Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 22 September 2016 (België). RG 116/2016

Date :
22-09-2016
Langue :
Allemand
Taille :
2 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20160922-19
Numéro de rôle :
116/2016

Résumé :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: Artikel 347-1 des Zivilgesetzbuches verstößt gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er es nicht erlaubt, dass eine minderjährige Person mit einem adoptiven Abstammungsverhältnis Gegenstand einer einfachen Adoption ist.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten E. De Groot und J. Spreutels, und den Richtern L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten E. De Groot,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfrage und Verfahren

In seinem Urteil vom 26. Februar 2015 in Sachen R.S. und M.S., dessen Ausfertigung am 5. Juni 2015 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das Gericht erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent, folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:

« Verstößt Artikel 347-1 des Zivilgesetzbuches gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er zur Folge hat, dass

- eine neue einfache Adoption völlig unmöglich ist im Falle einer volljährigen Person mit einem auf einer Volladoption beruhenden Abstammungsverhältnis, wenn der Adoptierende verstorben ist,

- während bei einer volljährigen Person mit einem ursprünglichen Abstammungsverhältnis eine einfache Adoption immer möglich ist, und zwar auch dann, wenn ihre beiden Eltern noch am Leben sind? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1. Artikel 347-1 des Zivilgesetzbuches bestimmt:

« Ein Kind, das bereits einfach oder volladoptiert worden ist, kann nochmals einfach oder volladoptiert werden, wenn alle für das Zustandekommen der erneuten Adoption erforderlichen Bedingungen erfüllt sind und wenn:

1. der frühere Adoptierende beziehungsweise die früheren Adoptierenden verstorben sind

2. oder die frühere Adoption revidiert worden ist oder die frühere einfache Adoption hinsichtlich des Adoptierenden beziehungsweise der Adoptierenden widerrufen worden ist

3. oder es aufgrund sehr schwerwiegender Gründe erforderlich ist, dass auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine erneute Adoption ausgesprochen wird ».

Diese Bestimmung ermöglicht es, dass Kinder Gegenstand einer neuen Adoption sind. Der Gesetzgeber hat sich für den Terminus « Kind » entschieden, um auf Personen zu verweisen, die jünger als achtzehn Jahre sind (Parl. Dok., Kammer, 2000-2001, DOC 50-1366/001 und DOC 50-1367/001, SS. 18 und 22).

In Artikel 343 § 1 Buchstabe c) des Zivilgesetzbuches wird das Kind übrigens generell im Bereich der Adoption als « eine Person, die jünger als achtzehn Jahre ist » definiert.

B.2. Befragt wird der Gerichtshof zur Vereinbarkeit von Artikel 347-1 des Zivilgesetzbuches mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung, insofern diese Bestimmung zur Folge habe, dass « eine neue einfache Adoption völlig unmöglich ist im Falle einer volljährigen Person mit einem auf einer Volladoption beruhenden Abstammungsverhältnis, wenn der Adoptierende verstorben ist, während bei einer volljährigen Person mit einem ursprünglichen Abstammungsverhältnis eine einfache Adoption immer möglich ist, und zwar auch dann, wenn ihre beiden Eltern noch am Leben sind ».

B.3. Nach Darlegung des Ministerrates bedürfe die Vorabentscheidungsfrage keiner Antwort, da sie auf einem falschen Ausgangspunkt beruhe. Auch volljährige Personen mit einem ursprünglichen Abstammungsverhältnis könnten nur adoptiert werden, wenn sie noch nicht adoptiert worden seien.

B.4. Die Vorabentscheidungsfrage bezieht sich auf den Behandlungsunterschied zwischen volljährigen Personen mit einem adoptiven Abstammungsverhältnis, die nicht Gegenstand einer einfachen Adoption sein können, und volljährigen Personen mit einem ursprünglichen Abstammungsverhältnis, die wohl Gegenstand einer einfachen Adoption sein können.

Die Einrede wird abgewiesen.

B.5.1. Der Ministerrat ist darüber hinaus der Auffassung, dass die in Rede stehenden Kategorien von Personen nicht vergleichbar seien, da die Adoption nach seinem Dafürhalten bezwecke, es einem Kind zu ermöglichen, in einer geborgenen familiären Erziehungssituation aufzuwachsen.

B.5.2. In beiden Fällen handelt es sich um volljährige Personen mit einem bestimmten Abstammungsverhältnis, sodass diese Kategorien sich in einer vergleichbaren Situation befinden.

Die Einrede wird abgewiesen.

B.6. Der Behandlungsunterschied zwischen den beiden in der Vorabentscheidungsfrage angeführten Kategorien von volljährigen Personen beruht auf einem objektiven Kriterium, nämlich dem Umstand, vorher adoptiert worden zu sein oder nicht.

B.7.1. In den Vorarbeiten anlässlich der Reform des Adoptionsrechtes durch das Gesetz vom 21. März 1969 « zur Abänderung von Artikel 45 des Zivilgesetzbuches und von Buch I Titel VIII und X desselben Gesetzbuches sowie zur Abänderung der am 14. Dezember 1932 koordinierten Gesetze über den Erwerb, den Verlust und die Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit » wurde angeführt, dass der Gesetzgeber, indem er es nicht gestattete, dass volljährige Personen mit einem adoptiven Abstammungsverhältnis erneut adoptiert werden können, den Zweck der Adoption verstärken wollte, nämlich « diesen Kindern ein Zuhause zu geben, und nicht, es Erwachsenen zu ermöglichen, nacheinander in verschiedene Familien einzudringen » (Parl. Dok., Senat, 1966-1967, Nr. 358, S. 70). Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber « die Möglichkeit einer Jagd auf Adoptionen und Erbschaften » vermeiden (ebenda, S. 69).

B.7.2. Die fragliche Bestimmung wurde in das Zivilgesetzbuch eingefügt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 24. April 2003 zur Reform der Adoption. Während der Vorarbeiten wurde keine Begründung erteilt für die Aufrechterhaltung der Unmöglichkeit für volljährige Personen mit einem adoptiven Abstammungsverhältnis, beim Tod des Adoptierenden erneut adoptiert zu werden (Parl. Dok., Kammer, 2000-2001, DOC 50-1366/001 und DOC 50-1367/001, SS. 22-23), wobei die Regel, wonach die Möglichkeit einer neuen Adoption für einen Volljährigen nicht besteht, mit Ausnahme der Möglichkeit der Stiefelternadoption, durch den Gesetzgeber nicht geändert wurde.

Aus den Vorarbeiten zu diesem Gesetz geht hervor, dass der Gesetzgeber sich Fragen zu der Aufrechterhaltung der Möglichkeit der einfachen Adoption von volljährigen Personen gestellt hat, dass jedoch keine Übereinstimmung erzielt wurde, um diese Möglichkeit abzuschaffen (Parl. Dok., Kammer, 2001-2002, DOC 50-1366/011, SS. 124-130).

B.8. Insofern der Gesetzgeber die Möglichkeit der einfachen Adoption von volljährigen Personen aufrechterhalten hat, ermöglichen es die in B.7.1 angeführten Gründe nicht, den Behandlungsunterschied zwischen volljährigen Personen entsprechend der Art ihrer Abstammung zu rechtfertigen. Der Umstand, dass man während der Minderjährigkeit adoptiert wurde, weist nämlich keinen relevanten Zusammenhang zu der Möglichkeit auf, Gegenstand einer einfachen Adoption zu sein, sobald das Alter der Volljährigkeit erreicht ist.

B.9. Die Vorabentscheidungsfrage ist bejahend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

Artikel 347-1 des Zivilgesetzbuches verstößt gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er es nicht erlaubt, dass eine minderjährige Person mit einem adoptiven Abstammungsverhältnis Gegenstand einer einfachen Adoption ist.

Erlassen in niederländischer und französischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 22. September 2016.

Der Kanzler,

(gez.) F. Meersschaut

Der Präsident,

(gez.) E. De Groot