnis aufhalten, können die Strafvollstreckungskammern im Gefängnis oder im Gericht tagen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der bloße Umstand, dass ein Richter bereits eine Vorentscheidung darüber getroffen hat, ob gegebenenfalls im Gefängnis getagt wird, an sich eine Befürchtung in Bezug auf seine Unparteilichkeit rechtfertigt oder eine Handlung, die die Unschuldsvermutung gefährden könnte, darstellt.

B.30.3. Wenn die Strafvollstreckungskammer verpflichtet ist, im Gefängnis zu tagen, braucht eine solche Vorentscheidung nicht getroffen zu werden. Der bloße Umstand, dass die Strafvollstreckungskammer im Gefängnis tagt, reicht nicht aus, um zu schlussfolgern, dass die Unschuldsvermutung gefährdet werden könnte oder Zweifel in Bezug auf ihre objektive Unparteilichkeit entstehen.

Da selbst ein Anschein von Parteilichkeit wichtig sein kann (EuGHMR, 6. Juni 2000, Morel gegen Frankreich, § 42), muss die Obrigkeit einen geeigneten Rahmen schaffen, damit kein Anlass zu einer solchen Befürchtung besteht. Ein wichtiges Element hierbei ist der Standort des Sitzungssaals im Gefängnis. So befinden sich, wie in B.11.2 angeführt wurde, die Sitzungssäle in Gefängnissen in den Räumen, in denen die Verwaltung untergebracht ist (Parl. Dok., Senat, 2013-2014, Nr. 5-2443/3, S. 49). Die angefochtene Bestimmung ist in diesem Sinne auszulegen.

Die Trennung zwischen dem « Inneren des Gefängnisses » (ebenda, S. 50) und dem Sitzungssaal des Gefängnisses, der im administrativen Teil des Gefängnisses vorgesehen ist, gewährleistet, dass kein Zweifel in Bezug auf die Unschuldsvermutung oder die objektive Unparteilichkeit der Strafvollstreckungskammer, die im Gefängnis tagt, entsteht.

B.31. Außerdem ergibt sich die nichtöffentliche Beschaffenheit des Verfahrens der Strafvollstreckungskammer nicht aus der angefochtenen Bestimmung, sondern aus Artikel 36 Absatz 1 des Gesetzes vom 17. Mai 2006.

B.32. Vorbehaltlich der in B.30.3 erwähnten Auslegung sind der fünfte und der sechste Klagegrund unbegründet.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

- erklärt Artikel 161 des Gesetzes vom 25. April 2014 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen im Bereich der Justiz für nichtig;

- weist die Klage vorbehaltlich der in B.11.2, B.11.3 und B.30.3 erwähnten Auslegungen im Übrigen zurück.

Erlassen in niederländischer, französischer und deutscher Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 14. Januar 2016.

Der Kanzler,

P.-Y. Dutilleux

Der Präsident,

A. Alen