Grondwettelijk Hof (Arbitragehof): Arrest aus 19 Oktober 2017 (België). RG 121/2017

Date :
19-10-2017
Language :
German French Dutch
Size :
6 pages
Section :
Case law
Source :
Justel D-20171019-2
Role number :
121/2017

Summary :

Der Gerichtshof erkennt für Recht: - Die Artikel 9, 46 Nr. 1 und 47 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 25. Mai 2012 über die Dopingvorbeugung und -bekämpfung im Sport verstoßen gegen Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, wenn Artikel 47 dahin ausgelegt wird, dass der darin geregelte strafausschließende Entschuldigungsgrund nicht nur für Handlungen gilt, die ausschließlich aufgrund von Artikel 46 Nr. 1 dieses Dekrets strafbar sind, sondern auch für den Besitz verbotener Substanzen, der aufgrund des Gesetzes vom 24. Februar 1921 über den Handel mit Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen, Desinfektions- oder antiseptischen Mitteln und mit Stoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verwendet werden können, strafbar ist. - Die Artikel 9, 46 Nr. 1 und 47 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 25. Mai 2012 über die Dopingvorbeugung und -bekämpfung im Sport verstoßen nicht gegen Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen und die Artikel 10 und 11 der Verfassung, wenn Artikel 47 dahin ausgelegt wird, dass der darin geregelte strafausschließende Entschuldigungsgrund nur für die in Artikel 46 Nr. 1 dieses Dekrets umschriebenen Verstöße gilt, und also nicht für den Besitz verbotener Substanzen, der aufgrund des Gesetzes vom 24. Februar 1921 über den Handel mit Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen, Desinfektions- oder antiseptischen Mitteln und mit Stoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verwendet werden können, strafbar ist.

Arrêt :

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Der Verfassungsgerichtshof,

zusammengesetzt aus den Präsidenten E. De Groot und J. Spreutels, und den Richtern A. Alen, T. Merckx-Van Goey, P. Nihoul, T. Giet und R. Leysen, unter Assistenz des Kanzlers F. Meersschaut, unter dem Vorsitz des Präsidenten E. De Groot,

erlässt nach Beratung folgenden Entscheid:

I. Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen und Verfahren

In seinem Entscheid vom 19. Oktober 2016 in Sachen der Staatsanwaltschaft gegen S.M. und andere, dessen Ausfertigung am 28. Oktober 2016 in der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat der Appellationshof Gent folgende Vorabentscheidungsfragen gestellt:

1. « Verstößt Artikel 9 (verbotene Liste, enthalten im ministeriellen Erlass vom 27. November 2013 zur Festlegung der verbotenen Liste, Belgisches Staatsblatt vom 9. Dezember 2013, S. 97492 (verbotene Liste zum Tatzeitpunkt)) in Verbindung mit den Artikeln 46 und 47 des Dekrets vom 13. Juli 2007 über die sportliche Betätigung unter Beachtung der gesundheitlichen und ethischen Anforderungen, dahin ausgelegt, dass durch diese Artikel ein Sportler, der disziplinarrechtlich verfolgt und endgültig verurteilt wird wegen Substanzen, die sowohl infolge der verbotenen Liste im Sinne von Artikel 9 des Dopingdekrets vom 25. Mai 2012 (festgelegt im ministeriellen Erlass vom 27. November 2013 zur Festlegung der verbotenen Liste, Belgisches Staatsblatt vom 9. Dezember 2013, S. 97492 (verbotene Liste zum Tatzeitpunkt)) als auch infolge des Betäubungsmittelgesetzes verboten sind, nicht länger von der Staatanwaltschaft strafrechtlich verfolgt und von den Gerichten aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes sowie des königlichen Erlasses von 1974 bestraft werden kann, gegen die durch die Verfassung oder kraft derselben zur Bestimmung der jeweiligen Zuständigkeiten von Staat, Gemeinschaften und Regionen festgelegten Vorschriften, insofern die Anwendung dieser Bestimmung die Restzuständigkeit des föderalen Gesetzgebers beeinträchtigt? »;

2. « Verstößt Artikel 9 (verbotene Liste, enthalten im ministeriellen Erlass vom 27. November 2013 zur Festlegung der verbotenen Liste, Belgisches Staatsblatt vom 9. Dezember 2013, S. 97492 (verbotene Liste zum Tatzeitpunkt)) in Verbindung mit den Artikeln 46 und 47 des Dopingdekrets vom 25. Mai 2012, dahin ausgelegt, dass durch diese Artikel ein Sportler, der disziplinarrechtlich verfolgt und endgültig verurteilt wird wegen Substanzen, die sowohl infolge der verbotenen Liste im Sinne von Artikel 9 des vorerwähnten Dekrets (enthalten im ministeriellen Erlass vom 27. November 2013 zur Festlegung der verbotenen Liste, Belgisches Staatsblatt vom 9. Dezember 2013, S. 97492 (verbotene Liste zum Tatzeitpunkt)) als auch infolge des Betäubungsmittelgesetzes verboten sind, nicht länger von der Staatanwaltschaft strafrechtlich verfolgt und von den Gerichten aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes bestraft werden kann, gegen die Artikel 10 und 11 der Verfassung, während Rechtsunterworfene, die keiner Disziplinarordnung unterliegen, wegen derselben Straftat wohl strafrechtlich verfolgt werden können? ».

(...)

III. Rechtliche Würdigung

(...)

In Bezug auf die fraglichen Bestimmungen

B.1. In der ersten Vorabentscheidungsfrage wird auf die Artikel 9, 46 und 47 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 13. Juli 2007 über die sportliche Betätigung unter Beachtung der gesundheitlichen und ethischen Anforderungen verwiesen. Aus dem Inhalt beider Vorabentscheidungsfragen und aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass es sich um einen materiellen Irrtum handelt und dass der vorlegende Richter, ebenso wie in der zweiten Vorabentscheidungsfrage, die Artikel 9, 46 und 47 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 25. Mai 2012 über die Dopingvorbeugung und -bekämpfung im Sport (nachstehend: Dopingdekret) gemeint hat. Dieser materielle Irrtum rechtfertigt es nicht, dass die erste Vorabentscheidungsfrage für unzulässig erklärt würde, wie der Ministerrat es hauptsächlich beantragt. In seiner hilfsweise angeführten Argumentation weist er nämlich nach, dass er auf sachdienliche Weise seine Argumente darlegen konnte.

B.2.1. Artikel 9 des Dopingdekrets bestimmt:

« Die Regierung legt die verbotene Liste fest ».

Diese Liste von verbotenen Substanzen war zum Zeitpunkt des Sachverhalts, der sich im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 1. Mai 2014 ereignet hat, im ministeriellen Erlass vom 27. November 2013 zur Festlegung der verbotenen Liste enthalten.

B.2.2. Artikel 46 des Dopingdekrets bestimmte vor seiner Abänderung durch Artikel 29 des Dekrets vom 4. Dezember 2015 « zur Abänderung verschiedener Dekrete, in Bezug auf die Integration des Auftrags zur Unterstützung der Politik im Bereich des Sports in der Agentur ' Sport Vlaanderen ', und zur Abänderung des Dopingdekrets vom 25. Mai 2012 » und durch Artikel 54 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 19. Dezember 2014 « zur Anpassung des Dopingdekrets vom 25. Mai 2012 an den Code 2015 »:

« Folgende Personen werden mit einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und mit einer Geldbuße von 200 bis 2000 Euro oder mit nur einer dieser Strafen bestraft:

1. wer sich Dopingpraktiken im Sinne von Artikel 3 Nrn. 1, 2, 3, 4, 5, 6 schuldig macht;

2. wer sich Dopingpraktiken im Sinne von Artikel 3 Nrn. 7 und 8 schuldig macht;

3. Sportler, die sich der Nichteinhaltung des Ausschlusses im Sinne von Artikel 41 § 1 Nr. 1 schuldig machen;

4. wer sich der Nichtveranlassung der Einhaltung eines Ausschlusses im Sinne von Artikel 41 § 1 Nr. 1 durch einen Sportler schuldig macht ».

B.2.3. Artikel 47 des Dopingdekrets bestimmt:

« Wenn die unter Strafe gestellten Taten im Sinne von Artikel 46 Nr. 1 durch Sportler anlässlich ihrer Vorbereitung auf eine Sporttätigkeit oder ihrer Teilnahme an einer Sporttätigkeit begangen werden, geben sie nur Anlass zu Disziplinarsanktionen.

Jede andere Person, die sich an diesen unter Strafe gestellten Taten beteiligt, wird so bestraft, als ob die Bestimmung im vorigen Absatz nicht bestehen würde ».

In Bezug auf die erste Vorabentscheidungsfrage

B.3. Der vorlegende Richter möchte durch die erste Vorabentscheidungsfrage erfahren, ob die Artikel 9, 46 und 47 des Dopingdekrets mit den Regeln der Zuständigkeitsverteilung vereinbar seien, wenn diese Bestimmungen so verstanden würden, dass ein Sportler, der disziplinarrechtlich endgültig wegen des Besitzes von verbotenen Substanzen aufgrund des Dopingdekrets verurteilt worden sei, nicht mehr strafrechtlich verfolgt und verurteilt worden könne auf der Grundlage des Gesetzes vom 24. Februar 1921 über den Handel mit Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen, Desinfektions- oder antiseptischen Mitteln und mit Stoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verwendet werden können (nachstehend: Betäubungsmittelgesetz).

B.4. Aus Artikel 47 des Dopingdekrets ergibt sich, dass in dem Fall, dass ein Sportler anlässlich seiner Vorbereitung auf eine Sporttätigkeit oder seiner Teilnahme an einer Sporttätigkeit eine unter Strafe gestellte Tat im Sinne von Artikel 46 Nr. 1 begangen hat, dies nur zu Disziplinarsanktionen Anlass geben kann.

In Artikel 46 Nr. 1 des Dopingdekrets in der zum Zeitpunkt der betreffenden Taten geltenden Fassung wurde auf die in Artikel 3 Nrn. 1, 2, 3, 4, 5 und 6 angeführten Dopingpraktiken verwiesen. Das Ausgangsverfahren bezieht sich auf den Besitz von verbotenen Substanzen im Sinne von Artikel 3 Nr. 6. Gemäß Artikel 9 des Dopingdekrets wird die Liste der verbotenen Substanzen durch die Flämische Regierung aufgestellt.

B.5. Das Betäubungsmittelgesetz regelt im Interesse der Volksgesundheit einerseits den Transport, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Besitz, den Verkauf, das Anbieten zum Kauf, die Abgabe und den Erwerb von Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, Desinfektions- und antiseptischen Mitteln und andererseits die Ausübung der Medizin in Bezug auf diese Stoffe.

Artikel 2 Nr. 2 des Betäubungsmittelgesetzes stellt den Besitz verbotener Substanzen unter Strafe.

B.6. Der vorlegende Richter befragt den Gerichtshof zu Artikel 47 des Dopingdekrets, dahin ausgelegt, dass er einen strafausschließenden Entschuldigungsgrund einführe, der nicht nur für den durch das Dopingdekret unter Strafe gestellten Besitz verbotener Substanzen gelte, sondern auch für den durch das Betäubungsmittelgesetz unter Strafe gestellten Besitz verbotener Sunstanzen, wenn die begangenen Handlungen in beide Kategorien einzustufen seien.

B.7. Der Gerichtshof hat in seinen Entscheiden Nrn. 62/2008, 112/2008 und 187/2008 bereits auf ähnliche Vorabentscheidungsfragen geantwortet, die sich auf einen ähnlichen, im damaligen Artikel 44 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 27. März 1991 bezüglich der Sportausübung unter Beachtung der gesundheitlichen Anforderungen vorgesehenen strafausschließenden Entschuldigungsgrund bezogen.

B.8. In seinem Entscheid Nr. 62/2008 vom 10. April 2008 hat der Gerichtshof geurteilt:

« B.8.1. Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen bestimmt seit seiner Abänderung durch das Sondergesetz vom 16. Juli 1993:

' Innerhalb der Grenzen der Befugnisse der Gemeinschaften und Regionen können Dekrete Verstöße gegen ihre Bestimmungen unter Strafe stellen und Strafen zur Ahndung dieser Verstöße festlegen; die Bestimmungen von Buch I des Strafgesetzbuches sind darauf anwendbar, vorbehaltlich der Ausnahmen, die für besondere Verstöße durch ein Dekret vorgesehen werden können.

Für jede Beratung in der Gemeinschafts- oder Regionalregierung über einen Vorentwurf eines Dekrets, in dem eine Strafe oder eine Unterstrafestellung enthalten ist, die in Buch I des Strafgesetzbuches nicht vorgesehen ist, ist eine gleichlautende Stellungnahme des Ministerrates erforderlich.

[...]'.

B.8.2. Die durch Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 dem Dekretgeber erteilte Zuständigkeit umfasst nicht nur die Befugnis, Verstöße gegen die durch ihn erlassenen Bestimmungen unter Strafe zu stellen, sondern auch die Befugnis, bezüglich dieser Unterstrafestellungen strafausschließende Entschuldigungsgründe festzulegen.

B.9. Der Dekretgeber kann die Nichteinhaltung der durch ihn erlassenen Bestimmungen jedoch nur ' innerhalb der Grenzen der Befugnisse der Gemeinschaften und Regionen ' unter Strafe stellen. Dies hat zur Folge, dass er nur einen strafausschließenden Entschuldigungsgrund einführen kann, insofern dieser sich auf die durch ihn gemäß Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 eingeführten Unterstrafestellungen bezieht.

B.10. Laut Artikel 128 § 1 der Verfassung regeln die Parlamente der Flämischen und der Französischen Gemeinschaft durch Dekret, jeder für seinen Bereich, die personenbezogenen Angelegenheiten.

Nach Artikel 5 § 1 I Nr. 2 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen umfassen die personenbezogenen Angelegenheiten im Sinne von Artikel 128 § 1 der Verfassung unter anderem, was die Gesundheitspolitik betrifft, ' die Gesundheitserziehung und die Tätigkeiten und Dienstleistungen im Bereich der Präventivmedizin mit Ausnahme der Vorbeugungsmaßnahmen auf nationaler Ebene '.

Aus den Vorarbeiten zu diesem Artikel 5 § 1 I Nr. 2 geht hervor, dass hinsichtlich der Tätigkeiten und Dienstleistungen im Bereich der Präventivmedizin die Gemeinschaften unter anderem zuständig sind für ' die medizinische Sportkontrolle, die durch die Reglementierung bezüglich der Ausübung bestimmter Sportarten (Boxsport, Radsport) vorgeschrieben ist, und die fakultative Kontrolle ' (Parl. Dok., Senat, 1979-1980, Nr. 434/2, SS. 124-125).

B.11. Insoweit sie nicht anders darüber verfügt haben, haben der Verfassungsgeber und der Sondergesetzgeber den Gemeinschaften und den Regionen die vollständige Befugnis erteilt, Regeln aufzustellen, die den ihnen zugewiesenen Angelegenheiten eigen sind. Vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen hat der Sondergesetzgeber die Gesamtheit der Politik bezüglich der durch ihn zugewiesenen Angelegenheiten den Gemeinschaften und Regionen übertragen.

B.12. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Artikel 128 § 1 der Verfassung in Verbindung mit Artikel 5 § 1 I Nr. 2 des Sondergesetzes vom 8. August 1980, unter Vorbehalt der darin enthaltenen Ausnahme, den gesamten Bereich der Gesundheitserziehung und der Tätigkeiten und Dienstleistungen im Bereich der Präventivmedizin den Gemeinschaften übertragen hat.

B.13.1. Die im Dopingdekret enthaltenen Bestimmungen über die Dopingpraktiken sind als Regeln über die Sportausübung unter Beachtung der gesundheitlichen Anforderungen, die zur Präventivmedizin gehören, anzusehen.

Der Dekretgeber hat durch die Annahme dieser Bestimmungen also einen Aspekt der Präventivmedizin geregelt, der spezifisch den medizinischen Schutz von Sportlern betrifft.

B.13.2. Da die Angelegenheit der Sportausübung unter Beachtung der gesundheitlichen Anforderungen zum Zuständigkeitsbereich der Flämischen Gemeinschaft gehört, ist davon auszugehen, dass der flämische Dekretgeber ebenfalls befugt ist, die Nichteinhaltung der durch ihn auf diesem Gebiet erlassenen Regeln unter Strafe zu stellen und diesbezüglich strafausschließende Entschuldigungsgründe vorzusehen.

B.14.1. Die Zuständigkeit der Gemeinschaften auf dem Gebiet der Präventivmedizin umfasst jedoch nicht die Zuständigkeit, auf allgemeine Weise Regelungen in Bezug auf Arzneimittel und Lebensmittel anzunehmen.

Aus den Vorarbeiten zum Sondergesetz vom 8. August 1980 (Parl. Dok., Senat, 1979-1980, Nr. 434/1, S. 7; Senat, 1979-1980, Nr. 434/2, SS. 124-125; Kammer, 1979-1980, Nr. 627-10, S. 52) geht nämlich hervor, dass der Sondergesetzgeber die Regelung über Lebensmittel und Arzneimittel aus der den Gemeinschaften übertragenen Zuständigkeit für die Präventivmedizin ausgeschlossen hat. Diese Angelegenheiten gehören folglich zur Restbefugnis des Föderalstaates.

B.14.2. Indem das föderale Betäubungsmittelgesetz den Transport, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Besitz, den Verkauf, das Anbieten zum Kauf, die Abgabe und den Erwerb von Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, Desinfektions- und antiseptischen Mitteln regelt, ist es im Rahmen der Regeln der Zuständigkeitsverteilung als eine Regelung von Arzneimitteln und Lebensmitteln anzusehen, für die der Föderalstaat zuständig ist.

Daraus ist auch zu schlussfolgern, dass es nur dem föderalen Gesetzgeber obliegt, die Nichteinhaltung dieser Bestimmungen unter Strafe zu stellen und, wenn er dies als sachdienlich erachtet, diesbezüglich strafausschließende Entschuldigungsgründe vorzusehen.

B.15. Insofern die fragliche Bestimmung in dem Sinne ausgelegt wird, dass der darin vorgesehene strafausschließende Entschuldigungsgrund nicht nur für Handlungen gilt, die nur aufgrund von Artikel 43 des Dopingdekrets strafbar sind, sondern auch für den bloßen Besitz verbotener Substanzen, der aufgrund des föderalen Betäubungsmittelgesetzes strafbar ist, verstößt sie gegen Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen.

B.16. In dieser Auslegung der fraglichen Bestimmung ist die präjudizielle Frage bejahend zu beantworten.

B.17. Der Hof stellt jedoch fest, dass sowohl die Flämische Regierung als auch der Ministerrat anführen, dass die fragliche Bestimmung auch anders ausgelegt werden könne. Die Flämische Regierung bittet den Hof, im Tenor seines Urteils die von ihr vorgeschlagene Auslegung anzugeben, die gemäß ihrer Darlegung der Verfassungsmäßigkeitsprüfung standhält.

Unter Berücksichtigung dessen, dass diese Bestimmung auf ' die in Artikel 43 [des Dopingdekrets] unter Strafe gestellten Handlungen ' verweist, kann sie auch in dem Sinne ausgelegt werden, dass der darin angeführte strafausschließende Entschuldigungsgrund nur für die Verstöße im Sinne von Artikel 43 des Dopingdekrets gilt, und nicht für in anderen Gesetzesnormen angeführte Verstöße.

In dieser Auslegung entspricht die fragliche Bestimmung zwar nicht vollständig dem Ziel des Dekretgebers in Bezug auf die ' Entkriminalisierung der Dopingbekämpfung für Sportler ' (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 1990-1991, Nr. 448/1, SS. 17 ff.), doch verstößt sie nicht gegen die Regeln der Zuständigkeitsverteilung.

B.18. In dieser Auslegung der fraglichen Bestimmung ist die präjudizielle Frage verneinend zu beantworten ».

B.9. Aus denselben Gründen, wie sie im vorerwähnten Entscheid angeführt sind, ist festzustellen, dass in dem Fall, dass Artikel 47 des Dopingdekrets in dem Sinne ausgelegt wird, dass der darin geregelte strafausschließende Entschuldigungsgrund nicht nur gilt für Taten, die nur aufgrund von Artikel 46 Nr. 1 des Dopingdekrets strafbar sind, sondern auch für den Besitz von verbotenen Substanzen, der durch das föderale Betäubungsmittelgesetz unter Strafe gestellt ist, die fraglichen Bestimmungen nicht vereinbar sind mit Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen.

B.10. In dieser Auslegung der fraglichen Bestimmungen ist die erste Vorabentscheidungsfrage bejahend zu beantworten.

B.11.1. Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass die fraglichen Bestimmungen auch anders ausgelegt werden können. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in Artikel 47 des Dopingdekrets auf « die unter Strafe gestellten Taten im Sinne von Artikel 46 Nr. 1 » verwiesen wird, kann die Bestimmung auch in dem Sinne ausgelegt werden, dass der darin vorgesehene strafausschließende Entschuldigungsgrund nur für die in diesem Artikel 46 Nr. 1 des Dopingdekrets definierten Straftaten gilt, und nicht für Straftaten, die in anderen Gesetzesnormen definiert sind.

B.11.2. Diese Auslegung wurde im Übrigen ausdrücklich bestätigt in den Vorarbeiten zum Dopingdekret:

« Es stellen sich eine Reihe von Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem Verhältnis zwischen dem Dekret einerseits und der föderalen Strafgesetzgebung, insbesondere dem Betäubungsmittelgesetz vom 24. Februar 1921 und dessen Ausführungserlassen, andererseits. So wird die Frage aufgeworfen, ob der strafausschließende Entschuldigungsgrund auch in Bezug auf die föderalen Strafbestimmungen wirksam sein könnte, insbesondere im Falle des Zusammentreffens von Verstößen gegen das Dekret über die sportliche Betätigung unter Beachtung der gesundheitlichen Anforderungen und das föderale Betäubungsmittelgesetz. Der Dekretgeber ist durchaus der Auffassung, dass dies nicht der Fall ist.

Es ist keineswegs die Absicht des Dekretgebers, das föderale Betäubungsmittelgesetz vom 24. Februar 1921 zu verletzen. Es handelt sich um eine dekretale Entpönalisierung. Der Dekretgeber bestätigt dabei den sehr wertvollen Beitrag, den das Gericht durch einen strafrechtlichen Ansatz leisten kann bei der Bekämpfung der Dopingproblematik, unter anderem indem das Drogenproblem und der organisierte Handel mit Betäubungsmitteln aufgegriffen werden » (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2011-2012, Nr. 1554/1, SS. 21-22).

B.12. In dieser Auslegung der fraglichen Bestimmungen ist die erste Vorabentscheidungsfrage verneinend zu beantworten.

In Bezug auf die zweite Vorabentscheidungsfrage

B.13. Der vorlegende Richter möchte mit der zweiten Vorabentscheidungsfrage erfahren, ob die Artikel 9, 46 und 47 des Dopingdekrets in der zum Zeitpunkt der Taten anwendbaren Fassung vereinbar seien mit dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung, wenn diese Bestimmungen so verstanden würden, dass ein Sportler, der wegen des Besitzes verbotener Substanzen auf der Grundlage des Dopingdekrets disziplinarrechtlich endgültig verurteilt worden sei, nicht mehr strafrechtlich verfolgt und verurteilt worden könne auf der Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes, während Rechtsunterworfene, die nicht einer Disziplinarregelung unterlägen, wohl strafrechtlich verfolgt werden könnten für die gleiche Straftat.

B.14. Wie in B.11.1 angeführt wurde, ist Artikel 47 des Dopingdekrets, um den Regeln der Zuständigkeitsverteilung zu entsprechen, in dem Sinne auszulegen, dass der darin vorgesehene strafausschließende Entschuldigungsgrund nur für die in Artikel 46 Nr. 1 des Dopingdekrets definierten Straftaten gilt und nicht für Straftaten, die in anderen Gesetzesnormen, wie das Betäubungsmittelgesetz, definiert sind. In dieser Auslegung besteht der angeführte Behandlungsunterschied nicht und ist die Vorabentscheidungsfrage verneinend zu beantworten.

B.15. Im Übrigen geht auch aus den Vorarbeiten zum Dopingdekret hervor, dass die fraglichen Bestimmungen nicht bezwecken zu verhindern, dass ein Sportler, der disziplinarrechtlich bestraft wird, auch strafrechtlich verfolgt und verurteilt werden könnte, sofern der allgemeine Rechtsgrundsatz non bis in idem dem nicht entgegensteht (Parl. Dok., Flämisches Parlament, 2011-2012, Nr. 1554/1, S. 22). Um zu bestimmen, ob der Grundsatz non bis in idem auf die strittigen Disziplinarsanktionen anwendbar sein kann, muss der zuständige Richter prüfen, ob die strittigen Disziplinarsanktionen strafrechtlicher Art sind (siehe EuGHMR, Große Kammer, 15. November 2016, A und B gegen Norwegen, § § 101-134; 31. Mai 2011, Kurdov und Ivanov gegen Bulgarien, § § 35-46, Große Kammer, 10. Februar 2009, Sergey Zolotukhin gegen Russland, § § 52-57, 70-84).

Aus diesen Gründen:

Der Gerichtshof

erkennt für Recht:

- Die Artikel 9, 46 Nr. 1 und 47 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 25. Mai 2012 über die Dopingvorbeugung und -bekämpfung im Sport verstoßen gegen Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, wenn Artikel 47 dahin ausgelegt wird, dass der darin geregelte strafausschließende Entschuldigungsgrund nicht nur für Handlungen gilt, die ausschließlich aufgrund von Artikel 46 Nr. 1 dieses Dekrets strafbar sind, sondern auch für den Besitz verbotener Substanzen, der aufgrund des Gesetzes vom 24. Februar 1921 über den Handel mit Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen, Desinfektions- oder antiseptischen Mitteln und mit Stoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verwendet werden können, strafbar ist.

- Die Artikel 9, 46 Nr. 1 und 47 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 25. Mai 2012 über die Dopingvorbeugung und -bekämpfung im Sport verstoßen nicht gegen Artikel 11 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen und die Artikel 10 und 11 der Verfassung, wenn Artikel 47 dahin ausgelegt wird, dass der darin geregelte strafausschließende Entschuldigungsgrund nur für die in Artikel 46 Nr. 1 dieses Dekrets umschriebenen Verstöße gilt, und also nicht für den Besitz verbotener Substanzen, der aufgrund des Gesetzes vom 24. Februar 1921 über den Handel mit Giftstoffen, Schlafmitteln, Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen, Desinfektions- oder antiseptischen Mitteln und mit Stoffen, die zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verwendet werden können, strafbar ist.

Erlassen in niederländischer und französischer Sprache, gemäß Artikel 65 des Sondergesetzes vom 6. Januar 1989 über den Verfassungsgerichtshof, am 19. Oktober 2017.

Der Kanzler,

(gez.) F. Meersschaut

Der Präsident,

(gez.) E. De Groot