Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 16 Dezember 2010 (België). RG 145/2010

Date :
16-12-2010
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
4 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20101216-9
Numéro de rôle :
145/2010

Résumé :

Der Hof erkennt für Recht: Die Artikel 9, 58 und 59 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern verstoßen nicht gegen die Artikel 10, 11, 24 und 191 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 2 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, mit Artikel 14 derselben Konvention und mit Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c) des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, insofern sie es einem ausländischen Studenten nicht ermöglichen, sich auf seine Einschreibung in einer nicht von den öffentlichen Behörden organisierten, bezuschussten oder anerkannten Lehranstalt zu berufen, um sich auf dieser Grundlage eine Aufenthaltserlaubnis erteilen zu lassen, damit er sein Hochschulstudium in Belgien abschließen kann.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus dem Vorsitzenden R. Henneuse und dem Richter und stellvertretenden Vorsitzenden E. De Groot, den Richtern A. Alen, J.-P. Snappe, E. Derycke und J. Spreutels, und dem emeritierten Vorsitzenden M. Melchior gemäss Artikel 60bis des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des emeritierten Vorsitzenden M. Melchior,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

I. Gegenstand der präjudiziellen Frage und Verfahren

In seinem Beschluss vom 23. Februar 2010 in Sachen des belgischen Staates gegen C. C.N., dessen Ausfertigung am 25. Februar 2010 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat der Präsident des Gerichts erster Instanz Lüttich, im Eilverfahren tagend, folgende präjudizielle Frage gestellt:

« Verstossen die Artikel 9, 58 und 59 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern gegen die Artikel 10, 11, 24 und 191 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 2 des ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Artikel 14 derselben Konvention und/oder Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c) des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dahingehend ausgelegt, dass der Ausländer, der ein Studentenvisum beantragt, wohl oder nicht über ein subjektives Recht auf Ausstellung dieses Visums verfügt, je nachdem, ob er in einer von den öffentlichen Behörden organisierten, anerkannten oder bezuschussten Lehranstalt eingetragen ist oder nicht, wobei dieser Ausländer also ohne objektive, vernünftige oder angemessene Rechtfertigung unterschiedlich behandelt wird? ».

(...)

III. In rechtlicher Beziehung

(...)

B.1. Die Artikel 9, 58 und 59 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern bestimmen:

« Art. 9. Um sich über die in Artikel 6 festgelegte Frist hinaus im Königreich aufhalten zu dürfen, muss der Ausländer, der sich nicht in einem der in Artikel 10 vorgesehenen Fälle befindet, dazu vom Minister oder von dessen Beauftragtem die Erlaubnis erhalten haben.

Ausser bei Abweichungen, die durch einen internationalen Vertrag, durch Gesetz oder durch einen Königlichen Erlass bestimmt sind, muss der Ausländer diese Erlaubnis bei der belgischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung beantragen, die für seinen Wohnort oder für seinen Aufenthaltsort im Ausland zuständig ist ».

« Art. 58. Wenn der Antrag auf Erlaubnis, sich länger als drei Monate im Königreich aufhalten zu dürfen, bei einer belgischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung von einem Ausländer eingereicht wird, der in Belgien an einer Hochschule studieren oder dort ein Vorbereitungsjahr für den Hochschulunterricht besuchen möchte, muss diese Erlaubnis erteilt werden, wenn sich der Betreffende nicht in einem der in Artikel 3 Absatz 1 Nr. 5 bis 8 vorgesehenen Fälle befindet und wenn er folgende Dokumente vorlegt:

1. eine gemäss Artikel 59 von einer Lehranstalt ausgestellte Bescheinigung,

2. den Nachweis, dass er über genügende Existenzmittel verfügt,

3. ein ärztliches Attest, aus dem hervorgeht, dass er nicht an einer der in der Anlage zu vorliegendem Gesetz aufgezählten Krankheiten oder Gebrechen leidet,

4. wenn der Betreffende älter als 21 Jahre ist, eine Bescheinigung, aus der hervorgeht, dass er nicht wegen gemeinrechtlicher Verbrechen oder Delikte verurteilt worden ist,

Wenn das in Absatz 1 Nr. 3 vorgesehene Attest und die in Absatz 1 Nr. 4 vorgesehene Bescheinigung nicht vorgelegt werden, kann der Minister oder sein Beauftragter dem Ausländer je nach Umständen trotzdem erlauben, sich in Belgien aufzuhalten, um dort zu studieren.

Die Erlaubnis sich länger als drei Monate im Königreich aufzuhalten kann gemäss den vom König in Ausführung von Artikel 9 Absatz 2 festgelegten Modalitäten vom Ausländer beantragt werden.

Art. 59. Alle von den öffentlichen Behörden organisierten, anerkannten oder bezuschussten Lehranstalten sind befugt, die erforderliche Bescheinigung auszustellen.

Diese Bescheinigung bestätigt entweder, dass der Ausländer, der die Bedingungen hinsichtlich des vorangegangenen Studiums erfüllt, als regulärer Schüler oder Student in der Anstalt, die diese Bescheinigung ausstellt, eingetragen ist oder dass er gegebenenfalls einen Antrag auf Anerkennung der Gleichwertigkeit von ausländischen Diplomen und Studienzeugnissen eingereicht hat oder dass er sich gegebenenfalls für eine Aufnahmeprüfung eingetragen hat.

In den beiden letzten Fällen muss binnen vier Monaten durch eine neue Bescheinigung bestätigt werden, dass der Ausländer, nachdem die Gleichwertigkeit seiner Diplome oder Studienzeugnisse anerkannt worden ist oder nachdem er seine Aufnahmeprüfung bestanden hat, als regulärer Schüler oder Student in der Lehranstalt, die sie ausstellt, eingetragen ist.

Die Bescheinigung muss sich auf Vollzeitunterricht beziehen; sie kann sich jedoch auf Teilzeitunterricht beziehen, wenn der Ausländer nachweist, dass dieser Unterricht seine Haupttätigkeit und die Vorbereitung beziehungsweise Ergänzung eines Vollzeitunterrichts sein wird ».

B.2.1. Die vorerwähnten Artikel 58 und 59 führen einen Behandlungsunterschied zwischen ausländischen Studenten, die in einer Lehranstalt eingeschrieben sind, ein, je nachdem, ob dieser Unterricht durch die öffentliche Hand organisiert, bezuschusst oder anerkannt wird oder nicht; nur die Lehranstalten, die durch die öffentliche Hand organisiert, bezuschusst oder anerkannt werden, sind ermächtigt, die Einschreibungsbescheinigung im Sinne von Artikel 59 zu erteilen, deren Vorlage eines der Erfordernisse ist, von denen aufgrund von Artikel 58 die Erlaubnis, sich im Königreich aufzuhalten, abhängt. Liegt eine solche nicht vor, so kann diese Erlaubnis nicht erteilt werden, so dass ein ausländischer Student, der sich in einer Lehranstalt einschreibt, die durch die öffentliche Hand weder organisiert, noch bezuschusst oder anerkannt wird, folglich Artikel 9 unterliegt und vom Minister oder von dessen Beauftragtem die Erlaubnis, sich im Königreich aufzuhalten, erhalten muss.

B.2.2. Im Gegensatz zu dem, was der Ministerrat anführt, stellen die beiden Kategorien von Studenten vergleichbare Kategorien dar, denn es handelt sich in beiden Fällen um die Erteilung von Hochschulunterricht (oder von darauf vorbereitenden Unterricht) an ausländische Studenten.

B.3. Die Artikel 58 und 59 des fraglichen Gesetzes verleihen ein Aufenthaltsrecht für Studenten, die die darin vorgesehenen Bedingungen erfüllen (Parl. Dok., Kammer, 1977-1978, Nr. 144/7, S. 49), wobei die Behörde diesbezüglich über eine gebundene Befugnis verfügt, sofern der Student sich nicht in einem der Fälle im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Nrn. 5 bis 8 desselben Gesetzes befindet, der dem Minister eine Ermessensbefugnis für bestimmte darin vorgesehene Situationen verleiht. Diese Bedingungen beruhen auf dem Bemühen des Gesetzgebers, die Gefahren von Missbräuchen zu vermeiden:

« Mit diesem Entwurf sollen jedoch gewisse Missbräuche bekämpft werden, wie diejenigen von ' diesen Pseudostudenten ', die sich jahrelang an einer Universität einschreiben, ohne jemals irgendeine Prüfung abzulegen, oder den Studenten von so genannten unterentwickelten Ländern, die sich nach Erhalt ihres Diploms mit allen Mitteln bemühen, sich in Belgien niederzulassen (Art. 60) » (Parl. Dok., Kammer, 1974-1975, Nr. 653/1, S. 47; im gleichen Sinne, die vorerwähnte Nr. 144/7, S. 51; Senat, 1980-1981, Nr. 521/2, S. 21).

Die Prüfung der Vorarbeiten ergibt ferner, dass der Gesetzgeber sich mit bestimmten Bedingungen befasst hat, die in den Artikeln 58 und 59 festgelegt sind. Hinsichtlich des Statuts der Lehranstalten wurde die Lösung, die darin besteht, den König zu ermächtigen, die Anstalten zu bestimmen, die die betreffende Bescheinigung ausstellen könnten, aufgegeben zugunsten einer Ermächtigung aller Anstalten, die durch die öffentliche Hand organisiert, anerkannt oder bezuschusst werden (Parl. Dok., Kammer, 1974-1975, Nr. 653/1, S. 49, und Nr. 144/7, S. 50).

Artikel 58 wurde durch Artikel 4 des Gesetzes vom 28. Juni 1984 « über bestimmte Aspekte der Situation der Ausländer und zur Einführung des Gesetzbuches über die belgische Staatsangehörigkeit » abgeändert, um die Anerkennung des Rechtes auf Aufenthaltserlaubnis für Studenten im Hochschulunterricht im weiteren Sinne zu begrenzen (Parl. Dok., Kammer, 1983-1984, Nr. 756/1, S. 6), wobei man davon ausging, dass der Primar- und Sekundarunterricht « in den meisten Fällen » im Herkunftsland des Schülers zugänglich ist (ebenda, Nr. 756/21, S. 48), der, wenn er dennoch an diesem Unterricht in Belgien teilzunehmen wünschte, der Regelung von Artikel 9 unterliegen würde (ebenda, S. 8).

Bei der Prüfung des Gesetzes vom 28. Juni 1984 wurde erklärt:

« [...] Artikel 59 präzisiert, dass alle vom Staat organisierten, anerkannten oder bezuschussten Lehranstalten befugt sind, die erforderliche Bescheinigung auszustellen.

Diese Bestimmung wird jedoch nicht streng angewandt. Eine Reihe von privaten Lehranstalten, die nicht die in Artikel 59 vorgesehenen Kriterien erfüllen und die durch den Vizepremierminister namentlich genannt werden, erteilen nämlich einen seriösen Unterricht, der ebenfalls berücksichtigt werden kann.

Die durch diese Lehranstalten erteilte Bescheinigung wurde daher angenommen und die Aufenthaltserlaubnis erteilt aufgrund von Artikel 9 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 » (Parl. Dok., Kammer, 1983-1984, Nr. 756/21, S. 50).

B.4. Die Gründung von Lehranstalten, die nicht durch die öffentliche Hand organisiert, bezuschusst oder anerkannt werden, entspricht der Unterrichtsfreiheit, die durch Artikel 24 § 1 der Verfassung gewährleistet wird. Diese Bestimmung beinhaltet, dass Privatpersonen ohne vorherige Genehmigung und vorbehaltlich der Einhaltung der Grundfreiheiten und -rechte nach ihren eigenen Vorstellungen einen Unterricht organisieren und erteilen lassen können, sowohl hinsichtlich der Form dieses Unterrichts als auch hinsichtlich seines Inhalts, beispielsweise indem sie Schulen gründen, deren spezifische Merkmale in bestimmten Pädagogik- und Unterrichtskonzepten bestehen.

B.5. Der Gesetzgeber, der Missbrauch vermeiden möchte, ergreift eine Massnahme, die nicht der Sachdienlichkeit hinsichtlich seiner Zielsetzung entbehrt, indem er den Hochschulanstalten (oder den darauf vorbereitenden Anstalten), die in dem in B.4 beschriebenen Rahmen gegründet wurden und nicht durch die öffentliche Hand organisiert, bezuschusst oder anerkannt werden, und über die folglich die öffentliche Hand keinerlei Kontrollrecht besitzt, nicht die gleichen Vorrechte gewährt wie denjenigen, auf die dies wohl zutrifft, insbesondere wenn die Ausübung dieser Vorrechte - wie im vorliegenden Fall - den Studenten Rechte verleihen kann, die sie den Behörden gegenüber geltend machen können.

B.6. Eine solche Massnahme verletzt nicht auf unverhältnismässige Weise die Rechte der Betroffenen, da die betroffenen Studenten auf der Grundlage von Artikel 9 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 die Erlaubnis erhalten können, sich in Belgien aufzuhalten. Diese Bestimmung verbietet es dem Minister oder seinem Beauftragten nicht, zu prüfen, ob die Einschreibung in einer Lehranstalt, die nicht durch die öffentliche Hand organisiert, bezuschusst oder anerkannt wird, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtfertigt, vorbehaltlich dessen, dass die zuständige Behörde verpflichtet ist, ihre Entscheidung zu begründen (Parl. Dok., Senat, 1980-1981, Nr. 521/2, S. 23).

B.7. Die Verbindung der Artikel 10, 11, 24 und 191 der Verfassung mit den in der Frage erwähnten vertragsrechtlichen Bestimmungen führt nicht zu einer anderen Schlussfolgerung.

B.8. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen :

Der Hof

erkennt für Recht :

Die Artikel 9, 58 und 59 des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern verstossen nicht gegen die Artikel 10, 11, 24 und 191 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 2 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, mit Artikel 14 derselben Konvention und mit Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c) des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, insofern sie es einem ausländischen Studenten nicht ermöglichen, sich auf seine Einschreibung in einer nicht von den öffentlichen Behörden organisierten, bezuschussten oder anerkannten Lehranstalt zu berufen, um sich auf dieser Grundlage eine Aufenthaltserlaubnis erteilen zu lassen, damit er sein Hochschulstudium in Belgien abschliessen kann.

Verkündet in französischer und niederländischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 16. Dezember 2010.

Der Kanzler,

P.-Y. Dutilleux.

Der Vorsitzende,

M. Melchior.