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Date :
13-02-2006
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
7 pages
Section :
Législation
Source :
Numac 2006200423
Auteur :
Schiedshof

Texte original :

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Auszug aus dem Urteil Nr. 199/2005 vom 21. Dezember 2005
Geschäftsverzeichnisnummer 3708
In Sachen : Präjudizielle Fragen in Bezug auf die Artikel 65, 193, 196 und 197 des Strafgesetzbuches und die Artikel 21, 22, 23 und 24 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches, gestellt vom Korrektionalgericht Veurne.
Der Schiedshof,
zusammengesetzt aus den Vorsitzenden A. Arts und M. Melchior, und den Richtern L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Moerman, E. Derycke und J. Spreutels, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden A. Arts,
verkündet nach Beratung folgendes Urteil:
I. Gegenstand der präjudiziellen Fragen und Verfahren
In seinem Urteil vom 19. April 2005 in Sachen der Staatsanwaltschaft gegen E. Beernaert und andere, dessen Ausfertigung am 20. Mai 2005 in der Kanzlei des Schiedshofes eingegangen ist, hat das Korrektionalgericht Veurne folgende präjudizielle Fragen gestellt:
1. « Verstossen Artikel 65 des Strafgesetzbuches und Artikel 21 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie gegen das Legalitätsprinzip, und somit gegen die Artikel 12 Absatz 2 und 14 der Verfassung, in Verbindung mit Artikel 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte [zu lesen ist: Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention] und den Artikeln 33, 108 und 159 der Verfassung, dahingehend ausgelegt, dass, falls der Richter urteilt, dass verschiedene Straftaten als eine kollektive Straftat zu betrachten sind, die Verjährungsfrist erst zum Zeitpunkt der letzten Straftat anfängt, die dem Tatrichter zufolge mit derselben Absicht begangen wurde, und wenn zwischen den Straftaten keine volle Verjährungsfrist abgelaufen ist? »;
2. « Verstossen die Artikel 193, 196 und 197 des Strafgesetzbuches und die Artikel 21, 22 und 23 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches gegen das verfassungsmässige Legalitätsprinzip, das in den Artikeln 12 und 14 der Verfassung verankert ist, insofern sie dahingehend ausgelegt werden, dass die Straftaten der Urkundenfälschung und der Verwendung falscher Urkunden als eine einzige Straftat betrachtet werden, die fortdauert, solange das durch die anfängliche Handlung bezweckte und verwirklichte Ziel fortbesteht, wenngleich keine neuen positiven Handlungen durch irgendjemand getätigt werden, wobei die Verjährungsfrist der Strafverfolgung für beide Straftaten erst anfängt, sobald dieses Ziel nicht mehr besteht? »;
3. « Verstossen die Artikel 21, 22, 23 und 24 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches (alt) gegen das verfassungsmässige Legalitätsprinzip, das in den Artikeln 12 Absatz 2 und 14 der Verfassung verankert ist, insofern sie die Verjährung regeln und insofern die Verjährungsregelung für Straftaten voraussetzt, dass die Verjährung während des Kassationsverfahrens ausgesetzt wird vom Tag der angefochtenen Entscheidung bis zum Tag des Urteils des Kassationshofes, in dem die Kassationsbeschwerde für zulässig erklärt wird, und soweit die Kassationsbeschwerde nicht offensichtlich unzulässig wäre? ».
(...)
III. In rechtlicher Beziehung
(...)
In Bezug auf die erste präjudizielle Frage
B.1.1. Artikel 65 des Strafgesetzbuches bestimmt:
« Wenn ein und dieselbe Tat aus verschiedenen Straftaten besteht oder wenn unterschiedliche Straftaten, die die ungehinderte und ununterbrochene Verwirklichung ein und derselben deliktischen Absicht darstellen, gleichzeitig demselben Tatrichter vorgelegt werden, dann wird nur die schwerste Strafe verhängt.
Wenn der Tatrichter feststellt, dass Straftaten, die bereits Gegenstand einer rechtskräftigen Entscheidung waren, und andere erwiesene Taten, die bei ihm anhängig sind und die dieser Entscheidung voraufgehen und gemeinsam mit den ersten Straftaten die ungehinderte und ununterbrochene Verwirklichung ein und derselben deliktischen Absicht bilden, berücksichtigt er beim Strafmass die bereits verhängten Strafen. Wenn diese ihm für eine gerechte Bestrafung dieser gesamten Straftaten als ausreichend erscheinen, spricht er sich über die Schuldfrage aus und verweist er in seiner Entscheidung auf die bereits verhängten Strafen. Die gesamten Strafen, die in Anwendung dieses Artikels ausgesprochen werden, dürfen das Höchstmass der schwersten Strafe nicht überschreiten ».
B.1.2. Artikel 21 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches bestimmt:
« Vorbehaltlich der in den Artikel 136bis, 136ter und 136quater des Strafgesetzbuches beschriebenen Straftaten verjährt die Strafverfolgung nach Ablauf von zehn Jahren, fünf Jahren oder sechs Monaten ab dem Datum der Begehung der Straftat, je nachdem, ob es sich bei dieser Straftat um ein Verbrechen, ein Vergehen oder eine Ubertretung handelt.
Die Frist beträgt jedoch fünfzehn Jahre, wenn es sich bei dieser Straftat um ein Verbrechen handelt, das in Anwendung von Artikel 2 des Gesetzes vom 4. Oktober 1867 über die mildernden Umstände nicht in ein Vergehen umgewandelt werden kann.
Andererseits beträgt die Frist ein Jahr, wenn ein Vergehen in eine Ubertretung umgewandelt wird ».
B.2.1. Wenn verschiedene Straftaten die ungehinderte und ununterbrochene Verwirklichung ein und derselben deliktischen Absicht bilden, kann gemäss Artikel 65 des Strafgesetzbuches allein die schwerste Strafe verhängt werden. Die Einheit der deliktischen Absicht des Angeklagten liegt vor, wenn die ihm zur Last gelegten Straftaten eine Einheit in Bezug auf Ziel und Durchführung und in diesem Sinne eine einzige Tat, nämlich ein komplexes Verhalten, bilden.
B.2.2. Gemäss Artikel 21 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich zu dem Zeitpunkt, an dem die Straftat begangen wird. Gemäss der Rechtsprechung beginnt die Verjährung bei Taten, die in einer einheitlichen Absicht begangen wurden, zum Zeitpunkt der letzten Tat.
B.2.3. Vor dem vorlegenden Richter führt der erste Angeklagte an, dass die Verjährung im Falle einer kollektiven Straftat sowohl in strafrechtlicher Hinsicht als auch in zivilrechtlicher Hinsicht somit nicht vom Gesetz festgelegt werde, sondern durch das Urteil des Richters, der entscheiden müsse, welche Taten eine kollektive Straftat bildeten und an welchem Datum die Straftat ablaufe, was dem Grundsatz der Rechtssicherheit sowie dem Legalitätsprinzip in Strafsachen widerspreche.
B.3.1. Artikel 12 der Verfassung bestimmt:
« Die Freiheit der Person ist gewährleistet.
Niemand darf verfolgt werden, es sei denn in den durch Gesetz bestimmten Fällen und in der dort vorgeschriebenen Form.
[...] ».
B.3.2. Artikel 14 der Verfassung bestimmt:
« Eine Strafe darf nur aufgrund des Gesetzes eingeführt oder angewandt werden ».
B.3.3. Artikel 7 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention bestimmt:
« Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden ».
B.4.1. Aufgrund von Artikel 1 § 1 Nr. 2 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Schiedshof in der durch das Sondergesetz vom 9. März 2003 abgeänderten Fassung ist der Hof dafür zuständig, Gesetzesnormen anhand der Artikel von Titel II « Die Belgier und ihre Rechte » sowie der Artikel 170, 172 und 191 der Verfassung zu prüfen.
B.4.2. Wenn jedoch eine für Belgien verbindliche Vertragsbestimmung eine ähnliche Tragweite hat wie eine Verfassungsbestimmung, deren Kontrolle in die Zuständigkeit des Hofes fällt und deren Verletzung geltend gemacht wird, bilden die in dieser Vertragsbestimmung enthaltenen Garantien ein untrennbares Ganzes mit den Garantien, die in den betreffenden Verfassungsbestimmungen enthalten sind.
Daraus ergibt sich, dass der Hof, wenn ein Verstoss gegen eine Bestimmung von Titel II oder gegen die Artikel 170, 172 oder 191 der Verfassung angeführt wird, bei seiner Prüfung die Bestimmungen des internationalen Rechts, die ähnliche Rechte und Freiheiten garantieren, berücksichtigt.
B.5.1. Indem die Artikel 12 Absatz 2 und 14 der Verfassung der gesetzgebenden Gewalt die Zuständigkeit verleihen, einerseits festzulegen, in welchen Fällen und in welcher Form eine Strafverfolgung möglich ist, und andererseits ein Gesetz anzunehmen, auf dessen Grundlage eine Strafe eingeführt und angewandt werden kann, gewährleisten sie jedem Bürger, dass ein Verhalten nur strafbar gemacht und eine Strafe nur auferlegt wird aufgrund von Regeln, die durch eine demokratisch gewählte beratende Versammlung angenommen wurden.
B.5.2. Aus den Artikeln 12 und 14 der Verfassung sowie aus Artikel 7 des Europäischen Menschenrechtskonvention und aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergibt sich auch, dass das Strafgesetz so formuliert sein muss, dass jeder zu dem Zeitpunkt, wo er ein Verhalten annimmt, wissen kann, ob dieses Verhalten strafbar ist oder nicht. Sie erfordern es, dass der Gesetzgeber in ausreichend präziser, deutlicher und Rechtssicherheit bietender Formulierung festlegt, welche Taten unter Strafe gestellt werden, damit einerseits derjenige, der die Taten begeht, im Vorhinein auf ausreichende Weise beurteilen kann, welche strafrechtlichen Folgen seine Taten haben können, und andererseits dem Richter keine allzu grosse Ermessensbefugnis überlassen wird. Die Grundsätze der Gesetzmässigkeit und Vorhersehbarkeit finden auf das gesamte Strafverfahren Anwendung, einschliesslich der Phasen der Ermittlung und der gerichtlichen Untersuchung.
B.6.1. Eine kollektive Straftat besteht darin, dass eine Reihe von Straftaten, von denen jede getrennt strafbar wäre, durch die Einheit der Absicht, mit der sie begangen wurden, als ein einziges komplexes Verhalten angesehen werden, das mit einer einzigen Strafe geahndet werden kann.
B.6.2. Der Umstand, dass der Strafrichter darüber urteilen muss, ob eine Einheit der Absicht vorliegt, und an welchem Datum die letzte Tat begangen wurde, ändert nichts daran, dass jede einzelne Straftat - und somit auch die schwerste Straftat, die schliesslich für die Strafe ausschlaggebend ist - die Erfordernisse des Legalitätsprinzips in Strafsachen erfüllen muss.
Die Rechtsprechung, die Artikel 65 des Strafgesetzbuches und Artikel 21 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches so auslegt, dass bei kollektiven Straftaten die Verjährung zum Zeitpunkt der letzten Tat beginnt, ändert in keinerlei Hinsicht die Definition der verschiedenen Straftaten und hindert ebenfalls nicht die betroffenen Personen daran, die strafrechtlichen Folgen ihres Handelns einzuschätzen. Jede Person weiss, dass sie verfolgt und verurteilt werden kann, wenn ihr Verhalten mit den Bestandteilen einer Straftat zusammenfällt, die durch ein Strafgesetz geahndet wird.
B.7.1. Gemäss de Rechtsprechung über die Verjährung bei einer kollektiven Straftat prüft der Richter für jede Tat angesichts ihrer jeweiligen Verjährungsfrist, ob die Strafverfolgung nicht bereits verfallen war zu dem Zeitpunkt, als die folgende Tat begangen wurde. Sobald die Strafverfolgung für eine bestimmte Tat durch Verjährung verfallen ist, kann diese nicht wieder aufgenommen werden, indem anschliessend neue strafbare Handlungen begangen werden.
Wenn die verschiedenen Straftaten unterschiedlicher Art sind und unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen, gilt für die Verjährung einer jeden strafbaren Tat die Frist, die darauf Anwendung findet, auch wenn die Fristen zum Zeitpunkt der letzten Tat beginnen.
B.7.2. Die Verjährung der Strafverfolgung beruht auf Erwägungen des allgemeinen Interesses. Die Unvorhersehbarkeit, die damit zusammenhängt, dass eine Straftat, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, noch mit der gleichen Strafe geahndet werden kann nach Ablauf der erwarteten Verjährungsfrist, da die Straftat Bestandteil einer Reihe strafbarer Verhaltensweisen ist, die wegen der Einheit der Absicht als eine einzige kollektiven Straftat angesehen wird, kann weder den Artikeln 12 und 14 der Verfassung noch Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention Abbruch leisten.
B.8. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.
In Bezug auf die zweite präjudizielle Frage
B.9.1. Artikel 193 des Strafgesetzbuches bestimmt:
« Fälschung von Urkunden, EDV-Daten oder Telegrammen in betrügerischer Absicht oder in der Absicht zu schaden, wird gemäss den folgenden Artikeln bestraft ».
B.9.2. Artikel 196 des Strafgesetzbuches bestimmt:
« Mit fünf bis zehn Jahren Zuchthausstrafe werden die anderen Personen bestraft, die in authentischen und öffentlichen Urkunden Fälschungen vornehmen, und alle Personen, die in Handels- oder Bankdokumenten oder in Privaturkunden Fälschungen vornehmen,
sei es durch Fälschung von Unterschriften,
sei es durch Nachahmung oder Verfälschung von Dokumenten oder Unterschriften,
sei es, indem Vereinbarungen, Verfügungen, Verpflichtungen oder Schuldbefreiungen falsch aufgestellt oder nachträglich in die Urkunden eingefügt werden,
sei es, indem Ergänzungen oder Verfälschungen von Klauseln, Erklärungen oder Fakten, die Zweck dieser Urkunden waren, eingefügt oder festgelegt werden ».
B.9.3. Artikel 197 des Strafgesetzbuches bestimmt:
« In allen Fällen, die in diesem Abschnitt erwähnt sind, wird derjenige, der die gefälschte Urkunde oder das gefälschte Dokument verwendet, so bestraft, als ob er der Urheber der Fälschung wäre ».
B.10.1. Die Verwendung einer gefälschten Urkunde dauert an, selbst ohne ein neues Handeln des Täters und ohne sein wiederholtes Auftreten, solange sein Ziel nicht verwirklicht ist und solange die ursprüngliche Handlung, die ihm zur Last gelegt wird, ohne dass er dagegen Einspruch erhebt, die vorteilhafte Wirkung hat, die er davon erwartet hat (Kass. 23. Dezember 1998, Arr. Cass., 1998, Nr. 534, und 6. März 2001, Arr. Cass., 2001, Nr. 123). Gemäss Artikel 21 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches beginnt die Verjährungsfrist erst ab der Beendigung des deliktischen Zustandes.
B.10.2. Gemäss der Rechtsprechung beginnt bei Urkundenfälschung mit anschliessender Benutzung der gefälschten Urkunde in betrügerischer Absicht oder mit der Absicht zu schaden die Verjährungsfrist auch für die Fälschung erst zum Zeitpunkt der letzten Benutzung (Kass. 29. Oktober 1980, Arr. Cass., 1980-1981, Nr. 129).
B.10.3. Der erste Angeklagte vor dem vorlegenden Richter führt an, der vorlegende Richter habe dem Hof nicht das Verjährungssystem der Dauerstraftat unterbreitet, sondern die Einstufung der Benutzung gefälschter Urkunden als Dauerstraftat.
Die Parteien dürfen den Inhalt der präjudiziellen Frage nicht ändern. Diese bezweckt, vom Hof zu vernehmen, ob die fraglichen Bestimmungen einen Verstoss gegen das Legalitätsprinzip in Strafsachen beinhalten, « insofern sie dahingehend ausgelegt werden, dass die Straftaten der Urkundenfälschung und der Verwendung falscher Urkunden als eine einzige Straftat betrachtet werden, die fortdauert, solange das durch die anfängliche Handlung bezweckte und verwirklichte Ziel fortbesteht, wenngleich keine neuen positiven Handlungen durch irgendjemand getätigt werden, wobei die Verjährungsfrist der Strafverfolgung für beide Straftaten erst anfängt, sobald dieses Ziel nicht mehr besteht ».
B.11.1. Es gehört zur Ermessensbefugnis des Strafrichters, auf der Grundlage der strafrechtlichen Bestimmungen festzustellen, wann eine Straftat nicht mehr besteht und wann demzufolge die Verjährungsfrist beginnt. Es obliegt ebenfalls dem Richter zu beurteilen, wann die Benutzung der gefälschten Urkunde die Fortsetzung der Urkundenfälschung ist und somit eine einzige Straftat darstellt.
B.11.2. Die Rechtsprechung, die die fraglichen Bestimmungen so auslegt, dass bei der Straftat der Urkundenfälschung mit anschliessender Benutzung der gefälschten Urkunde die Verjährungsfrist auch für die Fälschung erst zum Zeitpunkt der letzten Benutzung beginnt, ändert in keinerlei Hinsicht die Definition der verschiedenen Straftaten ab und hindert die betroffenen Personen ebenfalls nicht daran, die strafrechtlichen Folgen ihres Handelns einzuschätzen. Jede Person weiss, dass sie verfolgt und verurteilt werden kann, wenn ihr Verhalten den Tatbestandsmerkmalen einer Straftat, die durch ein Strafgesetz geahndet wird, entspricht.
B.11.3. Gemäss der Rechtsprechung über die Verjährung der Straftat der Urkundenfälschung mit anschliessender Benutzung der gefälschten Urkunde prüft der Richter, ob zwischen der Fälschung und der ersten Benutzung ein Zeitraum verstrichen ist, der länger ist als die Verjährungsfrist, so dass der Täter nicht mehr wegen Fälschung verurteilt werden könnte (Kass. 9. Februar 1982, Arr. Cass., 1981-1982, Nr. 348). Selbst wenn der Strafrichter den Standpunkt vertritt, dass die Benutzung der gefälschten Urkunde nur die Fortsetzung der Urkundenfälschung ist und somit eine einzige Straftat darstellt, kann die Strafverfolgung, sobald sie für eine bestimmte Tat durch Verjährung verfallen ist, nicht wieder aufleben, indem nachträglich neue strafbare Taten begangen werden.
B.11.4. Die Unvorhersehbarkeit, die mit dem Umstand zusammenhängt, dass eine Straftat, die strafbar war zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, noch mit der gleichen Strafe geahndet werden könnte nach Ablauf der erwarteten Verjährungsfirst, da die Straftat Bestandteil einer Reihe von strafbaren Verhaltensweisen ist, die als eine einzige Straftat angesehen werden, kann nicht zur Folge haben, dass dadurch gegen die Artikel 12 und 14 der Verfassung oder Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstossen würde.
B.12. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.
In Bezug auf die dritte präjudizielle Frage
B.13.1. Artikel 22 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches bestimmt:
« Die Verjährung der Strafverfolgung wird nur unterbrochen durch Untersuchungs- oder Verfolgungshandlungen, die innerhalb der in Artikel 21 festgelegten Frist erfolgen.
Mit diesen Handlungen beginnt eine neue Frist von gleicher Dauer, selbst in Bezug auf die Personen, die nicht daran beteiligt waren ».
B.13.2. Artikel 23 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches bestimmt:
« Der Tag, an dem die Straftat begangen wurde, und der Tag, an dem die unterbrechende Handlung stattgefunden hat, sind in der Frist enthalten ».
B.13.3. Artikel 24 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches bestimmt in der auf den fraglichen Sachverhalt anwendbaren Fassung:
« Die Verjährung der Strafverfolgung wird gegenüber allen Parteien ausgesetzt:
1. ab dem Tag der Sitzung, in der die Strafverfolgung beim erkennenden Gericht gemäss den gesetzlich festgelegten Modalitäten eingeleitet wird.
Die Verjährung läuft jedoch wieder:
- ab dem Tag, an dem das erkennende Gericht von Amts wegen oder auf Antrag der Staatsanwaltschaft beschliesst, die Prüfung der Angelegenheit auf unbestimmte Zeit zu vertagen, und zwar bis zu dem Tag, an dem das erkennende Gericht die besagte Prüfung wieder aufnimmt;
- ab dem Tag, an dem das erkennende Gericht von Amts wegen oder auf Antrag der Staatsanwaltschaft beschliesst, die Prüfung der Angelegenheit im Hinblick auf die Durchführung von zusätzlichen Untersuchungshandlungen bezüglich der zur Last gelegten Tat zu vertagen, und zwar bis zu dem Tag, an dem das erkennende Gericht die besagte Prüfung wieder aufnimmt;
- ab der in Artikel 203 vorgesehenen Berufungserklärung oder der in Artikel 205 vorgesehenen Klagezustellung bis zu dem Tag, an dem die Berufung gemäss den gesetzlich festgelegten Modalitäten beim erkennenden Gericht in der Berufungsinstanz eingereicht wird, wenn die Berufung gegen das Urteil über die Strafverfolgung nur von der Staatsanwaltschaft ausgeht;
- bei Ablauf einer Frist von einem Jahr ab dem Tag der Sitzung, in der je nach Fall die Strafverfolgung beim erkennenden Gericht in der ersten Instanz oder beim erkennenden Gericht in der Berufungsinstanz eingeleitet wird, oder in der das letztgenannte erkennende Gericht beschliesst, über die Strafverfolgung zu befinden, und zwar bis zum Tag des Urteils des betreffenden erkennenden Gerichts, das über die Strafverfolgung befindet;
2. im Falle der Verweisung zur Entscheidung über eine präjudizielle Frage;
3. in den in Artikel 447 Absätze 3 und 5 des Strafgesetzbuches vorgesehenen Fällen;
4. während der Behandlung einer Einrede der Nichtzuständigkeit, der Unzulässigkeit oder der Nichtigkeit, die durch den Beschuldigten, durch die Zivilpartei oder durch die zivilrechtlich haftbare Person vor dem erkennenden Gericht erhoben wird. Wenn das Gericht die Einrede für begründet erklärt oder wenn die Entscheidung über die Einrede dem Verfahren zur Hauptsache hinzugefügt wird, ist die Verjährungsfrist nicht ausgesetzt ».
B.14.1. Gemäss der Rechtsprechung ist die Verjährung der Strafverfolgung grundsätzlich während eines Kassationsverfahrens ausgesetzt (Kass. 20. September 2000, Arr. Cass., 2000, Nr. 482). In Artikel 24 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches in der seit dem 1. September 2003 geltenden Fassung ist ausdrücklich festgelegt, dass die Verjährung ausgesetzt wird, wenn das Gesetz dies vorsieht oder wenn ein gesetzlicher Grund besteht, der das Einleiten oder die Ausübung der Strafverfolgung verhindert.
B.14.2. Vor dem vorlegenden Richter führt der erste Angeklagte an, dass der obengenannte Aussetzungsgrund nicht im Gesetz vorgesehen sei. Die präjudizielle Frage bezweckt, vom Hof zu vernehmen, ob die fraglichen Bestimmungen einen Verstoss gegen das Legalitätsprinzip in Strafsachen beinhalten, « insofern sie die Verjährung regeln und insofern die Verjährungsregelung für Straftaten voraussetzt, dass die Verjährung während des Kassationsverfahrens ausgesetzt wird vom Tag der angefochtenen Entscheidung bis zum Tag des Urteils des Kassationshofes, in dem die Kassationsbeschwerde für zulässig erklärt wird, und soweit die Kassationsbeschwerde nicht offensichtlich unzulässig wäre ».
B.15. Die Unvorhersehbarkeit, die mit dem Umstand zusammenhängt, dass eine Straftat, die strafbar war zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, noch mit der gleichen Strafe geahndet werden kann nach Ablauf der erwarteten Verjährungsfrist, weil diese Frist inzwischen ausgesetzt wurde, kann nicht zur Folge haben, dass die Artikel 12 und 14 der Verfassung verletzt würden. Diese Bestimmungen erfordern es zwar, dass die Verjährungsfrist grundsätzlich durch eine demokratisch gewählte beratende Versammlung angenommen wird, doch sie verhindern nicht, dass dem Richter die Ermessensbefugnis überlassen wird, jedes Mal, wenn ein Grund besteht, der die Einleitung oder die weitere Ausübung der Strafverfolgung verhindert, diese Frist im Interesse der Strafverfolgung auszusetzen.
Aus der Beschaffenheit des Kassationsverfahrens ergibt sich nämlich, dass die Verjährungsfrist, wenn sie nicht zu Missbrauch führen soll, dadurch ausgesetzt wird. Die Bestimmungen, die die Kassationsbeschwerde regeln, sind folglich implizit, jedoch mit Sicherheit so zu verstehen, dass sie zur Folge haben, dass ihr Einleiten eine aussetzende Wirkung auf die Verjährungsfrist hat.
B.16. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.
Aus diesen Gründen:
Der Hof
erkennt für Recht:
1. Artikel 65 des Strafgesetzbuches und Artikel 21 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches, dahingehend ausgelegt, dass die Verjährungsfrist der Strafverfolgung im Falle einer kollektiven Straftat zum Zeitpunkt der letzten mit ein und derselben deliktischen Absicht begangenen Tat anfängt, vorausgesetzt, dass zwischen keiner der Taten die Verjährungsfrist abgelaufen ist, verstösst nicht gegen die Artikel 12 Absatz 2 und 14 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
2. Die Artikel 193, 196 und 197 des Strafgesetzbuches und die Artikel 21, 22 und 23 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches, dahingehend ausgelegt, dass die Straftaten der Urkundenfälschung und der Verwendung falscher Urkunden als eine einzige Straftat betrachtet werden, die fortdauert, solange das durch die anfängliche Handlung bezweckte und verwirklichte Ziel fortbesteht, wenngleich keine neuen positiven Handlungen durch irgendjemand getätigt werden, wobei die Verjährungsfrist der Strafverfolgung für beide Straftaten erst anfängt, sobald dieses Ziel nicht mehr besteht, verstossen nicht gegen die Artikel 12 Absatz 2 und 14 der Verfassung.
3. Die Artikel 21, 22, 23 und 24 des einleitenden Titels des Strafprozessgesetzbuches, dahingehend ausgelegt, dass die Verjährung der Strafverfolgung während des Kassationsverfahrens ausgesetzt wird vom Tag der angefochtenen Entscheidung bis zum Tag des Urteils des Kassationshofes, in dem die Kassationsbeschwerde für zulässig erklärt wird, und soweit die Kassationsbeschwerde nicht offensichtlich unzulässig wäre, verstossen nicht gegen die Artikel 12 Absatz 2 und 14 der Verfassung.
Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Schiedshof, in der öffentlichen Sitzung vom 21. Dezember 2005.
Der Kanzler, Der Vorsitzende,
(gez.) P.-Y. Dutilleux. (gez.) A. Arts.