Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 27 Mai 2010 (België). RG 64/2010

Date :
27-05-2010
Langue :
Allemand Français Néerlandais
Taille :
3 pages
Section :
Jurisprudence
Source :
Justel D-20100527-8
Numéro de rôle :
64/2010

Résumé :

Der Hof erkennt für Recht: Artikel 48 Absatz 5 des Erbschaftssteuergesetzbuches in der zum Zeitpunkt des dem vorlegenden Richter unterbreiteten Sachverhalts in der Flämischen Region geltenden Fassung verstößt nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Vorsitzenden M. Bossuyt und M. Melchior, und den Richtern R. Henneuse, E. De Groot, L. Lavrysen, A. Alen, J.-P. Snappe, J.-P. Moerman, E. Derycke, J. Spreutels, T. Merckx-Van Goey und P. Nihoul, unter Assistenz des Kanzlers P.-Y. Dutilleux, unter dem Vorsitz des Vorsitzenden M. Bossuyt,

verkündet nach Beratung folgendes Urteil:

I. Gegenstand der präjudiziellen Frage und Verfahren

In seinem Urteil vom 13. Oktober 2009 in Sachen Helma De Creus gegen den belgischen Staat, dessen Ausfertigung am 20. Oktober 2009 in der Kanzlei des Hofes eingegangen ist, hat der Appellationshof Antwerpen folgende präjudizielle Frage gestellt:

« Verstösst Artikel 48 des Erbschaftssteuergesetzbuches gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, insofern dieser Artikel die Bedingung auferlegt, unmittelbar vor Eintritt einer Situation höherer Gewalt mindestens ein Jahr lang tatsächlich zusammengewohnt und einen gemeinsamen Haushalt geführt zu haben, in der Situation einer behinderten Person, die - wie im vorliegenden Fall - seit ihrer Geburt derart hilfsbedürftig ist, dass sie notwendigerweise in einer darauf spezialisierten Pflegeeinrichtung gepflegt werden muss, im Vergleich zu (schwer) behinderten Personen, deren Behinderung die Heimpflege zulässt? ».

(...)

II. In rechtlicher Beziehung

(...)

B.1.1. Die präjudizielle Frage bezieht sich auf die Vereinbarkeit von Artikel 48 des Erbschaftssteuergesetzbuches in der Fassung, die in der Flämischen Region auf das Hauptverfahren anwendbar war, mit dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, insbesondere auf die Bedingung, dass man vor Eintritt einer Situation höherer Gewalt mindestens ein Jahr lang zusammengewohnt und einen gemeinsamen Haushalt geführt haben müsse, insofern eine behinderte Person, die seit ihrer Geburt derart hilfsbedürftig sei, dass sie notwendigerweise in einer spezialisierten Einrichtung gepflegt werden müsse, unterschiedlich behandelt werde im Vergleich zu einer behinderten Person, deren Behinderung es ermögliche, sie zu Hause zu pflegen.

B.1.2. Aus den Fakten der Akte geht hervor, dass die Berufungsklägerin vor dem vorlegenden Richter die Schwester und Erbin einer Erblasserin ist, die angesichts der Art ihrer Behinderung seit der Geburt bis zu ihrem Tod in einer darauf spezialisierten Einrichtung gepflegt werden musste. Als Erbin dieser Erblasserin kann die Berufungsklägerin, im Gegensatz zu Erben von behinderten Personen, die zu Hause gepflegt werden können, nicht für den Erbschaftssteuertarif in Frage kommen, der für Zusammenwohnende gilt und vorteilhafter ist als zwischen nicht zusammenwohnenden Schwestern. Der Hof beschränkt seine Prüfung auf diesen Fall.

B.2. Artikel 48 Absatz 5 des Erbschaftssteuergesetzbuches bestimmte in der Fassung, die in der Flämischen Region zu dem Augenblick der dem vorlegenden Richter vorgelegten Fakten anwendbar war:

« Zur Anwendung dieses Artikels [48] ist unter Zusammenwohnenden zu verstehen:

1. die Person, die am Tag der Nachlasseröffnung gemäss den Bestimmungen von Buch III Titel Vbis des Zivilgesetzbuches mit dem Erblasser gesetzlich zusammenwohnte;

oder

2. die Person oder Personen, die am Tag der Nachlasseröffnung mindestens ein Jahr lang ununterbrochen mit dem Erblasser zusammenwohnten und mit ihm einen gemeinsamen Haushalt führten. Es wird davon ausgegangen, dass diese Bedingungen auch erfüllt sind, wenn das Zusammenwohnen und das Führen eines gemeinsamen Haushalts mit dem Erblasser im Anschluss an den betreffenden Zeitraum von einem Jahr bis zum Todestag infolge höherer Gewalt unmöglich geworden sind. Ein Auszug aus dem Bevölkerungsregister beinhaltet eine widerlegbare Vermutung des ununterbrochenen Zusammenwohnens und des Führens eines gemeinsamen Haushalts ».

In Bezug auf den rechtlichen Werdegang der fraglichen Bestimmung

B.3.1. Durch das flämische Dekret vom 15. Juli 1997 zur Regelung der Erbschaftssteuertarife zwischen Zusammenwohnenden wurde in Artikel 48 des Erbschaftssteuergesetzbuches ein besonderer Tarif für Zusammenwohnende eingefügt.

In seinem Urteil Nr. 82/99 vom 15. Juli 1999 erkannte der Hof, indem er über die gegen dieses Dekret erhobenen Nichtigkeitsklagen befand:

« B.9.3. Der Tarif zwischen Zusammenlebenden ist anwendbar auf die Person bzw. Personen, die am Tag des Anfalls der Erbschaft seit mindestens drei Jahren ununterbrochen mit dem Erblasser zusammenlebten, was anhand eines Auszugs aus dem Bevölkerungsregister nachzuweisen ist, und mit ihm einen gemeinsamen Haushalt bildeten. Das Dekret verdeutlicht, dass die Führung eines gemeinsamen Haushaltes unter anderem aus dem beständigen Willen der Parteien dazu sowie aus dem Beitrag der Parteien zu den Kosten dieses Haushaltes hervorgehen soll.

Ohne sich im Sinne der klagenden Parteien konkret zu den Kategorien zu äussern, die in der Kategorie der Zusammenlebenden enthalten wären, stellt der Hof fest, dass die im Dekret angegebenen Kriterien nicht unverhältnismässig sind, indem sie auf eine wirkliche Verbundenheit hinweisen, um im Bereich des Erbschaftsteuertarifs die Zusammenlebenden von den anderen Steuerpflichtigen zu unterscheiden. Der Dekretgeber war in angemessener Weise berechtigt, die gleiche Regelung einzuführen für alle Formen des Zusammenlebens mit gemeinsamen Merkmalen aufgrund der vorgenannten objektiven und nachprüfbaren Kriterien, unter Berücksichtigung des Privatlebens der Steuerpflichtigen.

B.10. Aus den vorstehenden Erwägungen geht hervor, dass das angefochtene Dekret nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung verstösst, weder an sich noch in Verbindung mit anderen Verfassungsartikeln und gewissen Vertragsbestimmungen.

[...] ».

B.3.2. Durch das flämische Dekret vom 30. Juni 2000 zur Festlegung von Bestimmungen zur Begleitung der Anpassung des Haushalts 2000 wurde in Artikel 48 ein Unterschied zwischen gesetzlich und faktisch Zusammenwohnenden eingeführt und wurden die Bedingungen, dass man mindestens drei Jahre lang ununterbrochen mit dem Erblasser zusammenwohnt und mit ihm einen gemeinsamen Haushalt führt, auch als erfüllt angesehen, wenn das Zusammenwohnen und das Führen eines gemeinsamen Haushalts mit dem Erblasser « im Anschluss an den betreffenden Zeitraum von drei Jahren bis zum Todestag » infolge höherer Gewalt unmöglich geworden ist.

In der Begründung heisst es diesbezüglich:

« Die geplante Änderung diente ursprünglich nur dazu, eine Ungerechtigkeit in der bestehenden Regelung bezüglich des ermässigten Tarifs für Zusammenwohnende zu beseitigen. Die Person oder die Personen, die am Tag der Nachlasseröffnung während mindestens drei Jahre ununterbrochen mit dem Erblasser zusammenwohnen, können in den Genuss eines ermässigten Tarifs gelangen. Diese strikte Bedingung erlaubt es nicht, dass Personen, die während drei Jahren mit dem Erblasser, der den letzten Zeitraum seines Lebens notgedrungen das Zusammenwohnen hat aufgeben müssen, weil er in einer Pflegeeinrichtung bleiben musste (und wobei sein Wohnsitz geändert wurde), zusammengewohnt haben, in den Genuss des ermässigten Tarifs gelangen können.

Um diese ungerechte Situation zu beheben, wurde vorgeschlagen, diese Bestimmung in dem Sinne zu ändern, dass Personen, die zunächst drei Jahre lang mit dem Erblasser zusammengewohnt haben, woraufhin dieser aufgrund höherer Gewalt das Zusammenwohnen unterbrechen musste, dennoch in den Genuss des ermässigten Tarifs gelangen.

Um fiktive Konstruktionen zu vermeiden, bleibt es jedoch erforderlich, dass die Personen, die Anspruch auf den ermässigten Tarif erheben möchten, während drei Jahren ununterbrochen mit dem Erblasser zusammengewohnt haben, bevor die Situation höherer Gewalt eintritt. Der Änderungsvorschlag erlaubt es also nicht, dass eine Person, die während eines kurzen Zeitraums mit dem Erblasser zusammengewohnt hat, woraufhin dieser während einer langen Zeit in einer Pflegeeinrichtung geblieben ist, einen Zeitraum von drei Jahren des Zusammenwohnens aufbauen könnte.

Ein ' freiwilliger ' Aufenthalt in einem Erholungsheim (ohne pflegebedürftig oder abhängig zu sein) entspricht nicht der Bedingung höherer Gewalt und kann daher nicht geltend gemacht werden, um in den Genuss des ermässigten Tarifs gelangen zu können.

Ein Auszug aus dem Bevölkerungsregister beinhaltet eine widerlegbare Vermutung des ununterbrochenen Zusammenwohnens und des Führens eines gemeinsamen Haushalts. Diese Vermutung kann unter anderem widerlegt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass der dauerhafte Wille zur Führung eines gemeinsamen Haushalts fehlte und dass die Parteien, die das ununterbrochene Zusammenwohnen geltend machen, nicht nachweisen können, dass sie in annehmbarem Masse zu den Kosten des gemeinsamen Haushalts beigetragen haben » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 1999-2000, Nr. 277/1, S. 4; siehe auch ebenda, Nr. 277/4, S. 3).

B.3.3. Durch das flämische Dekret vom 1. Dezember 2000 zur Gleichstellung der Erbschaftssteuern zwischen Zusammenwohnenden und Verheirateten wurde der gleiche Erbschaftssteuertarif zwischen Zusammenwohnenden wie zwischen Ehepartnern vorgesehen und wurden in Artikel 48 Absatz 5 Nr. 2 die Wörter « drei Jahren » jeweils ersetzt durch die Wörter « einem Jahr ».

Zur Hauptsache

B.4. Aus dem vorerwähnten Artikel 48 des Erbschaftssteuergesetzbuches, so wie er in der Flämischen Region anwendbar war, geht hervor, dass der Erbe einer behinderten Person, die nie mit dem Erben zusammengewohnt und mit ihm keinen gemeinsamen Haushalt geführt hat, vom Tarif der Erbschaftssteuern zwischen Zusammenwohnenden ausgeschlossen wird, während der Erbe einer behinderten Person, die mindestens ein Jahr lang ununterbrochen mit dem Erben zusammengewohnt und mit ihm einen gemeinsamen Haushalt geführt hat, wohl in den Genuss dieses Tarifs gelangen kann, selbst wenn dieses Zusammenwohnen « im Anschluss an den [ununterbrochenen] Zeitraum von einem Jahr bis zum Todestag » infolge höherer Gewalt unmöglich geworden ist.

B.5. Die Bestimmung des Steuertarifs und die Festlegung seiner Abstufung obliegen dem zuständigen Steuergesetzgeber. Wenn er hierzu Unterscheidungskriterien anwendet, müssen diese objektiv und vernünftig gerechtfertigt werden können. Die Tarife und die Modalitäten müssen auf gleiche Weise auf jeden angewandt werden können, der sich hinsichtlich der Massnahme und der Zielsetzung in einer gleichwertigen Position befindet, auch wenn der Steuergesetzgeber unterschiedliche Situationen in Kategorien muss auffangen können, die notwendigerweise nur annähernd der Wirklichkeit entsprechen.

B.6. Der Tarif zwischen Zusammenwohnenden findet Anwendung auf Personen, die am Tag der Nachlasseröffnung mindestens ein Jahr lang ununterbrochen mit dem Erblasser zusammengewohnt und einen gemeinsamen Haushalt geführt haben. Es wird davon ausgegangen, dass diese Bedingungen auch erfüllt sind, wenn das Zusammenwohnen und das Führen eines gemeinsamen Haushalts mit dem Erblasser im Anschluss an den betreffenden Zeitraum von einem Jahr bis zum Todestag infolge höherer Gewalt unmöglich geworden sind.

Die im Dekret angeführten Kriterien sind nicht unvernünftig, indem sie auf eine reale Verbindung der Affinität verweisen, um hinsichtlich des Tarifs der Erbschaftssteuern die Zusammenwohnenden von den anderen Steuerpflichtigen zu unterscheiden. Der Dekretgeber konnte vernünftigerweise eine gleiche Regelung in Bezug auf alle Formen des Zusammenwohnens mit gemeinsamen Merkmalen auf der Grundlage der vorerwähnten objektiven und kontrollierbaren Kriterien annehmen, dies unter Beachtung der Privatsphäre der Steuerpflichtigen.

Daraus ergibt sich, dass die fragliche Massnahme nicht unvereinbar mit den Artikeln 10 und 11 der Verfassung ist.

B.7. Die präjudizielle Frage ist verneinend zu beantworten.

Aus diesen Gründen:

Der Hof

erkennt für Recht:

Artikel 48 Absatz 5 des Erbschaftssteuergesetzbuches in der zum Zeitpunkt des dem vorlegenden Richter unterbreiteten Sachverhalts in der Flämischen Region geltenden Fassung verstösst nicht gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Verkündet in niederländischer und französischer Sprache, gemäss Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, in der öffentlichen Sitzung vom 27. Mai 2010.

Der Kanzler, Der Vorsitzende,

(gez.) P.-Y. Dutilleux. (gez.) M. Bossuyt.