Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 22 Januar 2015 (België). RG 1/2015

Date :
22-01-2015
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
3 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20150122-1
Numéro de rôle :
1/2015

Résumé :

Der Gerichtshof erklärt in Artikel 106 des Gesetzes vom 17. Juni 2013 zur Festlegung steuerrechtlicher und finanzieller Bestimmungen und von Bestimmungen über die nachhaltige Entwicklung die Wortfolge « ‘ 0,0965 Prozent ' mit Wirkung vom 1. Januar 2013 und » für nichtig.

Arrêt :

Ajoutez le document à un dossier () pour commencer à l'annoter.

Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten A. Alen und J. Spreutels, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten A. Alen,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Klage und Verfahren

Mit einer Klageschrift, die dem Gerichtshof mit am 23. Dezember 2013 bei der Post aufgegebenem Einschreibebrief zugesandt wurde und am 24. Dezember 2013 in der Kanzlei eingegangen ist, erhoben Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 106 des Gesetzes vom 17. Juni 2013 zur Festlegung steuerrechtlicher und finanzieller Bestimmungen und von Bestimmungen über die nachhaltige Entwicklung (veröffentlicht im Belgischen Staatsblatt vom 28. Juni 2013): die Gesellschaft luxemburgischen Rechts « Robeco Capital Growth Funds, SICAV », die Gesellschaft niederländischen Rechts « Robeco nv » und die Gesellschaft luxemburgischen Rechts « Franklin Templeton Investment Funds, SICAV », unterstützt und vertreten durch RA P. Smet und RA D. De Wolf, in Brüssel zugelassen.

(...)

II. Rechtliche Würdigung

(...)

In Bezug auf die angefochtene Bestimmung

B.1. Mit der Klage wird die Nichtigerklärung von Artikel 106 des Gesetzes vom 17. Juni 2013 zur Festlegung steuerrechtlicher und finanzieller Bestimmungen und von Bestimmungen über die nachhaltige Entwicklung (nachstehend: Gesetz vom 17. Juni 2013) beantragt, der bestimmt:

« In Artikel 161ter des Erbschaftssteuergesetzbuches, eingefügt durch das Gesetz vom 22. Juli 1993, abgeändert durch den königlichen Erlass vom 13. Juli 2001, durch die Gesetze vom 5. August 2003 und vom 22. Dezember 2003, wird der Satz ' 0,08 Prozent ' ersetzt durch den Satz ' 0,0965 Prozent ' mit Wirkung vom 1. Januar 2013 und ' 0,0925 Prozent ' mit Wirkung vom 1. Januar 2014 ».

Diese Änderungsbestimmung ist am 8. Juli 2013 in Kraft getreten.

Zur Hauptsache

B.2. Die klagenden Parteien führen einen einzigen Klagegrund an, der aus einem Verstoß gegen Artikel 10 und 11 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 2 des Zivilgesetzbuches abgeleitet ist, indem durch die angefochtene Bestimmung der Satz der jährlichen Steuer auf Einrichtungen für gemeinsame Anlagen im Sinne von Artikel 161ter Nr. 1 des Erbschaftssteuergesetzbuches rückwirkend zum 1. Januar 2013 von 0,08 Prozent auf 0,0965 Prozent für 2013 erhöht werde.

B.3.1. Eine steuerrechtliche Regel kann nur dann als rückwirkend bezeichnet werden, wenn sie auf Tatsachen, Handlungen und Situationen Anwendung findet, die zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung endgültig festlagen.

Aus dem Umstand, dass die jährliche Steuer in diesem Fall auf die in Belgien netto angelegten Beträge der Einrichtung für gemeinsame Anlagen, festgelegt am 31. Dezember 2012 (Artikel 161bis §§ 1 und 2 des Erbschaftssteuergesetzbuches), geschuldet war und dass diese Steuer spätestens am 31. März 2013 bezahlt sein musste (Artikel 161quater Absatz 2 des Erbschaftssteuergesetzbuches), geht hervor, dass die Situation am 31. März 2013 endgültig war. Am Datum des Inkrafttretens der angefochtenen Bestimmung stand die Steuerschuld endgültig fest.

B.3.2. Artikel 72 des Gesetzes vom 30. Juli 2013 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen lautet:

« Es wird davon ausgegangen, dass die durch die Einrichtungen für gemeinsame Anlagen und die Versicherungsunternehmen entrichtete Zahlung des sich aus dem Gesetz vom 17. Juni 2013 zur Festlegung steuerrechtlicher und finanzieller Bestimmungen und von Bestimmungen über die nachhaltige Entwicklung ergebenden Zuschlags auf die durch Artikel 161bis des Erbschaftssteuergesetzbuches festgelegte und am 1. Januar 2013 fällige jährliche Steuer am 31. März 2013 erfolgt ist, wenn diese Zahlung tatsächlich spätestens am 30. September 2013 vorgenommen wurde ».

B.3.3. Im Übrigen geht aus den Vorarbeiten zu dieser Bestimmung, durch die eine spätestens am 30. September 2013 erfolgte Zahlung der jährlichen Steuer übergangsweise einer Zahlung am 31. März 2013 gleichgesetzt wird, hervor, dass der Gesetzgeber sich dessen bewusst war, dass die Erhöhung des Steuersatzes nach dem Zeitpunkt, an dem die Steuer bezahlt werden musste, erfolgt war.

Es wurde nämlich angemerkt:

« Mit der zweiten Übergangsbestimmung wird die besondere Situation des Jahres 2013 nur für die Versicherungsunternehmen und die Einrichtungen für gemeinsame Anlagen geregelt: Grundsätzlich müssen sie die durch Artikel 161bis des Erbschaftssteuergesetzbuches festgelegte Steuer spätestens am 31. März dieses Jahres zahlen.

Da das Gesetz vom 17. Juni 2013 (Belgisches Staatsblatt, 28. Juni 2013), mit dem die Steuer, die sie für 2013 zahlen müssen, erhöht wurde, an einem Datum nach der Zahlungs- und Einreichungsfrist eingeführt und veröffentlicht wurde, können die Einrichtungen für gemeinsame Anlagen und die Versicherungsunternehmen die Steuer spätestens am 30. September 2013 entrichten » (Parl. Dok., Kammer, 2012-2013, DOC 53-2891/004, S. 38).

B.3.4. Durch Artikel 106 des Gesetzes vom 17. Juni 2013 wurde der Satz daher rückwirkend Kraft zum 1. Januar 2013 erhöht.

B.4. Die Nichtrückwirkung der Gesetze ist eine Garantie zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit. Diese Garantie erfordert es, dass der Rechtsinhalt vorhersehbar und zugänglich ist, damit der Rechtsunterworfene in einem vernünftigen Maße die Folgen eines bestimmten Handelns zum Zeitpunkt der Ausführung dieser Handlung vorhersehen kann. Die Rückwirkung ist nur zu rechtfertigen, wenn sie zur Verwirklichung einer Zielsetzung des Allgemeininteresses unerlässlich ist.

B.5.1. Während der Erörterung des Gesetzentwurfs im Ausschuss wurde Folgendes angeführt:

« Schließlich wird in Kapitel 9 die so genannte Abonnementsteuer, die durch Banken zu zahlen ist, erhöht. Es handelt sich um eine in Ausführung des Haushaltes 2013 ergriffene Maßnahme » (Parl. Dok., Kammer, 2012-2013, DOC 53-2756/005, S. 6).

Der Artikel selbst wurde wie folgt kommentiert:

« Der Staatssekretär [...] bemerkt, dass bei dem Haushaltskonklave von 2012 beschlossen wurde, ab 2013 den Banken einen zusätzlichen Betrag von 50 Millionen Euro aufzuerlegen. Es geht in der Tat um eine Haushaltsmaßnahme. Es handelt sich um die Kombination einer Abonnementsteuer, die in Artikel 105 des Gesetzentwurfs festgelegt ist, mit einem Stabilitätsbeitrag, der in Artikel 129 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist.

Für 2013 gilt lediglich eine Erhöhung der Abonnementsteuer von 0,08 auf 0,0965 Prozent. Ab 2014 gibt es eine Anpassung des finanziellen Stabilitätsbeitrags entsprechend dem Risiko. Dies führt zu einem positiven Haushaltsertrag, so dass die Abonnementsteuer auf 0,0925 Prozent herabgesetzt werden kann. Die Abonnementsteuer wird erhoben auf hinterlegte Beträge der Spareinlagen, die vom Mobiliensteuervorabzug befreit sind » (Parl. Dok., Kammer, 2012-2013, DOC 53-2756/005, S. 76).

In den Vorarbeiten ist stets die Rede von « Banken » und der « Abonnementsteuer », die die Banken zahlen müssen. Obwohl sowohl der Satz der Abonnementsteuer als auch derjenige der jährlichen Steuer auf Einrichtungen für gemeinsame Anlagen in Artikel 161ter des Erbschaftssteuergesetzbuches festgelegt ist, handelt es sich um zwei unterschiedliche Steuern.

Durch Artikel 106 des Gesetzes vom 17. Juni 2013 wird der Satz für beide Steuern geändert, doch in den Vorarbeiten wurde die jährliche Steuer auf Einrichtungen für gemeinsame Anlagen nicht erwähnt. Folglich wurde keine Rechtfertigung für die Rückwirkung der Erhöhung des Satzes der jährlichen Steuer erteilt.

B.5.2. Nach Auffassung des Ministerrates entspreche diese Erhöhung des Steuersatzes der allgemeinen Erhöhung des Mobiliensteuervorabzugs für Finanzprodukte. Darüber hinaus seien solche Maßnahmen bereits in der Regierungserklärung vom 21. November 2012 angekündigt worden:

« In dem schwierigen Kontext, in dem wir uns derzeit befinden, fordern wir jedoch Anstrengungen von den Bürgern, die über verhältnismäßig mehr Mittel verfügen, und von den großen Unternehmen und Holdings, die die breitesten Schultern haben. Wir bitten sie um einen etwas größeren Beitrag. So verlangen wir eine zusätzliche Anstrengung von denjenigen, die Einkünfte aus Finanzprodukten erhalten » (Ann., Senat, 2012-2013, Nr. 5-79, S. 9).

Im gleichen Zusammenhang wurden einige konkrete Maßnahmen angeführt:

« Das System 21% + 4% wird durch einen Satz von 25% mit befreiender Wirkung ersetzt. Dies bedeutet auch, dass der Mechanismus in Bezug auf den vorherigen Unterschied zwischen 21% und 25% nicht mehr notwendig ist.

Der Mobiliensteuervorabzug wird somit von 21 auf 25 Prozent erhöht. Sparbücher oder Staatsbons werden jedoch nicht angetastet.

Im Übrigen werden wir eine Abgabe auf die Mehrwerte einführen, die die großen Unternehmen und die Holdinggesellschaften auf Aktien erzielen.

Das System des Abzugs von fiktiven Zinsen wird aufrechterhalten, doch die Berechnungsweise des Zinssatzes wird verbessert, um ihn mit den aktuellen langfristigen Zinsen in Belgien in Einklang zu bringen. Schließlich werden Maßnahmen ergriffen, um das sich im Ausland befindende belgische Geld in unser Land zurückzubringen. Das bestehende Regularisierungssystem wird am 1. Januar 2014 aufgehoben. Die Bekämpfung des Steuer- und Sozialbetrugs wird verstärkt, und es wird ein Beitrag vom Bankensektor verlangt » (Ann., Senat, 2012-2013, Nr. 5-79, S. 9).

B.5.3. Dieser Passus betrifft nicht die Erhöhung der jährlichen Steuer auf Einrichtungen für gemeinsame Anlagen, sondern die Abonnementsteuer (« Beitrag des Bankensektors »).

Dass die Erhöhung des Steuersatzes der allgemeinen Erhöhung des Mobiliensteuervorabzugs entspricht, bietet keine Rechtfertigung für ihre rückwirkende Beschaffenheit. Neben dem Umstand, dass die jährliche Steuer auf Einrichtungen für gemeinsame Anlagen kein Mobiliensteuervorabzug ist, ist noch anzumerken, dass keine andere Maßnahme im Rahmen der allgemeinen Erhöhung rückwirkend ergriffen wurde.

B.6.1. Der Ministerrat führt an, die angefochtene Bestimmung sei zur Verwirklichung einer Zielsetzung des Allgemeininteresses ergriffen worden und dies rechtfertige ihre rückwirkende Beschaffenheit.

B.6.2. In den Vorarbeiten wird nicht angegeben, was in diesem Fall die Rückwirkung rechtfertigen könnte, und aus keinem einzigen anderen Element geht hervor, dass diese Rückwirkung, die gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt, für eine präzise angegebene Zielsetzung des Allgemeininteresses unentbehrlich wäre.

B.6.3. Im Übrigen geht aus den Vorarbeiten zu dem vorerwähnten Gesetz vom 30. Juli 2013 hervor, dass die Gesetzgebungsabteilung des Staatsrates der Auffassung war, dass eine « nähere Rechtfertigung » der angefochtenen Rückwirkung erforderlich war (Parl. Dok., Kammer, 2012-2013, DOC 53-2891/009, S. 10).

B.7. Auch das Argument des Ministerrates, dass die Auswirkungen der Erhöhung des Steuersatzes auf die einzelnen Anleger gering seien, bietet keine Rechtfertigung für die Rückwirkung dieser Erhöhung. Die Steuerpflichtigen der jährlichen Steuer auf Einrichtungen für gemeinsame Anlagen sind nämlich die Anlagegesellschaften selbst (Artikel 161 Nrn. 1 bis 3 des Erbschaftssteuergesetzbuches).

B.8. Der Klagegrund ist begründet.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erklärt in Artikel 106 des Gesetzes vom 17. Juni 2013 zur Festlegung steuerrechtlicher und finanzieller Bestimmungen und von Bestimmungen über die nachhaltige Entwicklung die Wortfolge « ' 0,0965 Prozent ' mit Wirkung vom 1. Januar 2013 und » für nichtig.

Erlassen in niederländischer, französischer und deutscher Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 22. Januar 2015.

Der Kanzler,

P.-Y. Dutilleux

Der Präsident,

A. Alen