Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 4 Februar 2010 (België). RG 5/2010

Date :
04-02-2010
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
6 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20100204-1
Numéro de rôle :
5/2010

Résumé :

Der Hof erkennt für Recht: - Artikel 24bis des Konkursgesetzes vom 8. August 1997 verstösst gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er nicht die Aussetzung der Vollstreckungsverfahren zu Lasten des Ehepartners des Konkursschuldners vorsieht. - Artikel 24bis des Konkursgesetzes vom 8. August 1997 verstösst gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er nicht auf die Durchführung einer Vereinbarung in Bezug auf Lohnabtretung, in die der Ehepartner des Konkursschuldners eingewilligt hat, anwendbar ist.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Vorsitzenden P. Martens und M. Bossuyt, und den Richtern M. Melchior, R. Henneuse, E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels und T. Merckx-Van Goey, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden P. Martens,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

I. Gegenstand der präjudiziellen Fragen und Verfahren

In seinem Urteil vom 29. Januar 2009 in Sachen N.T. gegen die « ING Belgien » AG, dessen Ausfertigung am 4. Februar 2009 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat der Appellationshof Lüttich folgende präjudizielle Fragen gestellt:

« 1. Steht Artikel 24bis des Gesetzes vom 8. August 1997, eingefügt durch das Gesetz vom 20. Juli 2005 und anschliessend abgeändert durch das Gesetz vom 20. Juli 2006, im Widerspruch zu den Artikeln 10 und 11 der Verfassung, indem er sich nur auf die natürlichen Personen, die für den Konkursschuldner unentgeltlich eine persönliche Sicherheit geleistet haben, und nicht auf den Ehepartner oder den ehemaligen Ehepartner des Konkursschuldners bezieht, während diese unentgeltliche Sicherheit ab dem Konkurseröffnungsurteil die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens geniesst, während der Ehepartner (oder der ehemalige Ehepartner) des Konkursschuldners, der sich persönlich zur Schuld seines Ehepartners verpflichtet hat und davon befreit werden könnte durch die Wirkung der Entschuldbarkeit, die seinem Ehepartner zuerkannt werden würde, nicht vor allen Vollstreckungsverfahren geschützt ist bis zum Tag, an dem über die Entschuldbarkeit seines Ehepartners entschieden wird?

2. Steht Artikel 24bis des Gesetzes vom 8. August 1997, eingefügt durch das Gesetz vom 20. Juli 2005 und anschliessend abgeändert durch das Gesetz vom 20. Juli 2006, im Widerspruch zu den Artikeln 10 und 11 der Verfassung, indem er sich nur auf die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens bezieht, das heisst der Zwangsvollstreckungsmassnahmen, nicht aber der vertraglichen Mechanismen, wie der Lohnabtretung, die es dem Gläubiger dennoch ermöglichen, zum Vermögen der Person, die sich zur Schuld des Konkursschuldners verpflichtet hat, zu gelangen, so dass, während der für entschuldbar erklärte Konkursschuldner die Folgen der Entschuldbarkeit voll ausnutzen kann für die Passiva, die bei der Aufhebung des Konkursverfahrens unbezahlt bleiben, dem Bürgen, dem Ehepartner oder dem ehemaligen Ehepartner dieser Vorteil de facto versagt werden kann durch die Durchführung dieser Massnahmen, die kein Vollstreckungsverfahren darstellen? ».

(...)

III. In rechtlicher Beziehung

(...)

B.1.1. Eingefügt durch das Gesetz vom 20. Juli 2005 und abgeändert durch das Gesetz vom 20. Juli 2006 bestimmt Artikel 24bis des Konkursgesetzes vom 8. August 1997:

« Ab [dem Konkurseröffnungsurteil] werden Vollstreckungsverfahren zu Lasten natürlicher Personen, die für den Konkursschuldner unentgeltlich eine persönliche Sicherheit geleistet haben, ausgesetzt.

Werden Personen, die eine persönliche Sicherheit geleistet haben, vom Gericht nicht vollständig von ihrer Verpflichtung befreit, sind die Gläubiger erneut berechtigt, persönlich einen Anspruch auf ihre Güter zu erheben ».

Dies ist die fragliche Bestimmung.

B.1.2. Artikel 25 desselben Gesetzes bestimmt:

« Mit dem Konkurseröffnungsurteil hören alle Pfändungen auf, die auf Antrag der nicht bevorrechtigten Gläubiger und der allgemein bevorrechtigten Gläubiger vorgenommen worden sind.

Ist der Tag der Zwangsversteigerung gepfändeter beweglicher oder unbeweglicher Güter bereits vor diesem Urteil festgelegt und durch Anschlag veröffentlicht worden, erfolgt dieser Verkauf für Rechnung der Masse.

Der Konkursrichter kann auf Antrag der Konkursverwalter jedoch erlauben, dass der Verkauf vertagt oder abgesetzt wird, wenn es im Interesse der Masse erforderlich ist ».

B.1.3. Artikel 26 desselben Gesetzes bestimmt:

« Vollstreckungsverfahren zum Zweck der Zahlung bevorrechtigter Schuldforderungen auf bewegliche Güter, die zur Konkursmasse gehören, werden bis zur Hinterlegung des ersten Protokolls über die Prüfung der Schuldforderungen ausgesetzt, unbeschadet jeglicher Sicherungsmassnahmen und eines vom Eigentümer erworbenen Rechts, vermietete Güter wieder in Besitz zu nehmen.

In letzterem Fall hört die im vorliegenden Artikel bestimmte Aussetzung der Vollstreckungsverfahren von Rechts wegen zugunsten des Eigentümers auf.

Das Gericht kann jedoch auf Antrag der Konkursverwalter, nachdem es den betroffenen besonders bevorrechtigten Gläubiger per Gerichtsschreiben geladen hat, die Aussetzung der Vollstreckung für eine Höchstdauer von einem Jahr ab Eröffnung des Konkursverfahrens anordnen, wenn es im Interesse der Masse erforderlich ist und sofern eine Realisierung der beweglichen Güter erwartet werden kann, die die bevorrechtigten Gläubiger nicht benachteiligt ».

B.1.4. Seit seiner Abänderung durch Artikel 7 des Gesetzes vom 20. Juli 2005 bestimmt Artikel 80 Absatz 3 desselben Gesetzes:

« Der Konkursschuldner, die Personen, die die in Artikel 72ter erwähnte Erklärung abgegeben haben, und die in Artikel 63 Absatz 2 erwähnten Gläubiger werden in der Ratskammer über die Entlastung angehört. Stellt das Gericht fest, dass die Verpflichtung der natürlichen Personen, die für den Konkursschuldner unentgeltlich eine persönliche Sicherheit geleistet haben, in keinem Verhältnis zu ihren Einkünften und ihrem Vermögen steht, werden diese Personen ganz oder teilweise entlastet, sofern sie ihre Zahlungsunfähigkeit nicht in betrügerischer Absicht bewirkt haben ».

B.1.5. Teilweise ersetzt durch das Gesetz vom 20. Juli 2005 und abgeändert durch das Gesetz vom 18. Juli 2008 bestimmt Artikel 82 desselben Gesetzes:

« Wenn der Konkursschuldner für entschuldbar erklärt worden ist, kann er nicht mehr von seinen Gläubigern verfolgt werden.

Der Ehepartner des Konkursschuldners, der persönlich für die Schulden des Letzteren haftbar ist, oder der Ex-Ehepartner, der persönlich für die während der Zeit der Ehe entstandenen Schulden seines früheren Ehepartners haftbar ist, wird infolge der Entschuldbarkeit von dieser Verpflichtung befreit.

Die Entschuldbarkeit bleibt ohne Folgen auf Unterhaltsschulden des Konkursschuldners und auf Schulden, die aus der Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz bei Tod oder Anschlag auf die körperliche Unversehrtheit einer Person, an dem der Konkursschuldner schuld ist, hervorgehen ».

B.2. Aus den Elementen der Rechtssache geht hervor, dass sich der vor dem vorlegenden Rechtsprechungsorgan anhängige Streitfall auf die Situation der Ehefrau eines Konkursschuldners bezieht, die sich persönlich für die Schulden ihres Ehepartners haftbar gemacht und sich dem Gläubiger gegenüber dazu verpflichtet hat, als Sicherheit für diese Verbindlichkeit ihren Lohn abzutreten. Der Hof beschränkt seine Prüfung auf diesen Fall.

In Bezug auf die erste präjudizielle Frage

B.3. In der ersten präjudiziellen Frage wird der Hof gefragt, ob Artikel 24bis des Konkursgesetzes mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung vereinbar sei, insofern nur eine natürliche Person, die unentgeltlich eine persönliche Sicherheit geleistet habe, in den Genuss dieser Bestimmung gelangen könne, nicht aber der Ehepartner, der persönlich für die Schulden seines in Konkurs geratenen Ehepartners hafte.

B.4. In seinem Urteil Nr. 69/2002 vom 28. März 2002 hat der Hof erkannt, dass Artikel 82 des Konkursgesetzes in der vor seiner Ersetzung durch Artikel 29 des Gesetzes vom 4. September 2002 « zur Abänderung des Konkursgesetzes vom 8. August 1997, des Gerichtsgesetzbuches und des Gesellschaftsgesetzbuches » geltenden Fassung nicht mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung vereinbar war, insofern er den Richter in keiner Weise ermächtigte, den Ehepartner des für entschuldbar erklärten Konkursschuldners von seiner Verbindlichkeit zu befreien.

B.5.1. Infolge dieses Urteils hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 4. September 2002 in Artikel 82 des Konkursgesetzes einen Absatz 2 eingefügt, dem zufolge der Ehepartner des Konkursschuldners, « der sich persönlich » für die Schulden des Konkursschuldners « haftbar gemacht hat », infolge der Entschuldbarkeit von dieser Verpflichtung befreit wird.

B.5.2. Der Hof hat erkannt, dass diese Bestimmung mit dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung unvereinbar war, insofern der Ehepartner, der kraft einer steuerrechtlichen Bestimmung mit dem Konkursschuldner zu einer Steuerschuld gehalten ist, durch die Entschuldbarkeitserklärung nicht von der Verpflichtung zur Zahlung dieser Schuld befreit werden konnte (Urteil Nr. 78/2004 vom 12. Mai 2004 und Urteil Nr. 6/2005 vom 12. Januar 2005). Um dem entgegenzukommen, bestimmte Artikel 82 Absatz 2 des Konkursgesetzes, ersetzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 2. Februar 2005 zur Abänderung von Artikel 82 Absatz 2 des Konkursgesetzes vom 8. August 1997, dass der Ehepartner des Konkursschuldners, der persönlich für die Schulden des Letzteren haftbar ist, infolge der Entschuldbarkeit von dieser Verpflichtung befreit wird.

B.6. In seinem Urteil Nr. 179/2006 vom 29. November 2006 hat der Hof Folgendes erkannt:

« B.5.5. [...]

Indem der Gesetzgeber die automatische Entlastung der unentgeltlich handelnden Bürgen zu Gunsten einer Entlastung aufgegeben hat, die durch den Richter beschlossen wird, wollte er möglichst die Interessen der Gläubiger des Konkursschuldners wahren und gleichzeitig sein soziales Ziel weiter verfolgen, nämlich ermöglichen, dass ' die schwerwiegenden menschlichen Folgen, die sich aus einer strikten Ausführung der vertraglichen Verpflichtungen der betroffenen Person ergeben könnten ' vermieden werden (Parl. Dok., Kammer, 2004-2005, DOC 51-1811/001, S. 7).

B.5.6. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber auf diese Weise eine unvernünftige Entscheidung getroffen oder auf übermässige Weise die Rechte der Gläubiger auf Begleichung ihrer Forderung beeinträchtigt hätte. Im Lichte von Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention hat er somit ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen der Bürgen und denjenigen der Gläubiger geschaffen ».

B.7. Während der Vorarbeiten zum Gesetz vom 4. September 2002 wurde ausserdem vorgeschlagen, « dass die Aussetzung der Verfolgung, die sich aus dem Konkurseröffnungsurteil ergibt, auf den Ehegatten des Konkursschuldners ausgedehnt wird » (Parl. Dok., Senat, 2001-2002, Nr. 2-877/8, S. 86). Diese Sorge wurde nicht in den Gesetzestext umgesetzt. Im Laufe der Vorarbeiten zum Gesetz vom 2. Februar 2005 zur Abänderung von Artikel 82 Absatz 2 des Konkursgesetzes vom 8. August 1997 bemerkte die Ministerin der Justiz ebenfalls, dass « während des Verfahrens zwischen den Gläubigern ein echter Wettlauf auf die Bürgen entstehen kann, was der Zielsetzung des Vorschlags jeden Sinn entziehen würde » und dass « somit eine solche Möglichkeit der Aussetzung zugunsten des Bürgen vorzusehen » sei. Sie schlug daher vor, diese Frage erneut zu erörtern « anlässlich der Prüfung des Gesetzentwurfs, den die Regierung später einreichen wird » (Parl. Dok., Kammer, 2003-2004, DOC 51-1320/002, S. 9).

B.8. In seinem Urteil Nr. 77/2005 vom 27. April 2005 erkannte der Hof:

« B.7. Indem der Gesetzgeber nicht die Möglichkeit vorgesehen hat, dass der Richter - während die obengenannten Artikel 25 und 26 die Verfolgung gegen den Konkursschuldner aussetzen - beurteilen kann, ob und unter welchen Bedingungen die Verfolgung des unentgeltlich auftretenden Bürgen und des Ehegatten des Konkursschuldners in Erwartung der Aufhebung des Konkursverfahrens und gegebenenfalls der Entscheidung über die Entschuldbarkeit des Konkursschuldners ausgesetzt wird, hat er die Wirkung der Bestimmungen von Artikel 82 zum grossen Teil zunichte gemacht.

Aufgrund von Artikel 22 des Gesetzes werden die nicht fälligen Verbindlichkeiten des Konkursschuldners einforderbar, und - da bei letzterem Zahlungseinstellung vorliegt - kann der Gläubiger sich unmittelbar an die Mithaftenden wenden, die innerhalb der Grenzen ihrer Verpflichtung die Verbindlichkeiten einlösen müssen. Die dem Konkursschuldner später gewährte Entschuldbarkeit kann nicht zur Folge haben, dass die Mithaftenden von ihren Verpflichtungen entbunden werden, wenn der Gläubiger inzwischen eine rechtskräftige Entscheidung gegen sie erhalten hat, so dass die Mithaftenden Opfer der vom Hof in den Urteilen Nrn. 69/2002 und 78/2004 festgestellten Diskriminierungen würden ».

Der Hof hat diese Rechtsprechung in seinem Urteil Nr. 172/2005 vom 23. November 2005 bestätigt.

B.9.1. Aus den Vorarbeiten in Bezug auf Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Juli 2005, durch den die fragliche Bestimmung in das Konkursgesetz vom 8. August 1997 eingefügt wurde, ergibt sich, dass der Gesetzgeber bemüht war, « ein ' Wettrennen um Bürgen ' zu vermeiden, das mit dem Eintreten des Konkurses eröffnet werden könnte », da « die Entscheidung bezüglich einer etwaigen Entlastung desjenigen, der eine persönliche Sicherheit für den Konkursschuldner geleistet hat, erst bei Abschluss des Verfahrens verkündet wird » (Parl. Dok., Kammer, 2004-2005, DOC 51-1811/001, S. 8).

B.9.2. In seinem Urteil Nr. 179/2006 vom 29. November 2006 erkannte der Hof in Bezug auf die fragliche Bestimmung Folgendes:

« B.8.3. Da der Gesetzgeber ein Verfahren vorsieht, das die Entlastung des unentgeltlich handelnden Bürgen unter gewissen Bedingungen ermöglicht, obliegt es ihm, die geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass individuelle Verfahren der von ihm angestrebten Politik zum Schutz der Bürgen zuwiderlaufen könnten.

B.8.4. Im Ubrigen hat der Gesetzgeber darauf geachtet, möglichst die Nachteile des Verfahrens für die Gläubiger zu begrenzen, da er in Artikel 80 Absatz 6 des Gesetzes vom 8. August 1997, abgeändert durch Artikel 7 Nr. 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2005, vorgesehen hat, dass die Gläubiger, für die eine persönliche Sicherheit geleistet wurde und die die in Artikel 63 des Gesetzes vom 8. August 1997 vorgesehenen Erklärungen abgegeben haben, sechs Monate nach dem Konkurseröffnungsurteil beim Gericht beantragen können, dass über die Entlastung des unentgeltlich handelnden persönlichen Bürgen entschieden wird ».

B.9.3. Ausserdem wird seit der Abänderung dieser Bestimmung durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Juli 2008 zur Abänderung des Artikels 82 Absatz 2 des Konkursgesetzes vom 8. August 1997 derjenige, der der persönlich für die während der Zeit der Ehe entstandenen Schulden seines früheren Ehepartners haftbar ist, ebenfalls infolge der Entschuldbarkeit von dieser Verpflichtung befreit.

In den Vorarbeiten zu dieser Bestimmung wurde diesbezüglich darauf hingewiesen, dass

« [...] im Sinne einer sozialen Betrachtungsweise eine Gesetzesänderung notwendig ist, und zwar in Anbetracht des Behandlungsunterschieds zwischen einerseits dem Ehepartner des Konkursschuldners, der für die Schulden haftbar ist, und andererseits dem ehemaligen Ehepartner, der sich während der Ehe für die Schulden haftbar gemacht hat und der durch die Zerrüttung der Ehe nicht mehr automatisch in den Genuss der Folgen der eventuellen Entschuldbarkeit gelangt, während der Betroffene darüber hinaus in den meisten Fällen, sobald der Konkurs eingetreten ist oder bevorsteht, nicht mehr in der Lage ist, bei seinem Ehepartner überhaupt noch etwas zu erwirken.

Dies hat also zur Folge, dass dem für entschuldbar erklärten und geschiedenen Konkursschuldner ein Neubeginn ermöglicht wird und dass vielleicht, obwohl die Finanzlage seines ehemaligen Ehepartners stabil war, dieser in Schwierigkeiten geraten kann und sich mit Gläubigern auseinandersetzen muss, sobald sich Ereignisse zugetragen haben, auf die er möglicherweise keinen Einfluss mehr nehmen konnte » (Parl. Dok., Kammer, 2007-2008, DOC 50-1032/001, SS. 5-6).

B.10. In Anbetracht des Vorstehenden hat der Gesetzgeber jedoch einen Behandlungsunterschied fortbestehen lassen wollen, der mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung unvereinbar ist, insofern er nicht vorgesehen hat, dass die Vollstreckungsverfahren zu Lasten des Ehepartners des Konkursschuldners ausgesetzt werden, bis vorkommendenfalls die Entscheidung über die Entschuldbarkeit des Konkursschuldners getroffen wird.

B.11. Die erste präjudizielle Frage ist bejahend zu beantworten.

In Bezug auf die zweite präjudizielle Frage

B.12. In der zweiten präjudiziellen Frage wird der Hof zur Vereinbarkeit von Artikel 24bis des Konkursgesetzes mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung befragt, insofern laut dieser Bestimmung nur die Vollstreckungsverfahren ausgesetzt würden, nicht aber die Durchführung einer Vereinbarung, mit der sich der Ehepartner des Konkursschuldners, der nicht unentgeltlich eine Sicherheit geleistet habe, sich dazu verpflichtet habe, zur Sicherung einer Schuld seines Ehepartners seinen Lohn abzutreten.

B.13. Indem der Gesetzgeber beschlossen hat, gewisse Mithaftende des Konkursschuldners in den Genuss der Folgen der ihm gewährten Entschuldbarkeit gelangen zu lassen, weicht er vom bürgerlichen Vermögensrecht ab, dem zufolge « alle gesetzlich eingegangenen Vereinbarungen [..] für diejenigen, die sie eingegangen sind, gesetzlich bindend [sind] » (Artikel 1134 Absatz 1 des Zivilgesetzbuches) und « jeder, der persönlich verpflichtet ist, [...] gehalten [ist], seine Verpflichtungen mit all seinen gegenwärtigen und zukünftigen, beweglichen und unbeweglichen Gütern zu erfüllen » (Artikel 7 des Hypothekengesetzes vom 16. Dezember 1851).

B.14. Solche Abweichungen von den Regeln des bürgerlichen Rechts sind nur insofern gerechtfertigt, als sie es ermöglichen zu verhindern, dass gewisse Mithaftende des Konkursschuldners auf diskriminierende Weise behandelt werden, aber sie gehen nicht so weit, dass sie es rechtfertigen würden, dass alle Personen, die sich für die Schulden des für entschuldbar erklärten Konkursschuldners haftbar gemacht haben, befreit werden, oder dass sie einen allgemeinen Zahlungsaufschub in Erwartung der Aufhebung des Konkursverfahrens erfordern würden. Der Hof hat in seinem Urteil Nr. 50/2006 vom 29. März 2006 somit erkannt, dass der Gesetzgeber nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstossen hat, insofern die Artikel 24bis und 82 des Konkursgesetzes nicht auf natürliche Personen anwendbar sind, die unentgeltlich zur Sicherheit in eine Hypothek auf eine Immobilie eingewilligt haben.

B.15. Aus der Antwort auf die erste präjudizielle Frage ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die Aussetzung der Vollstreckungsverfahren zugunsten des unentgeltlich Bürgenden zur Vermeidung eines Verstosses gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung auch für die Verpflichtung des Ehepartners zu gelten hat.

B.16.1. Wenngleich die Lohnabtretung kein Vollstreckungsverfahren im technischen Sinne des Wortes darstellt, kann ihre Durchführung - genauso wie eine Lohnpfändung und innerhalb derselben Grenzen wie bei einer Lohnpfändung gemäss Artikel 1409 des Gerichtsgesetzbuches - zur Bezahlung eines Betrags durch den Ehepartner führen, der aufgrund von Artikel 82 Absatz 2 des Konkursgesetzes infolge der Entschuldbarkeit, die der Konkursschuldner anschliessend geniessen würde, befreit werden könnte.

B.16.2. Wie vom vorlegenden Richter jedoch hervorgehoben wird, hat der Ehepartner des Konkursschuldners jedoch keinerlei Möglichkeit, die Entscheidung über die Entschuldbarkeit zu beschleunigen, und zwar im Gegensatz zu den eine persönliche Sicherheit Leistenden im Sinne von Artikel 72bis des fraglichen Gesetzes. Artikel 80 Absätze 5 und 6 des fraglichen Gesetzes erlaubt es nämlich nur dem Konkursschuldner, den Gläubigern und den eine persönliche Sicherheit Leistenden, sechs Monate nach dem Datum des Konkurseröffnungsurteils das Gericht um Entlastung des Mithaftenden zu ersuchen.

B.16.3. Aus den gleichen Gründen wie denjenigen, die der Hof in seinem in B.9.2 zitierten Urteil Nr. 179/2006 vom 29. November 2006 angeführt hat, kann die Entschuldbarkeit, die dem Konkursschuldner gegebenenfalls nachträglich gewährt wird, nicht zur Folge haben, dass der Ehepartner von seinen Verpflichtungen befreit wird, wenn mittlerweile eine rechtskräftig gewordene Entscheidung die Lohnabtretung bestätigt hat.

B.17. Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass es nicht vernünftig gerechtfertigt ist, die Anwendung des fraglichen Artikels 24bis nicht in dem Fall zu erlauben, wo der Ehepartner nicht unentgeltlich eine Sicherheit im Sinne der Artikel 72bis und 80 des Konkursgesetzes geleistet hat und in eine Lohnabtretung eingewilligt hat.

B.18. Die zweite präjudizielle Frage ist bejahend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Hof

erkennt für Recht:

- Artikel 24bis des Konkursgesetzes vom 8. August 1997 verstösst gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er nicht die Aussetzung der Vollstreckungsverfahren zu Lasten des Ehepartners des Konkursschuldners vorsieht.

- Artikel 24bis des Konkursgesetzes vom 8. August 1997 verstösst gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern er nicht auf die Durchführung einer Vereinbarung in Bezug auf Lohnabtretung, in die der Ehepartner des Konkursschuldners eingewilligt hat, anwendbar ist.

Verkündet in französischer und niederländischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989, in der öffentlichen Sitzung vom 4. Februar 2010.

Der Kanzler,

P.-Y. Dutilleux.

Der Vorsitzende,

P. Martens.