Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 18 Februar 2010 (België). RG 13/2010

Date :
18-02-2010
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
2 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20100218-3
Numéro de rôle :
13/2010

Résumé :

Der Hof erkennt für Recht: Für einen volljährigen Adoptierten verstossen Artikel 350, Artikel 356-1 Absatz 2 und der durch das Gesetz vom 24. April 2003 aufgehobene Artikel 370 § 4 des Zivilgesetzbuches nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus dem Vorsitzenden M. Bossuyt, dem Richter und stellvertretenden Vorsitzenden M. Melchior, und den Richtern R. Henneuse, E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke und J. Spreutels, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Bossuyt,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

I. Gegenstand der präjudiziellen Fragen und Verfahren

In seinem Urteil vom 8. Mai 2009 in Sachen Ludwig Van Wambeke gegen Lucienne Van Ryckeghem und andere, dessen Ausfertigung am 26. Mai 2009 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat das Gericht erster Instanz Brügge folgende präjudizielle Fragen gestellt:

« 1. Verstössen Artikel 350 (neu) sowie Artikel 370 § 4 (alt) und Artikel 356-1 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches (neu) gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, insofern die Feststellung der Abstammung eines natürlichen und nachher adoptierten Kindes mit keiner anderen Folge als den Verbotsbestimmungen der Artikel 161 bis 164 des Zivilgesetzbuches einhergeht, im Gegensatz zu einer ähnlichen Feststellung der Abstammung in Bezug auf ein nicht adoptiertes natürliches Kind, mit der alle in Artikel 334 des Zivilgesetzbuches bestimmten Folgen einhergehen?

2. Verstössen Artikel 350 (neu) sowie Artikel 370 § 4 (alt) und Artikel 356-1 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches (neu) gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, insofern die Volladoption wohl widerrufen werden kann, wenn eine zweite Volladoption erfolgt, während die Volladoption nicht widerrufen werden kann, wenn der Adoptierte nach Feststellung der väterlichen Abstammung, aufgrund von Artikel 334 des Zivilgesetzbuches mit seinem biologischen Vater wieder verbunden werden möchte? ».

(...)

III. In rechtlicher Beziehung

(...)

B.1. Artikel 334 des Zivilgesetzbuches bestimmt:

« Auf welche Weise auch immer die Abstammung festgestellt worden ist, die Kinder und ihre Nachkommen haben dieselben Rechte und dieselben Pflichten gegenüber ihren Eltern, Verwandten und Verschwägerten, und die Eltern, Verwandten und Verschwägerten haben dieselben Rechte und dieselben Pflichten gegenüber den Kindern und deren Nachkommen ».

Artikel 350 desselben Gesetzbuches bestimmt:

« Wird die Abstammung des Adoptierten hinsichtlich des Adoptierenden beziehungsweise eines der Adoptierenden festgestellt, nachdem das Adoptionsurteil rechtskräftig geworden ist, setzt diese Feststellung der Adoption hinsichtlich dieses Adoptierenden beziehungsweise hinsichtlich dieser Adoptierenden ab diesem Zeitpunkt und für die Zukunft ein Ende.

Wird die Abstammung des Adoptierten hinsichtlich einer anderen Person als des Adoptierenden beziehungsweise der Adoptierenden festgestellt, nachdem das Adoptionsurteil rechtskräftig geworden ist, setzt diese Feststellung der Adoption kein Ende. Handelt es sich um eine einfache Adoption, hat diese Abstammung nur Wirkungen, insofern diese zu den Wirkungen der Adoption nicht im Widerspruch stehen. Handelt es sich um eine Volladoption, hat diese Abstammung nur die in den Artikeln 161 bis 164 vorgesehenen Ehehindernisse zur Folge ».

Artikel 356-1 desselben Gesetzbuches bestimmt:

« Die Volladoption verleiht dem Kind und seinen Nachkommen einen Status mit denselben Rechten und Pflichten wie denjenigen, die sie hätten, wenn das Kind vom Adoptierenden beziehungsweise von den Adoptierenden geboren worden wäre.

Unter Vorbehalt der in den Artikeln 161 bis 164 vorgesehenen Ehehindernisse gehört ein volladoptiertes Kind seiner Ursprungsfamilie nicht mehr an.

Kinder oder Adoptivkinder des Ehepartners des Adoptierenden oder der mit dem Adoptierenden zusammenwohnenden Person, auch wenn dieser Ehepartner oder diese mit ihm zusammenwohnende Person bereits verstorben ist, gehören jedoch weiterhin der Familie dieses Ehepartners oder der mit dem Adoptierenden zusammenwohnenden Person an. Wenn dieser Ehepartner oder Zusammenwohnende noch am Leben ist, wird die elterliche Gewalt über den Adoptierten gemeinsam vom Adoptierenden und von diesem Ehepartner oder Zusammenwohnenden ausgeübt ».

Artikel 370 § 4 desselben Gesetzbuches, der ebenfalls in der präjudiziellen Frage erwähnt wird aber durch Artikel 3 des Gesetzes 24. April 2003 zur Reform der Adoption aufgehoben wurde, bestimmte:

« Die Feststellung der Abstammung eines Kindes nach dem Urteil oder Entscheid, mit dem die Volladoption homologiert oder ausgesprochen wird, hat keine andere Wirkung als die in den Artikeln 161 bis 164 vorgesehenen Verbotsbestimmungen in Bezug auf die Eheschliessung ».

B.2. Der vorlegende Richter möchte vom Hof erfahren, ob die erwähnten Bestimmungen gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstiessen, indem die Feststellung der Abstammung eines adoptierten Kindes mit keiner anderen Folge einhergehe, als dass die Verbotsbestimmungen bezüglich der Eheschliessung Anwendung fänden, während die Feststellung der Abstammung eines nicht adoptierten Kindes alle Folgen bezüglich der Abstammung nach sich ziehe (erste Frage) und indem die Volladoption widerrufen werden könne, wenn eine zweite Volladoption erfolge, während die Volladoption nach der Feststellung der Abstammung des Adoptierten nicht widerrufen werden könne (zweite Frage).

B.3. Die Klage vor dem vorlegenden Richter wurde von einer volljährigen adoptierten Person erhoben. Der Hof beschränkt seine Prüfung auf diese Situation.

B.4. Da Volljährige nicht mehr volladoptiert werden können (Artikel 355 des Zivilgesetzbuches), kann sich der in der zweiten präjudiziellen Frage erwähnte Fall (Widerruf der Volladoption, wenn eine zweite Volladoption erfolgt) nicht ereignen. Die fraglichen Bestimmungen führen daher für volljährige Adoptierte nicht zu dem vorgelegten Behandlungsunterschied.

Die zweite präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.

B.5. Mit der Regel, der zufolge die Volladoption dem Kind und seinen Nachkommen einen Status mit denselben Rechten und Pflichten verleiht wie denjenigen, die sie hätten, wenn das Kind vom Adoptierenden beziehungsweise von den Adoptierenden geboren worden wäre, und ein volladoptiertes Kind unter Vorbehalt der Ehehindernisse seiner Ursprungsfamilie nicht mehr angehört (Artikel 356-1 Absätze 1 und 2 des Zivilgesetzbuches), selbst wenn die Abstammung des Adoptierten hinsichtlich einer anderen Person als des Adoptierenden beziehungsweise der Adoptierenden nachher festgestellt wird (Artikel 350 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches), hat der Gesetzgeber einerseits die Gleichstellung mit dem normalen Abstammungsverhältnis angestrebt und andererseits die Stabilität der verwandtschaftlichen Beziehungen und des familiären Umfelds des Adoptierten absichern wollen.

Der Behandlungsunterschied, was die Folgen bezüglich der Feststellung der Abstammung betrifft, zwischen Volladoptierten und Nichtadoptierten beruht auf einem objektiven Kriterium, das angesichts der vorerwähnten Zielsetzung sachdienlich ist.

Da der Volladoptierte eine völlige Gleichstellung mit den vom Adoptierenden beziehungsweise von den Adoptierenden geborenen Kindern geniesst, ziehen die fraglichen Bestimmungen keine unverhältnismässigen Folgen nach sich, insofern sie ihn in dem Fall, wo die Abstammung des Adoptierten hinsichtlich einer anderen Person als des Adoptierenden beziehungsweise der Adoptierenden festgestellt wird, daran hindern, die gleichen Rechte und Pflichten zu haben wie die anderen Kinder der vorerwähnten anderen Person.

Der in der ersten präjudiziellen Frage vorgelegte Behandlungsunterschied ist demzufolge nicht unvereinbar mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung.

B.6. Die Prüfung der fraglichen Bestimmungen anhand der Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention führt nicht zu einer anderen Schlussfolgerung.

B.7. Die erste präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Hof

erkennt für Recht:

Für einen volljährigen Adoptierten verstossen Artikel 350, Artikel 356-1 Absatz 2 und der durch das Gesetz vom 24. April 2003 aufgehobene Artikel 370 § 4 des Zivilgesetzbuches nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, an sich oder in Verbindung mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989, in der öffentlichen Sitzung vom 18. Februar 2010.

Der Kanzler,

(gez.) P.-Y. Dutilleux.

Der Vorsitzende,

(gez.) M. Bossuyt.