Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 28 Mai 2015 (België). RG 76/2015

Date :
28-05-2015
Language :
German French Dutch
Size :
7 pages
Section :
Case law
Source :
Justel D-20150528-5
Role number :
76/2015

Summary :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: Artikel 19 §§ 1 und 5 des Gesetzes vom 10. April 1990 zur Regelung der privaten und besonderen Sicherheit verstößt nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten J. Spreutels und A. Alen, und den Richtern E. De Groot, L. Lavrysen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, F. Daoût, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Präsidenten J. Spreutels,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen und Verfahren

a. In seinem Urteil vom 11. April 2014 in Sachen der « Palasi » Gen.mbH gegen den belgischen Staat, dessen Ausfertigung am 28. Mai 2014 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das französischsprachige Gericht erster Instanz Brüssel folgende Vorabentscheidungsfrage gestellt:

« Verstößt Artikel 19 §§ 1 und 5 des Gesetzes vom 10. April 1990 zur Regelung der privaten und besonderen Sicherheit gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, indem er die zivilrechtlich haftbare Person nicht in die Verfahren zur Sanktionierung ihres Angestellten einbezieht? ».

b. In seinem Urteil vom 23. Mai 2014 in Sachen der « Gardiennage, Protection, Dissuasion, Surveillance » PGmbH (G.D.P.S.) gegen den belgischen Staat, dessen Ausfertigung am 26. Juni 2014 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das französischsprachige Gericht erster Instanz Brüssel dieselbe Vorabentscheidungsfrage gestellt.

Diese unter den Nummern 5908 und 5943 ins Geschäftsverzeichnis des Gerichtshofes eingetragenen Rechtssachen wurden verbunden.

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

B.1.1. Artikel 19 des Gesetzes vom 10. April 1990 zur Regelung der privaten und besonderen Sicherheit (nachstehend: Gesetz vom 10. April 1990) in der Fassung, die auf den dem vorlegenden Richter unterbreiteten Sachverhalt anwendbar ist, bestimmte:

« § 1. Jeder natürlichen oder juristischen Person, die die Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes oder seiner Ausführungserlasse nicht einhält, kann:

1. eine Verwarnung zugeschickt werden, durch die der Zuwiderhandelnde aufgefordert wird, der ihm angelasteten Tat ein Ende zu setzen,

2. oder eine gütliche Einigung vorgeschlagen werden, die 30 % des Betrags der in Nr. 3 erwähnten administrativen Geldbuße beträgt, ohne jedoch unter 100 EUR zu liegen. Durch die Zahlung des Betrags der gütlichen Einigung wird das Verfahren zur Auferlegung einer administrativen Geldbuße aufgehoben,

3. oder eine administrativen Geldbuße von 100 EUR bis 25.000 EUR auferlegt werden, wobei die administrative Geldbuße bei Verstoß gegen die Bestimmungen, die in oder aufgrund:

- von Artikel 2 § 1 oder Artikel 4 erwähnt sind, zwischen 12.500 EUR und 25.000 EUR liegt,

- von Artikel 1 § 1 Absatz 2, 4 oder 6, Artikel 2 § 2, Artikel 3, Artikel 9 § 4, Artikel 11 § 1 oder Artikel 15 erwähnt sind, zwischen 7.500 EUR und 15.000 EUR liegt,

- von Artikel 8, mit Ausnahme von § 3, Artikel 10, Artikel 11, mit Ausnahme von § 1, Artikel 16 Absatz 2 oder eines der Artikel 13.1 bis einschließlich 13.14 erwähnt sind, zwischen 2.500 EUR und 10.000 EUR liegt,

- von Artikel 5 Absatz 1 Nr. 1, 5 oder 8, Artikel 6 Absatz 1 Nr. 1 oder 8, Artikel 4bis, Artikel 8 § 3, Artikel 9, Artikel 14 oder Artikel 20 erwähnt sind, zwischen 1.000 EUR und 2.500 EUR liegt,

- von Artikel 6 Absatz 1 Nr. 5 erwähnt sind, zwischen 500 EUR und 1.000 EUR liegt.

Die auf administrative Geldbußen anwendbaren Sätze werden:

1. um die Hälfte erhöht, wenn binnen drei Jahren nach Annahme einer gütlichen Einigung, wie in Absatz 1 Nr. 2 erwähnt, ein Verstoß gegen dieselbe Bestimmung wie diejenige, die zu der gütlichen Einigung Anlass gegeben hat, festgestellt wird,

2. verdoppelt, wenn der Verstoß binnen drei Jahren nach Auferlegung einer administrativen Geldbuße festgestellt wird,

3. verdoppelt, wenn der Verstoß festgestellt wird, nachdem er bereits festgestellt und im Rahmen von Artikel 16 Absatz 3 die Unterlassung einer Tat angeordnet worden ist.

Bei Zusammentreffen mehrerer Straftaten werden die Sätze zusammengerechnet, wobei der Gesamtbetrag dieser Sätze den in Absatz 1 Nr. 3 erwähnten Höchstbetrag nicht überschreiten darf.

Wenn mildernde Umstände vorliegen, kann der in § 2 Absatz 1 erwähnte zuständige Beamte eine administrative Geldbuße auferlegen, die unter den in Absatz 1 Nr. 3 erwähnten Mindestbeträgen liegt, wobei die Geldbuße nicht unter 70% dieser Mindestbeträge liegen darf.

[...]

§ 5. Der in § 2 Absatz 1 erwähnte zuständige Beamte entscheidet, ob eine administrative Geldbuße auferlegt wird, nachdem demjenigen, der gegen das Gesetz verstößt, die Möglichkeit gegeben worden ist, seine Verteidigungsmittel vorzubringen.

Im Beschluss, der mit Gründen versehen wird, wird die Höhe der Geldstrafe festgelegt.

Er wird demjenigen, der gegen das Gesetz verstößt, sowie der natürlichen oder juristischen Person, die für die Zahlung der administrativen Geldstrafe zivilrechtlich haftbar ist, per Einschreibebrief notifiziert. In Anlage dazu wird eine Aufforderung, die Geldstrafe binnen der vom König festgelegten Frist zu zahlen, beigefügt. Nach Ablauf dieser Frist sind Verzugszinsen fällig, die dem gesetzlichen Zinssatz entsprechen.

Die in Artikel 1 erwähnten natürlichen oder juristischen Personen haften zivilrechtlich für die Zahlung der administrativen Geldstrafe, die ihren Verwaltern, den Mitgliedern ihres leitenden und ausführenden Personals, ihren Angestellten oder Beauftragten auferlegt [wird].

Wenn die Unternehmen, die Einrichtungen oder die Unternehmen, die einen Dienst organisieren, keinen Betriebssitz in Belgien haben, leisten sie eine auf erstes Verlangen realisierbare Bankgarantie in Höhe von EUR 12.500,00 als Sicherheit für die Zahlung der Gebühren und administrativen Geldstrafen. Auf diese Bankgarantie müssen die belgischen Behörden Zugriff haben können. Der König bestimmt die Modalitäten und das Verfahren für die Hinterlegung dieser Bankgarantie und die Art und Weise, wie die Behörden diese Bankgarantie in Anspruch nehmen und wie sie aufgefüllt wird.

Derjenige, dem eine Geldbuße auferlegt wird, oder die zivilrechtlich haftbare Person kann binnen der Frist, die der König für die Zahlung der Geldstrafe festgelegt hat, durch einen Antrag beim Gericht Erster Instanz in Brüssel eine Beschwerde gegen die Anwendung der administrativen Geldstrafe einreichen. Durch diese Beschwerde wird die Ausführung des Beschlusses aufgeschoben.

Die Beschwerde, mit der die Anwendung der administrativen Geldbuße angefochten wird, ist nur zulässig, wenn eine Kopie des Antrags spätestens am Datum der Hinterlegung des Antrags beim Gericht ebenfalls per Einschreiben an den in § 2 Absatz 1 erwähnten zuständigen Beamten geschickt wird.

Wenn mildernde Umstände vorliegen, kann das Gericht den Betrag der auferlegten administrativen Geldbuße unter die in Artikel 19 § 1 Absatz 1 Nr. 3 erwähnten Mindestbeträge herabsetzen, wobei die Geldbuße nicht unter 70% dieser Mindestbeträge liegen darf.

Gegen das Urteil des Gerichts Erster Instanz kann keine Berufung eingelegt werden.

Wenn derjenige, dem eine Geldbuße auferlegt wird, oder die zivilrechtlich haftbare Person es versäumt, die Geldstrafe binnen der festgelegten Frist zu zahlen, und die in Absatz 1 bestimmte Berufungsmöglichkeit ausgeschöpft ist, ist der Beschluss zur Verhängung einer Verwaltungssanktion ausführbar und:

1. weist der in § 2 Absatz 1 erwähnte zuständige Beamte das Kreditinstitut, das dem Zuwiderhandelnden oder der zivilrechtlich haftbaren Person die Bankgarantie ausgestellt hat, per Einschreiben an, den Betrag der administrativen Geldstrafe zu bezahlen,

2. ergreift der in § 2 Absatz 1 erwähnte zuständige Beamte in Ermangelung einer Bankgarantie eine Zwangsmaßnahme, auf die die Bestimmungen des fünften Teils des Gerichtsgesetzbuches Anwendung finden.

Drei Jahre nach den Taten, die einem in § 1 erwähnten Verstoß zugrunde liegen, kann keine administrative Geldstrafe mehr verhängt [werden].

[...] ».

B.2.1. Der vorlegende Richter fragt den Gerichtshof, ob Artikel 19 §§ 1 und 5 des vorerwähnten Gesetzes mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung vereinbar sei, indem er die zivilrechtlich haftbare Person nicht in die Verfahren zur Sanktionierung ihres Angestellten einbeziehe.

Aus den Vorlageentscheidungen geht hervor, dass die Kritik einen Unterscheid zwischen den zivilrechtlich haftbaren Arbeitgebern und dem sanktionierten Angestellten betrifft, einerseits indem zivilrechtlich haftbare Personen nicht über den Vorschlag einer gütlichen Einigung informiert, sondern nur über die verhängte Geldbuße in Kenntnis gesetzt würden, und andererseits, indem die Verwaltung keineswegs verpflichtet sei, den zivilrechtlich Haftbaren anzuhören während der Phase der Prozedur, die mit der Auferlegung einer Geldbuße abgeschlossen werden könne.

B.2.2. Zur Beantwortung der Vorabentscheidungsfragen ist festzustellen, ob der zivilrechtlich haftbare Arbeitgeber und der Angestellte, der einen Verstoß begangen hat, sich in einer vergleichbaren Lage hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens zur Sanktionierung des Angestellten befinden.

B.3.1. Die in Artikel 19 § 1 erwähnten Geldbußen bezwecken, Verstöße zu vermeiden und zu ahnden, die durch Gesellschaften, die im Bereich der privaten und besonderen Sicherheit tätig sind, oder durch ihre Personalmitglieder begangen werden, wobei die durch das fragliche Gesetz auferlegten Verpflichtungen nicht eingehalten werden.

Diese Verpflichtungen bestehen unter anderem darin, innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu handeln, die erforderlichen Genehmigungen, Zulassungen und Versicherungen zu besitzen, innerhalb der zulässigen Grenzen zu handeln, die Gerichts- und Verwaltungsbehörden über die Tätigkeiten der Gesellschaft zu informieren sowie die allgemeinen und besonderen Ausübungsbedingungen einzuhalten.

Personen, die für Rechnung der Unternehmen, Dienste und Einrichtungen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, arbeiten, müssen unter anderem die in Artikel 6 des Gesetzes vom 10. April 1990 vorgesehenen Ausübungsbedingungen erfüllen; sie müssen außerdem gemäß Artikel 10 desselben Gesetzes den Gerichtsbehörden auf jede Anfrage hin unverzüglich alle Informationen über Straftaten mitteilen, von denen sie während oder anlässlich der Ausübung ihrer Tätigkeiten Kenntnis erhalten haben.

B.3.2. Die Wachunternehmen und internen Wachdienste verfügen über umfangreiche Befugnisse, sowohl in Bezug auf die Kontrolle und die Überwachung der Personen, gegebenenfalls an öffentlich zugänglichen Orten, als auch bezüglich der Feststellung von administrativen Übertretungen. Außerdem unterliegen die Genehmigungen für die Aufbewahrung, das Mitführen und den Besitz von Waffen auf Seiten der internen Wachdienste und ihres Personals Bestimmungen, die vom allgemeinen Recht abweichen (Artikel 8 § 2).

Personen, die im Dienst oder für Rechnung eines Wachunternehmens oder internen Wachdienstes arbeiten, können unter gewissen Bedingungen Kleidung oder persönliche Güter kontrollieren und sich Identitätsdokumente zeigen oder aushändigen lassen, kontrollieren, kopieren oder bewahren (Artikel 8 §§ 6bis bis 6quater und § 11). Sie dürfen ihre Befugnisse jedoch nur insofern ausüben, als diese gemäß einem Gesetz nicht ausschließlich den Vertretern der öffentlichen Gewalt vorbehalten sind (Artikel 8 § 8 Absatz 2).

B.3.3. Wie in den Vorarbeiten zum Gesetz vom 7. Mai 2004 « zur Abänderung des Gesetzes vom 10. April 1990 über Wachunternehmen, Sicherheitsunternehmen und interne Wachdienste, des Gesetzes vom 29. Juli 1934 über das Verbot von Privatmilizen und des Gesetzes vom 19. Juli 1991 zur Regelung des Berufs des Privatdetektivs » hervorgehoben wurde, bezweckte der Gesetzgeber, « eine Rechtsgrundlage zu schaffen, um dem Sektor der privaten Sicherheit gewisse Tätigkeiten anzuvertrauen, die derzeit durch die Polizeidienste ausgeübt werden, aber nicht zu ihren wesentlichen Tätigkeiten gehören, sowie gewisse hybride Situationen der privaten Überwachung, die sich im Laufe der Jahre entwickelt haben » (Parl. Dok., Kammer, 2002-2003, DOC 50-2328/001, S. 4).

B.4. Durch Artikel 19 des Gesetzes vom 10. April 1990 wurde ein Mechanismus von Verwaltungssanktionen bei Verstößen gegen das Gesetz vom 10. April 1990 oder seine Ausführungserlasse eingeführt.

Aufgrund dieser Bestimmung kann der zuständige Beamte entweder dem Zuwiderhandelnden eine Verwarnung zuschicken (Artikel 19 § 1 Absatz 1 Nr. 1) oder ihm eine gütliche Einigung vorschlagen, die 30 Prozent des Betrags der administrativen Geldbuße beträgt und durch deren Zahlung das Verfahren zur Auferlegung einer administrativen Geldbuße aufgehoben wird (Artikel 19 § 1 Absatz 1 Nr. 2), oder eine administrative Geldbuße auferlegen (Artikel 19 § 1 Absatz 1 Nr. 3 und Absätze 2 ff.), nachdem demjenigen, der gegen das Gesetz verstößt, die Möglichkeit gegeben worden ist, seine Verteidigungsmittel vorzubringen (Artikel 19 § 5 Absatz 1) und nachdem gegebenenfalls mildernde Umstände berücksichtigt worden sind, die es ermöglichen, eine geringere Geldbuße als die Mindestbeträge aufzuerlegen, wobei die Geldbuße nicht unter 70 Prozent dieser Mindestbeträge liegen darf (Artikel 19 § 1 Absatz 4).

Die natürlichen oder juristischen Personen, die Tätigkeiten im Bereich der privaten Sicherheit im Sinne von Artikel 1 des Gesetzes vom 10. April 1990 ausüben, haften zivilrechtlich für die Zahlung der administrativen Geldbuße, die ihren Angestellten auferlegt wird (Artikel 19 § 5 Absatz 4), und müssen, um unter anderem die Zahlung dieser Geldbußen zu gewährleisten, hierzu eine Bankgarantie hinterlegen (Artikel 19 § 5 Absatz 5).

Wenn eine administrative Geldbuße auferlegt wird, wird sie per Einschreibebrief demjenigen, der gegen das Gesetz verstößt, aber auch der zivilrechtlich haftbaren Person notifiziert (Artikel 19 § 5 Absatz 3), die, ebenso wie derjenige, dem eine administrative Geldbuße auferlegt wird, eine aussetzende Beschwerde gegen die Anwendung der administrativen Geldbuße beim Gericht erster Instanz Brüssel einreichen kann (Artikel 19 § 5 Absatz 6); gegen das Urteil des Gerichts kann keine Berufung eingelegt werden (Artikel 19 § 5 Absatz 9).

Das Gericht kann den Betrag der auferlegten administrativen Geldbuße herabsetzen, wenn es der Auffassung ist, dass mildernde Umstände vorliegen, ohne dass die Geldbuße niedriger sein kann als 70 Prozent der Mindestbeträge (Artikel 19 § 5 Absatz 8, eingefügt durch das Gesetz vom 28. April 2010).

B.5.1. Vor seiner Abänderung durch Artikel 56 des Gesetzes vom 28. April 2010 schloss Artikel 19 § 1 Absatz 1 des Gesetzes vom 10. April 1990 aus seinem Anwendungsbereich die Verstöße aus, die aufgrund von Artikel 18 desselben Gesetzes, der durch das Gesetz vom 28. April 2010 aufgehoben wurde, strafrechtlich sanktioniert wurden. Folglich konnte ein und derselbe Verstoß gegen das vorerwähnte Gesetz vom 10. April 1990 nicht sowohl strafrechtlich als auch administrativ sanktioniert werden.

B.5.2. Bezüglich der administrativen Geldbußen wurde während der Vorarbeiten zum fraglichen Gesetz präzisiert:

« Neben den in Artikel 17 vorgesehenen Sanktionen und den in Artikel 18 vorgesehenen Strafen sollen vor allem die administrativen Geldbußen die Einhaltung dieses Gesetzes und seiner Ausführungserlasse gewährleisten. Die administrativen Geldbußen haben keinen Einfluss auf das Strafregister, beeinträchtigen in geringerem Maße die Ehre und werden daher flexibler angewandt werden können als die eigentlichen Strafen.

Wenn jedoch der Betrag der Geldbuße hoch genug ist, wird sie unweigerlich eine abschreckende Wirkung haben » (Parl. Dok., Senat, 1988-1989, Nr. 775/1, S. 20).

Die in Artikel 17 des Gesetzes vorgesehenen Sanktionen sind der Entzug oder die einstweilige Aufhebung der Genehmigung oder der Zulassung durch den zuständigen Minister sowie der Entzug der Identifikationskarte im Sinne von Artikel 8 § 3; die Strafen, die in Artikel 18 des Gesetzes vorgesehen waren, wurden durch das vorerwähnte Gesetz vom 28. April 2010 aufgehoben, wodurch die Verstöße gegen das Gesetz vom 10. April 1990 nur noch Gegenstand von Verwaltungssanktionen sein können.

Die in der fraglichen Bestimmung vorgesehenen administrativen Geldbußen sind strafrechtlicher Art im Sinne von Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

B.6.1. In der ursprünglichen Fassung von Artikel 19 des Gesetzes vom 10. April 1990 war eine Verwaltungssanktion nur in Form einer administrativen Geldbuße vorgesehen.

Die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung dieser Sanktion wurde schrittweise durch verschiedene Rechtsvorschriften eingeführt.

B.6.2. In den Vorarbeiten zum Gesetz vom 7. Mai 2004, mit dem die Möglichkeit der Zusendung einer Verwarnung an den Zuwiderhandelnden eingeführt wurde, wurde diese Änderung wie folgt gerechtfertigt:

« Im Gesetz ist nur eine Art der Sanktion vorgesehen, nämlich die Geldbußen. Es besteht keine Möglichkeit der leichteren Sanktion. Es besteht auch keine schwerere Sanktion für diejenigen, die trotz der auferlegten Geldbußen ihren Verstoß fortsetzen. Die geschädigten Personen und die Berufsorganisationen sind ebenfalls von den Ergebnissen der durch die Behörden vorgenommenen Kontrollen abhängig.

Daher wird vorgeschlagen, die Sanktionsmöglichkeit zu diversifizieren auf eine Weise, die durchaus der Wirtschaftsregelung und der Sanktionsmöglichkeit der Wirtschaftsinspektion entspricht. Dies geschieht durch die Einführung einer Verwarnung (Artikel 19 § 1 Nr. 1 und § 4).

Die Einführung der Möglichkeit einer Verwarnung verhindert nicht, dass ein Verstoß sofort durch eine administrative Geldbuße geahndet wird. Es kann jedoch vorkommen, dass die Auferlegung einer Geldbuße zunächst oder sogar überhaupt keine sachdienliche Maßnahme ist, während es ebenfalls nicht angebracht ist, nichts zu unternehmen. Gegen eine solche Verwarnung ist keine Beschwerde möglich. Er handelt sich nämlich nicht um eine wirkliche Sanktion » (Parl. Dok., Kammer, 2002-2003, DOC 50-2328/001 und 2329/001, SS. 44-45).

B.6.3. Durch Artikel 494 des Programmgesetzes vom 27. Dezember 2004 wurde anschließend in die fragliche Bestimmung die Möglichkeit eines Vorschlags zur gütlichen Einigung eingeführt, wobei durch deren Zahlung das Verfahren zur Auferlegung der administrativen Geldbuße aufgehoben wird.

B.6.4. In seinem Entscheid Nr. 42/2009 vom 11. März 2009 hat der Gerichtshof erkannt, dass die fragliche Bestimmung gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstößt, jedoch nur insofern, als Artikel 19 § 1 des Gesetzes vom 10. April 1990 in der durch das Gesetz vom 2. September 2005 abgeänderten Fassung das Mindestmaß der administrativen Geldbußen auf viel höhere Beträge festlegt als dasjenige der strafrechtlichen Geldbußen, ohne dass Artikel 19 § 5 Absatz 6 desselben Gesetzes dem Richter die Möglichkeit bietet, die administrativen Geldbußen unter die im Gesetz festgelegten Mindestbeträge herabzusetzen.

B.6.5. Um diesem Entscheid Rechnung zu tragen, wurden mit dem Gesetz vom 28. April 2010 die in Artikel 18 des Gesetzes vom 10. April 1990 vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen abgeschafft und wurde sowohl für die Verwaltung als auch für den Berufungsrichter die Möglichkeit eingeführt, mildernde Umstände zu berücksichtigen, um die administrative Geldbuße unter die im Gesetz festgelegten Mindestbeträge herabzusetzen, damit « die Strafe individuell gestaltet » werden kann (Parl. Dok., Kammer, 2009-2010, DOC 52-2423/009, S. 13).

B.7. Seit seiner ursprünglichen Fassung ist in Artikel 19 § 5 des Gesetzes vom 10. April 1990 vorgesehen, dass die in Artikel 1 des Gesetzes erwähnten natürlichen oder juristischen Personen zivilrechtlich für die Zahlung der administrativen Geldbuße, die ihren Verwaltern, den Mitgliedern ihres leitenden und ausführenden Personals, ihren Angestellten oder Beauftragten auferlegt wird, haften.

In den Vorarbeiten zum Gesetz vom 10. April 1990 wurde die Wahl dieser vom allgemeinen Recht abweichenden Maßnahme damit erklärt, dass sie « zweifellos eine strenge Kontrolle des Unternehmens über seine Beauftragten oder seine Angestellten begünstigen wird » (Parl. Dok., Senat, 1988-1989, Nr. 775/1, S. 20).

Die zivilrechtliche Haftung für Handlungen anderer, eingeführt durch Artikel 19 § 5 Absatz 4 des Gesetzes vom 10. April 1990, stellt somit nicht nur eine zusätzliche Garantie für den Staat dar, dass die einem Angestellten auferlegte administrative Geldbuße gezahlt wird, sondern sie trägt auch zur « abschreckenden Wirkung » der administrativen Geldbußen bei, indem die Arbeitgeber veranlasst werden, darauf zu achten, dass ihre Personalmitglieder die Bedingungen des Gesetzes vom 10. April 1990 einhalten.

B.8. Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass die Arbeitgeber, obwohl sie zivilrechtlich für die administrativen Geldbußen haften, die ihre Angestellten schulden, und dieselben Angestellten, die gegen das Gesetz vom 10. April 1990 verstoßen, nicht in einer vergleichbaren Lage hinsichtlich des Verfahrens zur Auferlegung einer administrativen Geldbuße in Bezug auf diese Angestellten sind, sich aber dennoch in einer vergleichbaren Lage hinsichtlich der Zahlung dieser Geldbuße befinden.

Die administrative Geldbuße ist eine Verwaltungssanktion, die den Angestellten individuell trifft, und der Arbeitgeber wird nur in seiner Eigenschaft als zivilrechtlich Haftbarer über diese Geldbuße informiert.

Es ist jedoch festzustellen, dass in dem Fall, dass der Zuwiderhandelnde den Betrag, der gegebenenfalls durch den zuständigen Beamten im Rahmen einer gütlichen Einigung vorgeschlagen wird, nicht zahlt, der Arbeitgeber zur Zahlung der seinem Angestellten auferlegten administrativen Geldbuße verpflichtet ist, ohne notwendigerweise über das Verfahren vor der Auferlegung der Geldbuße informiert worden zu sein.

B.9. Dieser Behandlungsunterschied zwischen dem Zuwiderhandelnden und der zivilrechtlich haftbaren Person ist gerechtfertigt durch das Ziel des Gesetzes, den administrativen Geldbußen eine abschreckende Wirkung zu verleihen, dem Staat die Zahlung der administrativen Geldbußen zu garantieren und die Arbeitgeber zu veranlassen, eine strenge Kontrolle über ihre Angestellten auszuüben, wobei der Arbeitgeber zivilrechtlich nur für die Zahlung der administrativen Geldbuße und nicht für den Betrag, der dem Zuwiderhandelnden im Rahmen einer gütlichen Einigung vorgeschlagen wird, haftet. Solange dem Angestellten keine administrative Geldbuße auferlegt wurde, haftet der Arbeitgeber zivilrechtlich nicht und muss er folglich nicht in das Verfahren zur Auferlegung der Geldbuße einbezogen werden.

Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass die Arbeitgeber auf die Einhaltung des Gesetzes vom 10. April 1990 durch ihre Angestellten achten, indem sie ihre Tätigkeiten vertrauenswürdigen Personen anvertrauen, von denen angenommen werden kann, dass sie selbst ihren Arbeitgeber über einen Vorschlag zur gütlichen Einigung informieren, sodass dieser in Absprache mit dem Zuwiderhandelnden die am besten geeignete Haltung in der Phase vor der Auferlegung einer Geldbuße erwägen kann.

B.10. Diese Maßnahme ist ebenfalls nicht unverhältnismäßig, da der Arbeitgeber über eine Beschwerdemöglichkeit beim Gericht erster Instanz Brüssel verfügt, das eine Kontrolle mit voller Rechtsprechungsbefugnis ausübt.

Der Arbeitgeber kann in diesem Kontext Elemente vortragen, die es dem Gericht gegebenenfalls ermöglichen, mildernde Umstände zugunsten des Zuwiderhandelnden zu berücksichtigen, und folglich den Betrag der administrativen Geldbuße herabzusetzen.

Unter Berücksichtigung des Bestehens dieser Beschwerdemöglichkeit im Verfahren mit voller Rechtsprechungsbefugnis kann das Fehlen einer Möglichkeit für die zivilrechtlich haftbare Person, ihren Standpunkt während der administrativen Phase vor der Auferlegung der administrativen Geldbuße in Bezug auf ihren Angestellten darzulegen, keinen Verstoß des Rechts der Verteidigung darstellen, das unter anderem durch Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet wird.

B.11. Die Vorabentscheidungsfragen sind verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

Artikel 19 §§ 1 und 5 des Gesetzes vom 10. April 1990 zur Regelung der privaten und besonderen Sicherheit verstößt nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Erlassen in französischer und niederländischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 28. Mai 2015.

Der Kanzler,

(gez.) P.-Y. Dutilleux

Der Präsident,

(gez.) J. Spreutels