Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 30 Juni 2011 (België). RG 120/2011

Date :
30-06-2011
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
7 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20110630-5
Numéro de rôle :
120/2011

Résumé :

Der Hof erkennt für Recht: Die Artikel 285 bis 289 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 in Verbindung mit Artikel 19 Buchstabe A Absatz 1 Unterabsatz 2 des Abkommens zwischen Belgien und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung der Rechts- und Amtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen verstoßen nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Vorsitzenden R. Henneuse und M. Bossuyt, und den Richtern L. Lavrysen, J.-P. Snappe, E. Derycke, J. Spreutels und T. Merckx-Van Goey, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden R. Henneuse,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

I. Gegenstand der präjudiziellen Frage und Verfahren

In seinem Urteil vom 3. November 2010 in Sachen Olivier Brants und Christel Degrie gegen den belgischen Staat, dessen Ausfertigung am 8. November 2010 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat das Gericht erster Instanz Lüttich folgende präjudizielle Frage gestellt:

« Verstossen die Artikel 285 bis 289 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 in Verbindung mit Artikel 19 Buchstabe A Absatz 1 Unterabsatz 2 des belgisch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 10. März 1964 gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, indem sie die Anwendung des Pauschalanteils ausländischer Steuer auf die (als Privatperson handelnden) belgischen Ansässigen, die gewisse Einkünfte aus beweglichen Gütern aus dem Ausland (im vorliegenden Fall Frankreich) beziehen, ausschliessen und somit dazu führen, dass der gesamte Steuerdruck auf diese Einkünfte höher liegt als wenn dieselben (als Privatperson handelnden) belgischen Ansässigen die gleichen Einkünfte aus beweglichen Gütern, jedoch belgischen Ursprungs, bezogen hätten? ».

(...)

III. In rechtlicher Beziehung

(...)

B.1.1. Aus dem Verweisungsurteil geht hervor, dass der Hof zur Vereinbarkeit der Artikel 285 bis 289 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 (nachstehend: EStGB 1992), in Verbindung mit Artikel 19 Buchstabe A Absatz 1 Unterabsatz 2 des Abkommens zwischen Belgien und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung der Rechts- und Amtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen, unterzeichnet am 10. März 1964 in Brüssel und genehmigt durch das Gesetz vom 14. April 1965 (nachstehend: Abkommen vom 10. März 1964), mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung befragt wird.

B.1.2. Die Artikel 285 bis 289 des EStGB 1992 bestimmen in der Fassung, die auf das Steuerjahr 2006, um das es sich im vorliegenden Fall handelt, anwendbar war:

« Art. 285. In Bezug auf Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern und in Bezug auf die in Artikel 90 Nr. 5 bis 7 erwähnten verschiedenen Einkünfte wird ein Pauschalanteil ausländischer Steuer auf die Steuer angerechnet, sofern diese Einkünfte im Ausland einer ähnlichen Steuer wie der Steuer der natürlichen Personen, der Gesellschaftssteuer oder der Steuer der Gebietsfremden unterlagen und sofern dieses Kapitalvermögen und diese beweglichen Güter in Belgien zur Ausübung der Berufstätigkeit genutzt werden.

In Abweichung von Absatz 1 wird in Bezug auf Dividenden ein Pauschalanteil ausländischer Steuer nur angerechnet, wenn es sich um Dividenden handelt, die von Investmentgesellschaften bewilligt oder zuerkannt werden, und in dem Masse, wie feststeht, dass diese Dividenden aus Einkünften hervorgehen, die den in Absatz 1 und in Artikel 289 festgelegten Bedingungen entsprechen.

Art. 286. Der Pauschalanteil ausländischer Steuer beträgt fünfzehn Fünfundachtzigstel des Nettoeinkommens vor Abzug des Mobiliensteuervorabzugs und gegebenenfalls der Abgabe für den Wohnsitzstaat.

Art. 287. In Bezug auf Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern, die keine Dividenden und keine Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung, Nutzung und Uberlassung von beweglichen Gütern sind, wird der Pauschalanteil ausländischer Steuer festgelegt gemäss dem Produkt:

a) des Bruchs, dessen Zähler der tatsächlich einbehaltenen ausländischen Steuer entspricht, die in einem Prozentsatz des Einkommens, auf das sie sich bezieht, ausgedrückt ist, ohne dass er 15 Prozent dieses Einkommens übersteigen darf, und dessen Nenner 100 beträgt abzüglich der Zahl des Zählers,

b) und des Bruchs, dessen Zähler der Plusdifferenz zwischen dem Gesamtbetrag des Nenners und dem Gesamtbetrag der Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern entspricht ausschliesslich der Dividenden, die die Gesellschaft während des Besteuerungszeitraums getragen hat, und dessen Nenner der Summe des Gesamtbetrags der Einkünfte aus unbeweglichen Gütern, Kapitalvermögen und beweglichen Gütern und des Gesamtbruttobetrags der Berufseinkünfte ausschliesslich der verwirklichten oder nicht verwirklichten Mehrwerte entspricht.

Zahlt der Schuldner des Einkommens die ausländische Steuer zur Entlastung des Empfängers, beträgt der in Absatz 1 Buchstabe a) erwähnte Nenner 100.

Für die Anwendung von Absatz 1 Buchstabe b) umfassen Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern ebenfalls in Artikel 21 erwähnte Einkünfte.

Art. 288. Beim Empfänger von Einkünften aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern, die keine Dividenden und keine Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung, Nutzung und Uberlassung von beweglichen Gütern sind, wird der Pauschalanteil ausländischer Steuer nur bis zu dem Teil angerechnet, der sich auf Einkünfte bezieht, die proportional zu dem Zeitraum steuerpflichtig sind, in dem der Steuerpflichtige das Volleigentum am Kapitalvermögen und an den beweglichen Gütern besass.

Art. 289. Der Pauschalanteil ausländischer Steuer wird nicht angerechnet in Bezug auf Einkünfte aus Schuldforderungen und Darlehen, die der Gläubiger in Belgien zur Ausübung der Berufstätigkeit nutzt, wenn der Gläubiger, obwohl er das Geschäft in seinem eigenen Namen getätigt hat, in Wirklichkeit für Rechnung Dritter gehandelt hat, die ihm die notwendigen Gelder zur Finanzierung des Geschäfts bereitgestellt haben und die die Risiken des Geschäfts ganz oder teilweise tragen. Für die Anwendung vorliegender Bestimmung gilt das im Ausland ansässige Unternehmen, das über eine belgische Niederlassung verfügt, die in der Eigenschaft eines Gläubigers auftritt, ebenfalls als Dritter.

Der Pauschalanteil ausländischer Steuer wird nicht aufgrund von Zinsen angerechnet, die aus Finanzinstrumenten hervorgehen, die in Belgien zur Ausübung der Berufstätigkeit des Empfängers dieser Einkünfte genutzt werden, wenn er diese Finanzinstrumente entweder als Entleiher in Ausführung eines Verleihs in Bezug auf diese Finanzinstrumente oder als Zessionar oder Pfandgläubiger in Ausführung einer Vereinbarung über die Leistung von dinglichen Sicherheiten besitzt ».

B.1.3. Die Artikel 16 Absätze 1 und 3 und 19 Buchstabe A Absatz 1 des Abkommens vom 10. März 1964 bestimmen:

« Artikel 16

1. Die Zinsen und Erträge von Schuldverschreibungen oder anderen verhandelbaren Anleihepapieren, Kassenbons, Depositendarlehen und gleich welchen anderen Forderungen sind in dem Vertragsstaat besteuerbar, in dem der Begünstigte ansässig ist.

[...]

3. Der Vertragsstaat, aus dem die Zinsen und Erträge stammen, behält das Recht, diese Zinsen und Erträge mit einer Quellensteuer zu belegen, deren Satz nicht höher als fünfzehn Prozent sein darf. In diesem Fall wird die somit erhobene Steuer unter den in Artikel 19 festgelegten Bedingungen mit derjenigen verrechnet, die in dem anderen Vertragsstaat geschuldet ist.

Die Begrenzung des Satzes der Quellensteuer auf 15 Prozent gilt nicht für den Anteil der Zinsen, der über einen angemessenen und vernünftigen Satz unter Berücksichtigung der Forderung, für die sie gezahlt werden, hinausgeht. In diesem Fall verständigen sich die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten, um den Zinsanteil festzulegen, der als normal anzusehen ist ».

« Artikel 19

Die Doppelbesteuerung wird auf folgende Weise vermieden:

A. In Bezug auf Belgien:

1. Die Einkünfte und Erträge aus beweglichem Vermögen, die der in Artikel 15 Absatz 1 festgelegten Regelung unterliegen, auf die tatsächlich in Frankreich die Quellensteuer erhoben wurde und die von in Belgien ansässigen Gesellschaften eingenommen werden, die hierfür der Gesellschaftssteuer unterliegen, sind, sofern der Mobiliensteuervorabzug zum normalen Satz auf ihren Betrag abzüglich der französischen Steuer erhoben wurde, von der Gesellschaftssteuer und von der Ausschüttungssteuer unter den in den innerstaatlichen belgischen Rechtsvorschriften vorgesehenen Bedingungen befreit.

Für Einkünfte und Erträge im Sinne des vorstehenden Absatzes, die durch andere Ansässige Belgiens eingenommen werden, sowie für Einkünfte und Erträge aus beweglichem Vermögen, die der in Artikel 16 Absatz 1 festgelegten Regelung unterliegen und auf die in Frankreich die Quellensteuer wirklich erhoben wurde, wird die in Belgien auf ihren Betrag abzüglich der französischen Einbehaltung geschuldete Steuer einerseits um den Mobiliensteuervorabzug zum normalen Satz und andererseits um den Pauschalanteil ausländischer Steuer, der unter den in den belgischen Rechtsvorschriften festgelegten Bedingungen abzugsfähig ist, herabgesetzt, ohne dass dieser Anteil weniger als 15 Prozent des besagten Nettobetrags darstellen kann ».

B.2.1. Die präjudizielle Frage bezieht sich auf den Behandlungsunterschied zwischen Steuerpflichtigen, die in privater Eigenschaft Einkünfte und Erträge aus beweglichem Vermögen beziehen, je nachdem, ob diese aus Belgien oder aus dem Ausland - im vorliegenden Fall aus Frankreich - stammen, insofern die fraglichen Bestimmungen dadurch, dass sie den Vorteil der Verrechnung des Pauschalanteils ausländischer Steuer (nachstehend: PAAS) auf die durch die Letzteren geschuldete Steuer ausschliessen würden, wenn die besagten Einkünfte nicht die Bedingungen von Artikel 285 des EStGB 1992 erfüllten, dazu führten, dass diesen Steuerpflichtigen ein höherer Steuerdruck auferlegt werde als den Ersteren.

B.2.2. Der Ministerrat führt an, die präjudizielle Frage sei eindeutig unzulässig, weil der fragliche Behandlungsunterschied sich nicht aus den Bestimmungen des EStGB 1992, sondern ausschliesslich aus dem Abkommen vom 10. März 1964 ergebe. Dieser gehöre jedoch nicht zum Zuständigkeitsbereich des Hofes, und das Gesetz vom 14. April 1965 zur Billigung dieses Abkommens sei nicht in der präjudiziellen Frage erwähnt.

Artikel 285 des EStGB 1992 ermöglicht es den klagenden Parteien vor dem vorlegenden Richter, da sie die darin vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllen, nicht, einen PAAS mit der Steuer aus ihren aus dem Ausland stammenden Einkünften zu verrechnen, was somit dazu führt, dass ihnen ein Steuerdruck auferlegt wird, der ihres Erachtens nach höher ist als derjenige, der den Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Belgien auferlegt wird. Diese Bedingungen sind im Ubrigen diejenigen, auf die in Artikel 19 Buchstabe A Absatz 1 Unterabsatz 2 des Abkommens vom 10. März 1964 verwiesen wird, das, wie der vorlegende Richter in der Begründung des Urteils zur Befassung des Hofes bemerkt, durch das Gesetz vom 14. April 1965 gebilligt wurde.

Der fragliche Behandlungsunterschied ergibt sich folglich aus Bestimmungen, zu deren Prüfung der Hof ermächtigt ist.

Die Einrede ist unbegründet.

B.2.3. Aus der Begründung der Verweisungsentscheidung geht hervor, dass die klagenden Parteien vor dem vorlegenden Richter Gegenstand einer Besteuerung (zum Satz von 15 Prozent) sowohl in Frankreich als auch in Belgien bei der Einnahme der (als Zinsen bezeichneten) Einkünfte aus beweglichem Vermögen französischer Herkunft waren anlässlich des Rückkaufs eines in Frankreichs geschlossenen Lebensversicherungsvertrags. Der Hof begrenzt seine Prüfung auf diesen Fall.

B.2.4. Der Ministerrat ist der Auffassung, dass die Kategorien von Steuerpflichtigen nicht miteinander vergleichbar seien, da der Behandlungsunterschied sich daraus ergebe, dass die Besteuerung einer dieser Kategorien durch den französischen Staat vorgenommen werde und nicht die Folge des belgischen Steuerrechts sei.

Insofern den beiden Kategorien von Steuerpflichtigen gemeinsam ist, dass sie Kapitalerträge erzielen, die Gegenstand einer Besteuerung in Belgien sind und dass sie das Kapital, mit dem diese Einkünfte erzielt werden, nicht zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit verwenden, befinden sie sich in vergleichbaren Situationen.

B.3. Der fragliche Behandlungsunterschied beruht auf der Herkunft der Einkünfte, auf die diese Steuerpflichtigen besteuert werden. Der Hof muss prüfen, ob dieses Kriterium hinsichtlich der Zielsetzung der geprüften Bestimmung relevant ist.

B.4. Im Bericht an den Senat zum Gesetzentwurf zur Billigung des Abkommens ist präzisiert, dass das Abkommen « den Erkenntnissen aus der Erfahrung und den diesbezüglich bereits zum Zeitpunkt der Verhandlungen durch den Steuerausschuss der OECD [Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung] durchgeführten Studien » bei der Ausarbeitung des Musterabkommens dieser Organisation Rechnung trägt (Parl. Dok., Kammer, 1964-1965, Nr. 970/2, S. 2).

Da die Kontrolle des Hofes die Prüfung des Inhalts der vorerwähnten Bestimmungen des Abkommens einschliesst, muss der Hof berücksichtigen, dass es sich nicht um einen einseitigen Hoheitsakt handelt, sondern um eine Vertragsnorm, mit der Belgien eine Verpflichtung des internationalen Rechts gegenüber einem anderen Staat eingegangen ist.

B.5. Ebenso wie die anderen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bezweckt das Abkommen vom 10. März 1964 in erster Linie, die internationale Doppelbesteuerung aufzuheben oder deren Auswirkungen zu mildern, was beinhaltet, dass die Vertragsstaaten ganz oder teilweise darauf verzichten, das durch ihre Gesetzgebung erteilte Recht, gewisse Einkünfte zu besteuern, auszuüben. Das Abkommen regelt also die Verteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen dem Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen und dem Staat, aus dem die Einkünfte herrühren, und schafft keine neuen steuerlichen Verpflichtungen hinsichtlich ihres jeweiligen innerstaatlichen Rechts.

B.6. Artikel 19 Buchstabe A Absatz 1 Unterabsatz 2 des Abkommens vom 10. März 1964 verweist auf die im belgischen Gesetz vorgesehenen Bedingungen und Sätze und gewährleistet dadurch eine Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, auf die die Bestimmungen bezüglich des PAAS anwendbar sind. Der Behandlungsunterschied ergibt sich aus der Verbindung dieser Bestimmung mit den « belgischen Rechtsvorschriften », auf die darin verwiesen wird.

B.7. Die Unmöglichkeit, die Steuer auf ihre ausländischen Einkünfte mit dem PAAS im Sinne von Artikel 285 des EStGB 1992 zu verrechnen, betrachten die klagenden Parteien vor dem vorlegenden Richter als den Grund für den Steuerdruck, der insgesamt höher sei als derjenige, der auf ihnen lasten würde, wenn ihre Einkünfte aus Belgien stammten. Sie führen an, der PAAS sei eingeführt worden, um ein Gleichgewicht zwischen der Steuer auf diese Einkünfte und derjenigen auf die Einkünfte ausländischen Ursprungs zu schaffen, und als die Gewährung des Vorteils des PAAS begrenzt worden sei zu dem Zeitpunkt, wo Artikel 42 des Gesetzes vom 28. Dezember 1983 dem Mobiliensteuervorabzug eine befreiende Wirkung verliehen habe, sei die bei diesem Anlass eingeführte Sonderabgabe unterschiedlich auf die beiden Arten von Einkünften festgesetzt worden, so dass das Gleichgewicht gewahrt worden sei. Es sei ihrer Auffassung nach gebrochen worden, seit Artikel 9 des Gesetzes vom 16. April 1997 diese Abgabe aufgehoben habe, die durch den Hof in seinen Urteilen Nrn. 74/95 und 131/99 als verfassungswidrig bezeichnet worden sei.

B.8.1. Es trifft zwar zu, dass die durch das Gesetz vom 28. Dezember 1983 eingeführte Sonderabgabe gemäss dem Bericht an die Kammer bezweckte, « pauschal gewisse Folgen der befreienden Wirkung des Mobiliensteuervorabzugs zu neutralisieren » oder « die übertriebenen steuerlichen Vorteile zu mässigen, die sich aus der Entglobalisierung ergeben könnten » (Parl. Dok., Kammer, 1983-1984, Nr. 758/15, SS. 49 und 51). Es trifft zwar auch zu, dass sie durch den Hof verworfen wurde, weil sie die Steuerpflichtigen auf diskriminierende Weise behandelte, je nachdem, ob sie Kapitalerträge aus Belgien oder aus dem Ausland bezogen.

B.8.2. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass infolge der Aufhebung dieser Sonderabgabe die fraglichen Bestimmungen diese Steuerpflichtigen auf diskriminierende Weise behandeln würden.

Die Anrechnung des PAAS mit den Steuern, auf die in der fraglichen Bestimmung Bezug genommen wird, wurde durch die Artikel 28 und 29 des Gesetzes vom 7. Dezember 1988 zur Reform der Einkommensteuer und Änderung der der Stempelsteuer gleichgesetzten Steuern nämlich von der Verwendung des Kapitals, das die von diesen Steuern betroffenen Einkünfte abwirft, für die Ausübung der Berufstätigkeit abhängig gemacht. Diese Artikel bestimmten:

« Art. 28. Der Nettobetrag der Einkünfte und Erträge von Kapital und beweglichen Gütern sowie der verschiedenen Einkünfte im Sinne von Artikel 67 Nrn. 4 bis 6 des Einkommensteuergesetzbuches ist zu verstehen als der Betrag, der in gleich welcher Form eingenommen oder erhalten wird vor Abzug der Einziehungs- und Aufbewahrungskosten sowie der gleichartigen Kosten oder Abgaben, zuzüglich des tatsächlichen oder fiktiven Mobiliensteuervorabzugs im Sinne der Artikel 174, 191 Nr. 3 und 193 desselben Gesetzbuches, unter Ausschluss der Steuergutschrift im Sinne von Artikel 135 § 1 Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 3 desselben Gesetzbuches und des Pauschalanteils ausländischer Steuer im Sinne der Artikel 187 desselben Gesetzbuches und 29 dieses Gesetzes, wenn die Empfänger dieser Einkünfte oder Erträge die betreffenden Effekten oder Güter nicht zur Ausübung der Berufstätigkeit verwenden.

In Abweichung von den Artikeln 186 und 187 desselben Gesetzbuches werden die Steuergutschrift und der Pauschalanteil ausländischer Steuer im Sinne von Absatz 1 nicht mit der Steuer auf Einkünfte und Erträge im Sinne des besagten Absatzes angerechnet.

Art. 29. § 1. Die Nettoeinkünfte und -erträge aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern, die zur Ausübung der Berufstätigkeit verwendet werden, umfassen den tatsächlichen oder fiktiven Mobiliensteuervorabzug, der durch die Artikel 174, 191 Nr. 3 und 193 des Einkommensteuergesetzbuches festgelegt wird, die Steuergutschrift im Sinne von Artikel 135 § 1 Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 3 desselben Gesetzbuches sowie den Pauschalanteil ausländischer Steuer im Sinne von Artikel 187 desselben Gesetzbuches, der jedoch gemäss § 3 dieses Artikels berechnet wird, unter Ausschluss der Einziehungs- und Aufbewahrungskosten und der anderen gleichartigen Kosten oder Abgaben.

§ 2. Dieser Betrag wird jedoch weder um die Steuergutschrift, noch um den in § 1 vorgesehenen Pauschalanteil ausländischer Steuer erhöht, falls es sich um Einkünfte handelt, die gemäss Artikel 111 Nrn. 1 und 2 desselben Gesetzbuches vom Gewinn abgezogen werden können.

§ 3. Der aufgrund von Artikel 187 desselben Gesetzbuches abzugsfähige Pauschalanteil ausländischer Steuer wird auf fünfzehn Fünfundachtzigstel des Betrags der eingenommenen oder erhaltenen Einkünfte, vor Abzug des Mobiliensteuervorabzugs, festgesetzt ».

Artikel 187 des EStGB, auf den in diesen Bestimmungen verwiesen wird, bestimmte:

« In Bezug auf Einkünfte und Erträge aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern und in Bezug auf die in Artikel 67 Nrn. 4 bis 6 erwähnten verschiedenen Einkünfte, die im Ausland einer ähnlichen Steuer wie der Steuer der natürlichen Personen, der Gesellschaftssteuer oder der Steuer der Gebietsfremden unterlagen, wird von der Steuer vorher ein Pauschalanteil dieser ausländischen Steuer abgezogen, ausser im Falle der Anwendung von Artikel 93 § 1 Nr. 1bis Buchstaben d) bis g).

Auf die Einkünfte aus Schuldforderungen oder Darlehen, die der Gläubiger in Belgien zur Ausübung der Berufstätigkeit nutzt, ist der Abzug nicht anwendbar, wenn der Gläubiger, obwohl er das Geschäft in seinem eigenen Namen getätigt hat, in Wirklichkeit für Rechnung Dritter gehandelt hat, die ihm die notwendigen Gelder zur Finanzierung des Geschäfts bereitgestellt haben und die die Risiken des Geschäfts ganz oder teilweise tragen. Für die Anwendung vorliegender Bestimmung gilt das im Ausland ansässige Unternehmen, das über eine belgische Niederlassung im Sinne von Artikel 140 § 3 verfügt, die in der Eigenschaft eines Gläubigers auftritt, ebenfalls als Dritter ».

Der fragliche Artikel 285 des EStGB 1992 ist aus dem besagten Artikel 187 entstanden infolge der Koordinierung der Gesetzesbestimmungen über die Einkommensteuern (königlicher Erlass vom 10. April 1992, bestätigt durch das Gesetz vom 12. Juni 1992).

Bei ihrer Annahme wurden die vorerwähnten Artikel 28 und 29 wie folgt kommentiert:

« Artikel 28

Einkünfte aus beweglichem Privatvermögen

Artikel 28 des Entwurfs bezweckt, für die betreffenden Einkünfte die derzeit vorgesehene Anrechnung der Steuergutschrift und des PAAS aufzuheben. Mit der Steuer auf diese Einkünfte ist fortan also nur der an der Quelle erhobene Mobiliensteuervorabzug anrechenbar.

Hiermit wird bezweckt, wie in den Erörterungen von Artikel 26 präzisiert wurde, so wie jetzt zu vermeiden, dass Einkünfte aus beweglichen Gütern nur angegeben werden, um eine Erstattung des einbehaltenen Mobiliensteuervorabzugs zu erzielen.

Da gemäss den seit Einführung des befreienden Mobiliensteuervorabzugs geltenden Regeln die Erklärung der Einkünfte aus beweglichen Gütern nie zu einer höheren Besteuerung als die an der Quelle erhobene Einbehaltung führen kann (oder 25 Prozent, falls kein Vorabzug einbehalten wurde), ist die Haushaltsauswirkung der Massnahme auf die Nichterstattung des einbehaltenen Mobiliensteuervorabzugs begrenzt.

Die Massnahme entspricht einer weiteren Entglobalisierung der Einkünfte aus beweglichen Gütern und somit einer Aufwertung des befreienden Mobiliensteuervorabzugs.

[...]

Artikel 29

Einkünfte aus beruflichem beweglichem Vermögen

[...]

Für die betreffenden Einkünfte kann kein befreiender Mobiliensteuervorabzug gewährt werden; sie werden im Ubrigen nicht als solche angegeben, sondern in die besteuerbaren Berufseinkünfte aufgenommen.

Folglich geben sie, da sie dem progressiven Satz der Steuer der natürlichen Personen oder aber der Gesellschaftssteuer unterworfen werden, Anrecht auf die Anrechnung des Mobiliensteuervorabzugs sowie der etwaigen Steuergutschrift und des etwaigen PAAS.

Derzeit wird sowohl der Mobiliensteuervorabzug als auch die Steuergutschrift in die Besteuerungsgrundlage aufgenommen aufgrund des Prinzips, dass das zu versteuernde Einkommen das Bruttoeinkommen vor der Erhebung des an der Quelle anrechenbaren Vorabzugs ist, wobei die Steuern keine abzugsfähigen Aufwendungen sind.

Der PAAS ist eine Ausnahme zu dieser Regel, da er angerechnet wird, ohne in das besteuerbare Einkommen aufgenommen zu werden, wobei die ausländischen Steuern abzugsfähige Aufwendungen sind.

Es handelt sich hierbei um eine Anomalie, die durch Artikel 29 des Entwurfs korrigiert werden soll, in dem vorgesehen wird, dass die besteuerbaren Nettoeinkünfte aus beweglichen Gütern den PAAS umfassen.

Selbstverständlich müssen für Einkünfte, die weder zur Anrechnung der Steuergutschrift noch des PAAS führen, diese Elemente nicht in die Besteuerungsgrundlage aufgenommen werden; dies ist der Fall für die Einkünfte aus beweglichen Gütern, die zu den endgültig besteuerten Einkünften zu rechnen sind (Artikel 29 § 2).

Paragraph 3 von Artikel 29 bestimmt, dass der aufzunehmende und anzurechnende PAAS auf 15/85 des Einkommens vor Abzug des Mobiliensteuervorabzugs festzusetzen ist, was 15 Prozent des besteuerbaren Einkommens nach Aufnahme des besagten PAAS darstellt » (Parl. Dok., Senat, Sondersitzungsperiode 1988, Nr. 440/2, SS. 123 bis 125).

B.9. Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass der Gesetzgeber der Auffassung war, die Anrechnung des PAAS sei nicht gerechtfertigt, wenn für die betreffenden Einkünfte der befreiende Mobiliensteuervorabzug gelte, was der Fall sei bei den von den Klägern vor dem vorlegenden Richter bezogenen Einkünften aus Kapitalvermögen, das nicht zur Ausübung der Berufstätigkeit verwendet werde, dass diese Anrechnung im gegenteiligen Fall jedoch gerechtfertigt sei. Es handelt sich um eine sachdienliche Massnahme angesichts des Ziels, den befreienden Mobiliensteuervorabzug in Wert zu setzen, was in den Vorarbeiten zum besagten Gesetz vom 7. Dezember 1988 erwähnt wurde. Sie entspricht im Ubrigen der Unterscheidung im EStGB 1992 zur Festlegung der Regelung, die auf Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern und auf Berufseinkünfte anwendbar ist.

B.10. Es stimmt, dass die fraglichen Bestimmungen dazu führen können, dass ein in Belgier ansässiger Steuerpflichtiger, der Kapitalerträge aus Frankreich bezieht und in Frankreich sowie anschliessend in Belgien besteuert wird, einen höheren Steuerdruck erleidet als wenn er Einnahmen aus Belgien beziehen würde. Diese Situation ergibt sich daraus, dass in dem Abkommen die Möglichkeit einer Quellensteuer für Dividenden (Artikel 15) und Zinsen (Artikel 16) vorgesehen ist, sodass sie von der herkömmlichen Methode in Belgien und in den meisten europäischen Ländern abweicht, durch die einem der beiden Staaten das ausschliessliche Recht zur Besteuerung bestimmter Einnahmen erteilt wird (Parl. Dok., Kammer, 1964-1965, Nr. 970/1, S. 3; Senat, 1964-1965, Nr. 267, S. 2). Diese Situation verletzt jedoch nicht auf unverhältnismässige Weise die Rechte des Steuerpflichtigen, da dieser in den Genuss des Vorteils der befreienden Beschaffenheit des Vorabzugs und der Versicherung gelangt, dass selbst dann, wenn der Herkunftsstaat ebenfalls eine Steuer auf die Zinsen erhebt, wie Artikel 16 Absatz 3 des Abkommens es ihm erlaubt, er dies nur bis zu 15 Prozent des Betrags der besteuerten Zinsen tun kann.

B.11. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Hof

erkennt für Recht:

Die Artikel 285 bis 289 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 in Verbindung mit Artikel 19 Buchstabe A Absatz 1 Unterabsatz 2 des Abkommens zwischen Belgien und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung der Rechts- und Amtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen verstossen nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Verkündet in französischer und niederländischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 30. Juni 2011, durch den Richter J.-P. Snappe, in Vertretung des Vorsitzenden R. Henneuse, der gesetzmässig verhindert ist, der Verkündung des vorliegenden Urteils beizuwohnen.

Der Kanzler,

P.-Y. Dutilleux.

Der stellv. Vorsitzende,

J.-P. Snappe.