Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 19 Dezember 2013 (België). RG 177/2013

Date :
19-12-2013
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
3 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20131219-1
Numéro de rôle :
177/2013

Résumé :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: Artikel 6.1.41 § 1 Absatz 1 Nr. 2 des Flämischen Raumordnungskodex verstößt nicht gegen Artikel 23 der Verfassung.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten M. Bossuyt und J. Spreutels, und den Richtern L. Lavrysen, A. Alen, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul und T. Giet, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten M. Bossuyt,

verkündet nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren

In seinem Urteil vom 1. Februar 2013 in Sachen des Bürgermeister- und Schöffenkollegiums der Gemeinde Sint-Genesius-Rode gegen die « Automobiles Alain Henneuse » AG und andere, dessen Ausfertigung am 18. Februar 2013 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das Gericht erster Instanz Brüssel folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:

« Verstößt Artikel 6.1.41 § 1 dritter Satz [zu lesen ist: Artikel 6.1.41 § 1 Absatz 1 Nr. 2] des Flämischen Raumordnungskodex gegen Artikel 23 der Verfassung, indem diese Bestimmung vorschreibt, dass für andere Verstöße als diejenigen, die - unter anderem - in der Ausführung von Handlungen bestehen, die im Widerspruch zu einer Unterlassungsanordnung oder zu den Städtebauvorschriften in Bezug auf die für das Gebiet zugelassenen Zweckbestimmungen - sofern nicht auf zulässige Weise davon abgewichen wurde - stehen, die Zahlung des Mehrwerts gefordert wird, es sei denn, die Behörde, die die Wiederherstellungsklage erhebt, weist nach, dass der Ortsgestaltung hierdurch offensichtlich in unverhältnismäßiger Weise geschadet werden würde, wobei in diesem Fall die Versetzung des Ortes in den ursprünglichen Zustand, die Einstellung der rechtswidrigen Verwendung oder die Ausführung von Bau- oder Anpassungsarbeiten gefordert wird, was eine erhebliche Verringerung des Schutzmaßes für die Umwelt im Vergleich zu den vorher geltenden Regeln beinhalten würde? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1. Artikel 6.1.41 § 1 Absatz 1 des Flämischen Raumordnungskodex bestimmt:

« Neben der Strafe kann das Gericht anordnen, dass der Ort wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt oder die rechtswidrige Benutzung eingestellt wird und/oder Bau- oder Anpassungsarbeiten ausgeführt werden und/oder eine Geldsumme gezahlt wird in Höhe des Mehrwertes, den das Gut durch den Verstoß erlangt hat. Dies geschieht, unbeschadet der Artikel 6.1.7 und 6.1.18, auf Antrag des Städtebauinspektors oder des Bürgermeister- und Schöffenkollegiums, auf dessen Gebiet die Arbeiten, Handlungen oder Änderungen im Sinne von Artikel 6.1.1 durchgeführt wurden. Die Wiederherstellungsklage wird unter Einhaltung folgender Regeln eingereicht:

1. für Verstöße, die - unter anderem - in der Ausführung von Handlungen bestehen, die im Widerspruch stehen zu einer Unterlassungsanordnung oder zu den Städtebauvorschriften in Bezug auf die für das Gebiet zugelassenen Zweckbestimmungen, sofern nicht auf zulässige Weise davon abgewichen wurde, werden folgende Maßnahmen gefordert:

a) entweder die Ausführung der Versetzung des Ortes in den ursprünglichen Zustand oder die Einstellung der rechtswidrigen Nutzung,

b) oder, falls dies offensichtlich ausreicht, um die Ortsgestaltung wiederherzustellen, die Ausführung von Bau- oder Anpassungsarbeiten;

c) oder, wenn die Folge des Verstoßes offensichtlich mit der guten Raumordnung vereinbar ist, die Zahlung einer Geldsumme in Höhe des Mehrwertes, die das Gut durch den Verstoß erhalten hat;

2. für andere Verstöße als diejenigen, die in Nr. 1 erwähnt sind, wird die Zahlung des Mehrwertes gefordert, es sei denn, dass die Behörde, die die Wiederherstellungsklage einreicht, nachweist, dass der Ortsgestaltung hierdurch offensichtlich in unverhältnismäßiger Weise geschadet würde, und in diesem Fall wird eine der in Nr. 1 erwähnten Maßnahmen gefordert ».

B.2. Die vorerwähnte Regelung wurde durch das Dekret vom 27. März 2009 zur Anpassung und Ergänzung der Raumplanungs-, Genehmigungs- und Rechtsdurchsetzungspolitik eingeführt und ist am 1. September 2009 in Kraft getreten. Buchstabe c) von Paragraph 1 Absatz 1 Nr. 1 wurde erst durch ein Änderungsdekret vom 11. Mai 2012 eingefügt.

Dieser Paragraph 1 Absatz 1 Nr. 1 findet Anwendung auf Verstöße, die - unter anderem - in der Ausführung von Handlungen bestehen, die im Widerspruch stehen zu einer Unterlassungsanordnung oder zu den Städtebauvorschriften in Bezug auf die für das Gebiet zugelassenen Zweckbestimmungen, sofern nicht auf zulässige Weise davon abgewichen wurde. Für diese Verstöße wird grundsätzlich die Versetzung des Ortes in den ursprünglichen Zustand oder die Einstellung der rechtswidrigen Nutzung gefordert:

« Die ausgeführten Arbeiten stehen nämlich offensichtlich im Widerspruch zu der ausdrücklich festgestellten Auffassung der Behörden von der guten Raumordnung oder sind derart unzulässig, dass sogar eine (ignorierte) Unterlassungsanordnung ergangen ist » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2008-2009, Nr. 2011/1, S. 282).

B.3. Die Vorabentscheidungsfrage bezieht sich auf Paragraph 1 Absatz 1 Nr. 2, der auf andere Verstöße anwendbar ist als diejenigen, die - unter anderem - in der Ausführung von Handlungen bestehen, die im Widerspruch stehen zu einer Unterlassungsanordnung oder zu den Städtebauvorschriften in Bezug auf die für das Gebiet zugelassenen Zweckbestimmungen, sofern nicht auf zulässige Weise davon abgewichen wurde. Für diese anderen Verstöße wird grundsätzlich die Zahlung einer Geldsumme in Höhe des Mehrwertes, den das Gut durch den Verstoß erlangt hat, gefordert. Nur wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, kann die Versetzung des Ortes in den ursprünglichen Zustand oder die Ausführung von Bau- oder Anpassungsarbeiten gefordert werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Behörde, die die Wiederherstellungsklage einreicht, nachweist, dass der Ortsgestaltung hierdurch offensichtlich in unverhältnismäßiger Weise geschadet würde.

Vor dem 1. September 2009 konnte die die Wiederherstellung fordernde Behörde in allen Fällen, ohne dass bestimmte Bedingungen erfüllt sein mussten, die Versetzung des Ortes in den ursprünglichen Zustand oder die Ausführung von Bau- oder Anpassungsarbeiten verlangen. Die Vorabentscheidungsfrage bezweckt, vom Gerichtshof zu erfahren, ob die Begrenzung der Entscheidungsfreiheit der die Wiederherstellung fordernden Behörde infolge der fraglichen Bestimmung gegen Artikel 23 der Verfassung verstößt.

B.4. Artikel 23 der Verfassung bestimmt:

« Jeder hat das Recht, ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Zu diesem Zweck gewährleistet das Gesetz, das Dekret oder die in Artikel 134 erwähnte Regel unter Berücksichtigung der entsprechenden Verpflichtungen die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte und bestimmt die Bedingungen für ihre Ausübung.

Diese Rechte umfassen insbesondere:

[...]

4. das Recht auf den Schutz einer gesunden Umwelt;

[...] ».

B.5. Artikel 23 der Verfassung beinhaltet bezüglich des Umweltschutzes eine Stillhalteverpflichtung, die verhindert, dass der zuständige Gesetzgeber das Schutzniveau, das durch die geltenden Rechtsvorschriften geboten wird, in erheblichem Maße verringert, ohne dass es hierfür Gründe gibt, die mit dem Allgemeininteresse zusammenhängen.

B.6. Die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der die Wiederherstellung fordernden Behörde grundsätzlich auf die Forderung einer Geldsumme in Höhe des Mehrwertes, den das Gut durch den Verstoß erlangt hat, gilt zunächst nicht für die Verstöße, die - unter anderem - in der Ausführung von Handlungen bestehen, die im Widerspruch stehen zu einer Unterlassungsanordnung oder zu den Städtebauvorschriften in Bezug auf die für das Gebiet zugelassenen Zweckbestimmungen, sofern nicht auf zulässige Weise davon abgewichen wurde.

Für die anderen Verstöße ist grundsätzlich die Zahlung des Mehrwertes zu fordern. Diese Maßnahme kann jedoch nicht auferlegt werden, wenn die die Wiederherstellung fordernde Behörde « nachweist, dass der Ortsgestaltung hierdurch offensichtlich in unverhältnismäßiger Weise geschadet würde ». In diesem Fall wird die Versetzung des Ortes in den ursprünglichen Zustand oder die Ausführung von Bau- oder Anpassungsarbeiten gefordert.

B.7. Bei den vorerwähnten Bedingungen, mit denen der Dekretgeber die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der die Wiederherstellung fordernden Behörde verknüpft hat, ist festzustellen, dass der Schutz der Umwelt, einschließlich der guten Raumordnung, durch die fragliche Bestimmung nicht in erheblichem Maße verringert wird.

Wenn es nämlich der die Wiederherstellung fordernden Behörde nicht gelingt, unter Aufsicht des Gerichts, das die Wiederherstellungsmaßnahme auferlegt, nachzuweisen, dass der Ortsgestaltung durch die bloße Zahlung des Mehrwertes offensichtlich in unverhältnismäßiger Weise geschadet würde, kann vernünftigerweise angenommen werden, dass die gute Raumordnung nach Auffassung « eines jeden normal sorgfältig Beurteilenden » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2008-2009, Nr. 2011/1, S. 282) durch die letztgenannte Wiederherstellungsmaßnahme nicht gefährdet wird.

Bei der Beurteilung der Wiederherstellungsmaßnahme ist jedoch, wie die vor dem vorlegenden Richter klagende Partei geltend macht, zu berücksichtigen, dass ein Verstoß, der an sich nicht so schwerwiegend ist, dass der Ortsgestaltung hierdurch offensichtlich in unverhältnismäßiger Weise geschadet würde, doch zu einem offensichtlich unverhältnismäßigen Schaden beitragen kann, insofern er andere zu dem gleichen Verstoß veranlasst.

B.8. Außerdem hat der Dekretgeber nur eine Regelung in Bezug auf die öffentliche Wiederherstellungsklage angenommen und hat somit nicht die Rechte von Personen beeinträchtigt, den Schaden, den sie erleiden würden, beispielsweise als Eigentümer eines angrenzenden Grundstücks, beenden zu lassen durch eine Wiederherstellung in natura oder zumindest sich entschädigen zu lassen für Situationen, die weiterhin einen quasideliktischen Fehler darstellen.

B.9. Unter Berücksichtigung der weiten Ermessensbefugnis, über die der Dekretgeber bei der Festlegung seiner Politik in Bezug auf Städtebau und Raumordnung verfügt, entbehrt es nicht einer vernünftigen Rechtfertigung, die Entscheidungsfreiheit der die Wiederherstellung fordernden Behörde auf die Bezahlung des Mehrwertes zu beschränken, wenn die in der fraglichen Bestimmung vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.

B.10. Die Vorabentscheidungsfrage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

Artikel 6.1.41 § 1 Absatz 1 Nr. 2 des Flämischen Raumordnungskodex verstößt nicht gegen Artikel 23 der Verfassung.

Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 19. Dezember 2013.

Der Kanzler,

(gez.) F. Meersschaut

Der Präsident,

(gez.) M. Bossuyt